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15.12.2020 17:09

Gründe für nervenschädigende Wirkung von Malariamedikament verstanden

Dr. Judith Flurer Public Science Center
Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging

    Der Wirkstoff Artemisinin wird gegen den Erreger der Malaria eingesetzt. Allerdings hat der Wirkstoff auch unerwünschte Nebenwirkungen und greift in die Signalweiterleitung von Nervenzellen ein. Würzburger Wissenschaftler konnten nun die zu Grunde liegenden molekularen Mechanismen aufklären. Die Ergebnisse wurden im renommierten Fachjournal PNAS veröffentlicht.

    Für die Informationsverarbeitung im zentralen Nervensystem benötigen die Nervenzellen unter anderem den Botenstoff, oder Neurotransmitter, Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Die Herstellung dieses Neurotransmitters wird jedoch durch den Anti-Malariawirkstoff Artemisinin gehemmt, wie die Forschungsgruppe von Prof. Dr. Hermann Schindelin vom Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging der Universität Würzburg kürzlich zeigen konnte. In der aktuellen Studie konnte die genaue Struktur der Bindungsstelle von Artemisinin aufklärt werden. In Zusammenarbeit mit Arbeitsgruppen der Universität Würzburg und der Universität Erlangen beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler detailliert den Mechanismus der Hemmung in neuronalen Zellen.

    Die Herstellung von GABA

    Die Signalweiterleitung von Nervenzellen findet an den Synapsen, den Kontaktstellen zwischen einer Nervenzelle und einer weiteren Zelle, statt. Die sendende Zelle wird als präsynaptische Zelle, die empfangende Zelle als postsynaptische Zelle bezeichnet.
    Der Neurotransmitter GABA wird in der präsynaptischen Zelle von dem Enzym GAD gebildet. Damit dieses Enzym überhaupt funktionieren kann, benötigt es einen Co-Faktor, das Vitamin B6. Dieses Vitamin wird von einem weiteren Enzym, der Pyridoxalkinase (PDXK), synthetisiert. Der Vorläufer des Vitamins B6 dockt dabei an eine spezielle Bindestelle des Enzyms PDXK an. Mittels Röntgenkristallstrukturanalyse konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun zeigen, dass die Bindestellen für die Vitamin B6 Vorstufe und den Wirkstoff Artemisinin teilweise überlappen und Artemisinin dadurch die Bindung der Vitaminvorstufe verhindert. „Wir untersuchten auch direkt die enzymatische Reaktion von PDXK und zeigten, dass die Bildung des Co-Faktors Vitamin B6 gehemmt wird und damit indirekt auch die Synthese des Neurotransmitters GABA,“ erklärt Anabel Pacios-Michelena, Doktorandin in der Arbeitsgruppe und eine der beiden Erstautoren der Studie. „Ein Mangel an Vitamin B6 wird mit zahlreichen neurologischen und Stoffwechselstörungen in Zusammenhang gebracht, was die Bedeutung dieser Enzymreaktion nochmals verdeutlicht,“ betont Vikram Babu Kasaragod, ehemaliger Postdoktorand in der Forschungsgruppe und ebenfalls Erstautor der Studie.

    Messbar weniger neuronale Aktivität

    In Zusammenarbeit mit den neurobiologischen Arbeitsgruppen behandelten die Forscherinnen und Forscher Nervenzellen mit Artemisinin und stellten fest, dass der niedrigere Spiegel an Vitamin B6, zu messbar weniger Aktivität des Enzyms GAD in präsynaptischen Neuronen führte. „Zusammen mit unserer unlängst in der Fachzeitschrift Neuron publizierten Studie, die den Einfluss von Artemisinin in postsynaptischen Zellen beschreibt, verstehen wir jetzt wie Artemisinin in die Signalübertragung im Gehirn eingreift,“ sagt Schindelin.

    Personen
    Dr. Vikram Babu Kasaragod forschte als Doktorand und Postdoktorand in der Arbeitsgruppe von Prof. Schindelin am Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging. Mittlerweile arbeitet er in der Gruppe von Radu Aricescu am MRC Laboratory of Molecular Biology in Cambridge, UK.

    Dr. Anabel Pacios-Michelena forscht als Postdoktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Schindelin am Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging.

    Prof. Dr. Herman Schindelin ist Leiter einer Forschungsgruppe am Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging.

    Das Rudolf-Virchow-Zentrum – Center for Integrative and Translational Bioimaging ist eine Zentrale Einrichtung der Universität Würzburg. Die multidisziplinären Forschungsgruppen des Zentrums widmen sich hier mit modernsten Methoden und bildgebenden Verfahren der Entschlüsselung krankmachender Faktoren auf allen Ebenen der Biologie, vom atomaren Aufbau der Proteine, über einzelne Zellen bis zum kompletten Gewebe.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Herman Schindelin (Rudolf-Virchow-Zentrum, Universität Würzburg)
    Tel.: +49 (0)931 31-80382, hermann.schindelin@virchow.uni-wuerzburg.de

    Dr. Vikram Kasaragod (MRC Laboratory of Molecular Biology)
    Email: vkasaragod@mrc-lmb.cam.ac.uk


    Originalpublikation:

    Vikram Babu Kasaragod, Anabel Pacios-Michelena, Natascha Schaefer, Fang Zheng, Nicole Bader, Christian Alzheimer, Carmen Villmann and Hermann Schindelin; Pyridoxal Kinase Inhibition by Artemisinins Downregulates Inhibitory Neurotransmission (2020) PNAS https://www.pnas.org/content/early/2020/12/11/2008695117


    Weitere Informationen:

    https://www.uni-wuerzburg.de/de/rvz/neuigkeiten/single/news/gruende-fuer-nervens...


    Bilder

    In dieser schematischen Darstellung verhindert in der linken Hälfte der Synapse der Wirkstoff Artemisinin (gelb) die Herstellung des Neurotransmitters GABA (blau). In Abwesenheit von Artemisinin (rechte Hälfte) wird GABA hingegen produziert.
    In dieser schematischen Darstellung verhindert in der linken Hälfte der Synapse der Wirkstoff Artemi ...

    AG Schindelin, Rudolf-Virchow-Zentrum


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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