idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
17.03.2021 12:10

Belebung des Immunsystems zur Krebsabwehr

Johann Jarzombek Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie

    Krebszellen haben Mechanismen entwickelt, um der körpereigenen Immunabwehr zu entkommen. Wirkstoffe, die das unterbinden können, sind attraktive Ziele in der Entwicklung neuer Krebstherapien. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Waldmann und Dr. Slava Ziegler am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (MPI) in Dortmund hat ein neuartiges Testsystem zur Suche nach immunregulatorischen Substanzen in Zellen entwickelt, mit dem eine Reihe neuer potentieller Wirkstoffe identifiziert werden konnten.

    Krebszellen haben Mechanismen entwickelt, um der körpereigenen Immunabwehr zu entkommen. Wirkstoffe, die das unterbinden können, sind attraktive Ziele in der Entwicklung neuer Krebstherapien. Die Forschungsgruppe um Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Waldmann und Dr. Slava Ziegler am Max-Planck-Institut für molekulare Physiologie (MPI) in Dortmund hat ein neuartiges Testsystem zur Suche nach immunregulatorischen Substanzen in Zellen entwickelt, mit dem eine Reihe neuer potentieller Wirkstoffe identifiziert werden konnten.

    Unser Immunsystem ist sehr erfolgreich bei der Abwehr von Viren und Bakterien. Auch Krebszellen werden als potentielle Feinde erkannt und bekämpft. Jedoch haben sie Strategien entwickelt, der Überwachung durch das Immunsystem zu entgehen und eine Immunantwort zu verhindern.

    In den letzten Jahren hat der Ansatz, Krebserkrankungen mithilfe des Immunsystems zu bekämpfen, Einzug in die klinische Praxis gehalten und zunehmend an Bedeutung als Therapieoption gewonnen. Zum Einsatz kommen gegenwärtig vor allem sogenannte Immuncheckpoint-Hemmstoffe. Immuncheckpoints befinden sich auf der Oberfläche von Krebszellen und bremsen die Immunantwort aus. Hemmstoffe gegen die Checkpoints können die tumorbedingte Bremse wieder lösen. Krebszellen haben noch eine weitere Strategie entwickelt, um der Immunantwort zu entkommen: Sie produzieren das Enzym Indolamin-2,3-Dioxygenase (IDO1), das Tryptophan in Kynurenin verstoffwechselt. Mit dem Abbau von Tryptophan wird die Produktion der T-Zellen, die als zentraler Bestandteil der Immunantwort Krebszellen aufspüren und blockieren, lahmgelegt. Zusätzlich werden die T-Zellen durch das Kynurein gehemmt.

    Neue Hemmstoffe gegen IDO1 - Auf die Suche kommt es an
    IDO1 steht aufgrund seiner krebstreibenden Wirkung im Fokus der pharmazeutischen Forschung. Die Suche nach potentiellen IDO1-Hemmstoffen war bisher nur mäßig erfolgreich und der erste getestet IDO1-Hemmstoff, das Epacadostat, zeigte in klinischen Studien kaum eine Wirkung. Ob dieser Hemmstoff das Enzym IDO1 im Tumor auch wirklich blockiert und ob die eingesetzte Dosis ausreichend ist, konnte jedoch bisweilen nicht vollständig nachgewiesen werden.

    Auf der Suche nach neuen Modulatoren krankheitserregender Prozesse werden in der Wirkstoffforschung spezielle Testverfahren, sogenannte Assays, eingesetzt. Diese basieren meistens auf einer biochemischen Reaktion, die durch eine wirksamen Hemmstoff unterbunden wird – der Test fällt positiv aus. Allerdings bringt diese Methode gewisse Nachteile und Limitierungen mit sich, da der Test im Reagenzglas und nicht in der natürlichen Umgebung des Enzyms, d. h. in der Zelle, stattfindet. Außerhalb der schützenden Zellhülle sind Enzyme wie IDO1 nämlich weniger stabil und ungewollt reaktionsfreudiger. Ein weiterer Nachteil ist, dass sogenannte indirekte Hemmstoffe, die z. B. die Herstellung eines Enzyms beeinflussen, nicht mit diesen Testverfahren nachgewiesen werden können.

    Neuartiges Testverfahren findet Hemmstoffe mit verschiedenen Wirkmechanismen
    Die Gruppe um Herbert Waldmann und Slava Ziegler hat nun ein neuartiges zellbasiertes Testverfahren für die Suche nach neuen IDO1-Hemmstoffen entwickelt, das die zuvor beschriebenen Limitierungen überwindet. Dafür setzte Elisabeth Hennes, Doktorandin am MPI und Erstautorin der Studie, einen Sensor ein, der die Aktivität von IDO1 in einer Zellkultur über den Umsatz von Tryptophan in das Stoffwechselprodukt Kynurenin misst. Basierend auf dieser Teststrategie wurden aus einer Substanzbibliothek mit über 150.000 chemischen Verbindungen mehrere hoch potente Hemmstoffe mit unterschiedlicher Wirkweise identifiziert: Darunter befinden sich neben Substanzen, die IDO1 direkt ausschalten, auch indirekte Hemmstoffe, die z. B. die Produktion von IDO1 selbst oder die eines wichtigen Hilfsfaktors, des Häms, unterbinden.

    „Leider waren die bisherigen Versuche, einen Wirkstoff zu finden, der die krebstreibende Wirkung von IDO1 im Tumor effektiv unterbindet, wenig erfolgreich. Allerdings könnte die Entwicklung neuer Wirkstoffe, die IDO1 über unterschiedliche Wirkweisen ausschalten können, ein vielversprechender Ansatz für Immuntherapien im Kampf gegen Krebs darstellen. Wir hoffen, dass unser neuartiges Testverfahren einen Beitrag in diesem Forschungsfeld leisten kann“, sagt Slava Ziegler.


    Originalpublikation:

    Hennes E, Lampe P, Dötsch L, Bruning N, Pulvermacher LM, Sievers S, Ziegler S, Waldmann H (2021). Cell-Based Identification of New IDO1 Modulator Chemotypes Angew Chem Int Ed Engl.
    https://doi.org/10.1002/anie.202016004


    Weitere Informationen:

    https://www.mpi-dortmund.mpg.de/aktuelles/immunsystems-zur-krebsabwehr


    Bilder

    Elisabeth Hennes sucht mit dem neuartigen zellbasierten Testverfahren nach potentiellen IDO1 Hemmstoffen.
    Elisabeth Hennes sucht mit dem neuartigen zellbasierten Testverfahren nach potentiellen IDO1 Hemmsto ...
    Johann Jarzombek
    MPI für molekulare Physiologie

    384-Loch-Mikrotiterplatte zur Untersuchung von potentiellen Hemmstoffen.
    384-Loch-Mikrotiterplatte zur Untersuchung von potentiellen Hemmstoffen.
    Johann Jarzombek
    MPI für molekulare Physiologie


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Chemie, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).