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11.02.2021 15:37

TU Berlin: COVID-19 - Wissenschaftler*innen testen potenzielle Medikamente

Stefanie Terp Stabsstelle Kommunikation, Events und Alumni
Technische Universität Berlin

    Potenzielle COVID-19-Medikamente auf dem Prüfstand

    Wissenschaftler*innen untersuchen mögliche Andockstellen an das Virus für COVID-19-Medikamente

    Impfungen gegen das SARS-CoV-2-Virus sind auf dem Weg. Bei der Suche nach einem Medikament, das Menschen helfen könnte, die bereits an COVID-19 erkrankt sind, sieht es aber noch düster aus. Hinzu kommt: Die Suche und Zulassung von neuen Medikamenten ist extrem kostspielig und zeitaufwändig. Diesen Prozess drastisch zu beschleunigen, ist das Ziel eines Forschungsteams an der Harvard Medical School, das unter anderem auch mit Wissenschaftler*innen der TU Berlin und aus dem Exzellenzcluster MATH+ kooperiert.

    „Mit der von uns vor gut einem Jahr entwickelten Software Virtual Flow ist es uns gelungen, das weltweit größte virtuelle Screening-Programm von Substanzen mit einer potenziellen Wirkung gegen SARS-CoV-2 in kurzer Zeit durchzuführen“, berichtet Dr. Christoph Gorgulla, Postdoc an der Harvard Medical School und Alumnus der Berlin Mathematical School (BMS). Die Ergebnisse dieses Screenings wurden jetzt in der Open-Access-Zeitschrift iScience veröffentlicht.

    An der Entwicklung der Software Virtual Flow war unter anderem auch Dr. Konstantin Fackeldey, Privatdozent an der TU Berlin, beteiligt, der auch Co-Autor der jüngsten Veröffentlichung ist. „Virtual Flow ermöglicht es, die Bindungsstärke und Bindungsaffinität von bestimmten Substanzen miteinander zu simulieren. In diesem Screening haben wir die Bindungsaffinität von über einer Milliarde potenzieller Substanzen an 35 verschiedenen Bindungsstellen von 15 SARS-CoV-2-Virusproteinen angeschaut. Diese Substanzen, auch Liganden genannt, stammen zum großen Teil aus der Datenbank eines Unternehmens, das kommerziell chemische Moleküle für die Pharmaindustrie herstellt. Es wurden aber auch die Datenbanken von Dutzenden weiteren Unternehmen gescreent. Ebenfalls analysiert wurde die Bindungsaffinität dieser Liganden an verschiedenen Bindungspositionen zweier menschlicher Proteine. Von diesen Proteinen weiß man, dass sie auf zellulärer Basis mit dem Virus interagieren und eine Infektion ermöglichen“, erklärt Konstantin Fackeldey.

    Dockingvorgang ist vergleichbar mit einem 3D-Puzzle

    Insgesamt wurden so fast 50 Milliarden sogenannte Dockingvorgänge simuliert. Ein Dockingvorgang ist vergleichbar mit dem Anfügen eines 3D-Puzzelteils. Im Prinzip wurde hier rund 50 Milliarden Mal versucht, ein 3D-Puzzelteil (Ligand) mit einem anderen (Virusprotein) möglichst fest zu verbinden und die Bindungsstärke zu bestimmen.

    „Bei den 15 Virusproteinen handelt es sich um Proteine, die zum Beispiel verantwortlich sind für die Bindung von SARS-CoV-2-Viren an menschliche Zellen oder aber Proteine, die für die Replikation der Virus RNA oder die Bildung der Virushülle zuständig sind. Ziel ist es, diese Proteine durch die Zugabe eines bestimmten Liganden ‚auszuschalten‘, weil die beiden Substanzen sich fest verbinden. Dann wäre die Virusvermehrung gestoppt oder zumindest gehemmt. In anderen Fällen könnte durch die Bindung der Liganden an die menschlichen Proteine der Eintritt der Viren in die Zellen unterbunden werden“, beschreibt Christoph Gorgulla die Zielrichtung der Forschung.

    Internationale Forscher*innen sind aufgerufen die Open Source-Daten zu nutzen

    Im Rahmen des Screenings konnte das internationale Team jetzt mehrere tausend Substanzen identifizieren, die eine vielversprechende Bindungsaffinität zu den Virusproteinen oder auch den menschlichen Proteinen aufweisen. „Alle unsere Ergebnisse haben wir frei verfügbar gemacht. Kein einzelnes Team kann es schaffen, alle Wirkstoff-Kandidaten parallel zu validieren. Hinzu kommt: Die traditionellen Methoden zur Wirkstoffentdeckung sind sehr teuer und zeitaufwändig. Die Pandemie erfordert jedoch ein sehr schnelles Vorgehen. Daher hoffen wir, dass unsere Ergebnisse für weitere Forschungsteams auf der ganzen Welt hilfreich sein werden, um potenzielle Wirkstoff-Kandidaten experimentell zu untersuchen“, so Christoph Gorgulla.

    Der große Vorteil: Unter den gescreenten Substanzen sind zum Teil ganz neue Substanzen, die bislang noch nicht im Fokus der Forschung stehen, aber auch einige, die bereits als Arzneimittel für andere Erkrankungen zugelassen sind. Sollten Letztere sich als effektive Virusinhibitoren erweisen, würde das die normalerweise zeitraubenden Zulassungsprozesse dramatisch vereinfachen. Andere Verbindungen unter den Top-Treffern von Virtual Flow werden derzeit bereits in klinischen Studien für COVID-19 untersucht, darunter mehrere Medikamente aus der Familie der Steroide. In diesen Fällen könnten die Forscher*innen auf den Erkenntnissen des Screenings aufbauen und genauer analysieren, wie diese Medikamente auf molekularer Ebene funktionieren – etwas, das nicht immer erforscht ist, selbst wenn die Labordaten zeigen, dass ein Wirkstoff gut funktioniert.

    „Parallel Dutzende von Andockstellen bei 17 Proteinen zu untersuchen, könnte auch dabei helfen, parallel mehrere Medikamente zu identifizieren oder zu entwickeln, die eventuell sogar gemeinsam das Virus an verschiedenen Fronten bekämpfen. Das würde der Medizin neue Möglichkeiten eröffnen, das Virus zu stoppen oder auch auf neue Mutationen zu reagieren“, so Konstantin Fackeldey.

    Weiterführende Informationen:
    https://vf4covid19.hms.harvard.edu/

    Weitere Informationen erteilen Ihnen gern:
    Dr. Konstantin Fackeldey
    TU Berlin
    Tel.: 030 314-24924
    E-Mail: fackeldey@tu-berlin.de

    Dr. Christoph Gorgulla
    Harvard University
    cgorgulla@g.harvard.edu


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Mathematik, Medizin
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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