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16.04.2020 15:33

Menschen mit psychopathischen Tendenzen können soziale Distanz schlecht regulieren

Petra Giegerich Kommunikation und Presse
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Psychopathie beeinträchtigt die Fähigkeit, die soziale Distanz in Bezug auf den Gefühlsausdruck anderer Menschen anzupassen

    Bei der Begegnung mit anderen Menschen halten wir instinktiv eine gewisse soziale Distanz ein, die von verschiedenen Faktoren abhängt. Dieser Wohlfühlabstand wird von Psychopathen häufig verletzt. Wissenschaftler der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) haben die soziale Interaktion von Personen mit psychopathischen Tendenzen in einem 3-D-Labor untersucht und ermittelt, welchen Abstand sie zu ihrem virtuellen Gegenüber halten. Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen mit psychopathischen Tendenzen den Wohlfühlabstand mangelhaft regulieren, da sie nicht auf die sozialen Signale des Gegenübers achten. Sie machen keinen Unterschied zwischen einer Person mit freundlichem Gesichtsausdruck und einer anderen mit wütendem Gesichtsausdruck und halten jeweils etwa den gleichen Abstand – im Gegensatz zu Menschen ohne psychopathische Tendenzen. „Wie unsere Studie weiter ergab, zeigen psychopathische Menschen keine adäquate Vermeidungsreaktion. Dies erklärt auch ihr Verhalten“, teilt Robin Welsch vom Psychologischen Institut der JGU mit.

    Unter Psychopathie versteht man ein dauerhaft abweichendes Verhalten in Verbindung mit zwischenmenschlichen und emotionalen Defiziten. Dazu gehört auch die Neigung, Schaden oder Leid zu verursachen, indem gegen soziale Normen verstoßen wird. Klinische Berichte weisen in diesem Zusammenhang häufig darauf hin, dass psychopathische Personen den persönlichen Wohlfühlabstand missachten, indem sie zum Beispiel anderen auf unangenehme Weise zu nahe kommen. Wie sich die Abstandsregulation bei psychopathischen Menschen genau verhält, hat Welsch im Labor für virtuelle Realität der Abteilung Allgemeine Experimentelle Psychologie untersucht.

    Begegnung mit Avatar im virtuellen Versuchslabor

    Die studentische Stichprobe umfasste 76 Probanden, 51 Frauen und 25 Männer im Alter zwischen 19 und 38 Jahren. Psychopathische Tendenzen wurden anhand eines Fragebogens erfasst, der insbesondere die beiden Faktoren selbstzentrierte Impulsivität und furchtlose Dominanz ermittelt. Die Probanden wurden schließlich mit dem Setup im 3-D-Labor vertraut gemacht und dann den jeweiligen Tests unterzogen. „Das Labor bietet eine virtuelle Realität vergleichbar mit den 3-D-Bildern im Kino. Hinzukommt allerdings, dass das 3-D-Bild auf die Bewegung eines Versuchsteilnehmers reagiert und sich anpasst und damit den Probanden in die virtuelle Realität eintauchen lässt“, erklärt Welsch. Im zweiten Versuchsteil konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer außerdem den Avatar mit einem Joystick steuern.

    Vermeidungstendenzen sind ein Problem bei Menschen mit Neigung zu Psychopathie

    Zeigt der Avatar einen freundlichen Gesichtsausdruck, gehen Menschen ohne psychopathische Tendenzen auf den Avatar zu, bis etwa 1,00 bis 1,10 Meter Abstand besteht. Im Falle eines wütenden Gesichtsausdrucks halten sie eine Distanz von 1,25 Meter ein. Diesen Unterschied machen Menschen mit psychopathischen Neigungen nicht, sie treten unabhängig vom Gesichtsausdruck auf 1,10 Meter heran. Im zweiten Experiment sollten die Probanden in Reaktion auf die Mimik des Avatars einen Joystick bewegen. „Wir stellten fest, dass die Versuchsteilnehmer mit psychopathischen Tendenzen keine angemessene Vermeidungsreaktion zeigen, obwohl sie den Gesichtsausdruck des Avatars richtig deuten können“, so Welsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Erstautor der Studie, an der außerdem Dr. Christoph von Castell und Prof. Dr. Heiko Hecht beteiligt sind.

    Zusammenfassend kann man also sagen, dass Psychopathie nicht einfach zu einer unangemessenen sozialen Distanz führt, sondern dass lediglich die situationsangemessene Regulation der sozialen Distanz gestört ist.

    Bildmaterial:
    https://download.uni-mainz.de/presse/02_psychologie_psychopathie_distanz.jpg
    Begegnung mit einer virtuellen Person im Labor für virtuelle Realität an der JGU
    Foto/©: Robin Welsch

    Weitere Links:
    https://experimental.psychologie.uni-mainz.de/ - Abteilung Allgemeine Experimentelle Psychologie

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    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Robin Welsch
    Abteilung Allgemeine Experimentelle Psychologie
    Psychologisches Institut
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    55099 Mainz
    Tel. +49 6131 39-39271
    E-Mail: welsch@uni-mainz.de
    https://experimental.psychologie.uni-mainz.de/welsch-robin/


    Originalpublikation:

    Robin Welsch, Christoph von Castell, Heiko Hecht
    Interpersonal Distance Regulation and Approach-Avoidance Reactions Are Altered in Psychopathy
    Clinical Psychological Science, 26. November 2019
    DOI: 10.1177/2167702619869336
    https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/2167702619869336


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    Gesellschaft, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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