idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
07.04.2020 14:34

Die aktuelle Krise verschärft die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt – kurzfristig

Linda Schädler Abteilung Kommunikation
Universität Mannheim

    Die Mannheimer Ökonomin Prof. Michèle Tertilt und drei weitere Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler zeigen in ihrer neuen Studie, wie sich die Covid-19-Pandemie von den vergangenen Wirtschaftskrisen unterscheidet und warum sie sich vor allem auf die Beschäftigungsmöglichkeiten von Frauen negativ auswirkt.

    Weltweit sind derzeit mehr als 1,5 Milliarden Kinder – das sind über 90 Prozent aller Schülerinnen und Schüler – von Schulschließungen betroffen. Dies zeigt die aktuelle Unesco-Statistik. Dieser Zustand hat große Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft, darunter auch auf die bestehenden Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern: Die Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird sich dadurch verschärfen – zumindest kurzfristig. Auf lange Sicht könnte es jedoch einen kulturellen Wandel geben, von dem Frauen profitieren. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie von vier Wirtschaftswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, darunter der Mannheimer Ökonomin Prof. Michèle Tertilt.

    Die Autoren zeigen in ihrer Studie die Konsequenzen der Krise aus der Perspektive der Gender-Forschung auf: Arbeitende Frauen werden im Laufe der Krise mit zusätzlichen Aufgaben konfrontiert und ihre Belastung steigt. Das liegt vor allem daran, dass sie sich zum großen Teil um die Kinder kümmern und die ausbleibende Schulbetreuung selbst kompensieren. Ihrer regulären Arbeit nachzugehen wird daher erschwert: Sie sind weniger flexibel und müssen ihre Arbeitszeiten den Betreuungszeiten zuhause häufig anpassen. Besonders schlimm trifft es die alleinerziehenden Mütter.

    Zum anderen sind die Arbeitsplätze vieler Frauen stärker von der Krise betroffen, als es bei Männern der Fall ist. Das unterscheidet auch den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung von früheren Rezessionen. In der Finanzkrise vor zehn Jahren beispielsweise verloren viel mehr Männer als Frauen ihren Arbeitsplatz, weil die am stärksten betroffenen Bereiche von Männern dominiert waren. Dazu gehörten beispielsweise die Produktion und das Bauwesen. „Normale Krisen sind für Männer schlimmer als für Frauen“, sagt Prof. Tertilt. Doch diesmal sind Sektoren wie Gesundheit, Gastronomie und die Reisebranche betroffen, in denen traditionell viele Frauen beschäftigt sind. Voraussichtlich werden also viel mehr Frauen als Männer ihre Arbeitsplätze verlieren, so die Autorinnen und Autoren der Studie. „Frauen trifft die aktuelle Krise wesentlich schlimmer als Männer“, fasst Tertilt zusammen.

    Auf lange Sicht könnte die Coronakrise kulturelle Normen verändern und Frauen Vorteile verschaffen. Das hängt damit zusammen, dass aufgrund der Krise viele Menschen ihrer Arbeit von zu Hause nachgehen und die Möglichkeiten des Homeoffice nutzen. Die Unternehmen haben in die entsprechende Technologie investiert und sich auch von ihren Vorteilen überzeugt. Erfahrungen aus der Vergangenheit zeigen, dass selbst temporäre Entwicklungen wie diese anhaltende Effekte auf die Gesellschaft haben können. Deshalb rechnen die Wissenschaftler auch langfristig damit, dass die zusätzliche Flexibilität zumindest teilweise auch nach der Krise erhalten bleibt. Mütter würden von dieser neuen Flexibilität stark profitieren.

    Weitere Chancen liegen in der Verteilung der unbezahlten Kinderbetreuung. Millionen von Männer sind derzeit im Homeoffice, während ihre Frauen weiterhin ihren Jobs in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nachgehen – weil sie Vorort unentbehrlich sind. Viele Väter übernehmen daher zum ersten Mal in ihrem Leben die Betreuung ihrer Kinder zu Hause zu fast 100 Prozent – ein Paradigmenwechsel, der sich nachhaltig als game changer erweisen und „in der Rollenverteilung Normen ändern könnte“, so Tertilt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Michèle Tertilt, Ph.D.
    Professur für Makro- und Entwicklungsökonomie
    Universität Mannheim
    Tel. +49 621 181-1902
    E-Mail: tertilt@uni-mannheim.de

    Yvonne Kaul
    Forschungskommunikation
    Universität Mannheim
    Tel. +49 174 3146512
    E-Mail: kaul@uni-mannheim.de


    Originalpublikation:

    http://tertilt.vwl.uni-mannheim.de/research/COVID19_Gender_Equality_March2020.pd...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).