idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.03.2021 10:21

Kontrollierte Narbenbildung im Gehirn

Manuela Zingl GB Unternehmenskommunikation
Charité – Universitätsmedizin Berlin

    Bei Verletzungen und Infektionen im Gehirn sorgen die umgebenden Gliazellen dafür, dass die empfindlichen Nervenzellen erhalten und ausufernde Nervenschäden verhindert werden. Ein Forschungsteam der Charité – Universitätsmedizin Berlin konnte nun aufzeigen, wie wichtig bei diesem Vorgang die Umorganisation von Gerüst- und Membranstrukturen in den Gliazellen ist. Die jetzt im Fachmagazin Nature Communications* beschriebenen Erkenntnisse werfen Licht auf einen neuen zellulären Schutzmechanismus, durch den das Gehirn aktiv schweren Verläufen von neurologischen Erkrankungen entgegenwirken könnte.

    Das Nervensystem ist besonders empfindlich gegenüber Schädigungen, da einmal abgestorbene Nervenzellen hier nicht erneuert werden können. Daher müssen gerade im Gehirn verschiedene Zellen koordiniert zusammenarbeiten, um etwa nach Verletzungen und Infektionen die Schäden zu begrenzen und eine Heilung zu ermöglichen. Sogenannte Astrozyten, die häufigsten Gliazellen im zentralen Nervensystem, nehmen eine zentrale Rolle beim Schutz des umliegenden Gewebes ein. Ihr Schutzprogramm – die sogenannte reaktive Astrogliose – unterstützt die Narbenbildung und hilft so, die Verbreitung von Entzündungen zu verhindern und Gewebeschäden einzudämmen. Gleichzeitig können Astrozyten das Überleben von Nervenzellen in unmittelbarer Nähe zu Gewebsverletzungen sichern und die Neuausrichtung neuronaler Netzwerke unterstützen. Einen neuen Mechanismus, wie diese Prozesse in den Astrozyten ablaufen und koordiniert werden, haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité nun aufgeklärt.

    „Wir konnten erstmals zeigen, dass das Protein Drebrin bei Hirnverletzungen die Astrogliose steuert“, sagt Prof. Dr. Britta Eickholt, Direktorin des Instituts für Biochemie und Molekularbiologie der Charité und Leiterin der Studie. „Drebrin wird benötigt, damit Astrozyten als Kollektiv Narben bilden und das umliegende Gewebe schützen können.“ Die Forschenden konnten Drebrin in Astrozyten ausschalten – und dessen Rolle bei Hirnverletzungen im Tiermodell nachempfinden. Die zellulären Veränderungen untersuchten sie mittels Elektronenmikroskopie und hochauflösender Lichtmikroskopie am Gehirn – sowie in Echtzeit an isolierten Astrozyten in Zellkultur. „Der Verlust von Drebrin führt zu einer Unterdrückung der normalen Astrozyten-Aktivierung“, erklärt Prof. Eickholt. „Anstatt schützend zu reagieren, verlieren diese Astrozyten im Gegenteil sogar gänzlich ihre Funktion und geben ihre zelluläre Identität auf.“ Eigentlich harmlose Verletzungen breiten sich somit ohne die schützende Narbenbildung aus und immer mehr Nervenzellen sterben ab.

    Um diese Narbenbildung zu ermöglichen, kontrolliert Drebrin die Umorganisation des Aktin-Zellskeletts, eines Gerüsts zur mechanischen Stabilisierung, in Astrozyten. Auf diese Weise wird auch die Entstehung langer Membranröhren – sogenannter tubulärer Endosome – beeinflusst, die der Aufnahme, Sortierung und Umverteilung von Oberflächenrezeptoren dienen und für die schützenden Gegenmaßnahmen der Astrozyten notwendig sind. „Unsere Erkenntnisse zeigen also, wie Drebrin über das dynamisch-veränderliche Zellskelett und Membranstrukturen grundlegende Funktionen von Astrozyten bei der Abwehr schädlicher Einflüsse steuert“, resümiert Prof. Eickholt. „Insbesondere die dabei entstehenden Membranröhren wurden in dieser Form bisher weder in kultivierten Astrozyten noch im Gehirn beschrieben.“

    „Seine Rolle als Regulator des Zellskeletts deutet darauf hin, dass Drebrin ein möglicher Risikofaktor für schwere Verläufe von neurologischen sowie anderen Erkrankungen sein könnte, weil ein Verlust des Proteins in Astrozyten ganz ähnliche Veränderungen bewirken kann“, ergänzt Prof. Eickholt. „Es ist auch möglich, dass Betroffene mit Drebrin-Gendefekten – vergleichbar mit dem Tiermodell – völlig unauffällig sind, bis zellulärer Stress, Umweltgifte oder Krankheiten deren Ausprägung auslösen.“ Untersuchungen an Proben von Patientinnen und Patienten sollen nun klären, inwiefern Drebrin auch bei weiteren Erkrankungen – etwa der Alzheimer-Krankheit – eine Rolle spielt.

    *Schiweck J et al. Drebrin controls scar formation and astrocyte reactivity upon traumatic brain injury by regulating membrane trafficking. Nat Commun (2021), doi: 10.1038/s41467-021-21662-x.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Britta Eickholt
    Direktorin des Instituts für Biochemie und Molekularbiologie
    Charité – Universitätsmedizin Berlin
    t: +49 30 450 539 121
    E-Mail: britta.eickholt@charite.de


    Originalpublikation:

    https://www.nature.com/articles/s41467-021-21662-x


    Weitere Informationen:

    https://www.charite.de/service/pressemitteilung/artikel/detail/kontrollierte_nar...


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).