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20.05.2021 11:08

Studie der Universität Stuttgart untersucht Lobbyismus in der Pandemie

Andrea Mayer-Grenu Abteilung Hochschulkommunikation
Universität Stuttgart

    Die Corona-Pandemie hat auch der politischen Interessenvertretung einen Schock versetzt. Anstelle einer Schockstarre lässt sich jedoch eine Welle des Lobbyings beobachten – und das sowohl auf EU-Ebene, als auch im Bund und den Ländern. Nach welchen Kriterien Interessengruppen welche Einflusswege verfolgen, untersucht nun ein Forschungsteam um Prof. Patrick Bernhagen und Felix Goldberg vom Institut für Sozialwissenschaften der Universität Stuttgart im Rahmen des Projekts „Lobbying Across Multiple Levels“ (LiM), das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) mit 350.000 Euro auf drei Jahre gefördert wird.

    Das pandemiebedingte Lobbying zieht sich über alle drei Regierungsebenen: Von der Europäischen Kommission, die Milliarden an Corona-Hilfen lockermacht und maßgeblich für die Beschaffung von Impfstoffen zuständig ist, über den Bundestag, der die deutsche Pandemiestrategie inklusive Kurzarbeit und Milliardenhilfen festlegt, bis hin zu den Ländern, die für die Umsetzung der Corona-Hilfen ebenso zuständig sind wie für viele restriktive Maßnahmen.

    Zwischen diesen drei Regierungsebenen bewegen sich größere Interessengruppen und ihre Lobbyist*innen ziemlich frei. Wo sie bei bestimmten politischen Anliegen ihren Schwerpunkt setzen und wie einflussreich sie sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wichtiges Kriterium sind dabei zum einen die verfügbaren Zugänge, weil Interessengruppen nur dort effektiv lobbyieren können, wo sie auch Gehör finden. Ein zweiter wichtiger Faktor sind die zur Verfügung stehenden Ressourcen, wie die Zahl der Lobbyist*innen, die für eine Interessengruppe arbeiten. Aber auch Bündnisse oder politische Positionen bestimmen, wie viele Entscheidungsträger eine Interessengruppe gleichzeitig bearbeiten kann. „Je nach verfügbarem Zugang und Ressourcen stehen verschiedene und multiple Wege der politischen Einflussnahme offen“, vermutet der Studienleiter Prof. Patrick Bernhagen. „Welche Wege Lobbyist*innen dabei wählen und nach welchen - mitunter auch strategischen - Kriterien dies geschieht, wollen wir in der Studie genauer untersuchen.“

    Auch indirekte Einflussnahme wird untersucht

    Neben den bisher skizzierten direkten Wegen können Lobbyist*innen auch versuchen, politische Entscheidungen indirekt zu beeinflussen, beispielsweise über Bundesminister*innen oder gar Ländervertreter*innen auf europäischer Ebene. Zugleich verfügt ein Großteil der deutschen Interessengruppen nicht über die Voraussetzungen, alle relevanten Regierungsebenen gleichermaßen zu bedienen. Dementsprechend delegieren einige Interessengruppen die Lobbyarbeit an andere Akteure, wie zum Beispiel europäische Dachverbände. Daher geht das Stuttgarter Team auch der Frage nach, unter welchen Bedingungen Lobbyist*innen selbstständig tätig werden und wann sie in Kooperationen eintreten oder andere die Arbeit machen lassen.
    Die Ergebnisse des Forschungsprojekts sollen neue Erkenntnisse zu Lobbying in Deutschland und der EU, aber auch in den Bundesländern liefern. Besonders im Fokus steht dabei erstmals der Föderalismus und die Frage, wie Partnerschaften aus Interessengruppen und Landesregierungen versuchen, Entscheidungen auf europäischer und Bundesebene zu beeinflussen.

    Mehr Lobbyismus auf Länderebene?

    Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie untersucht das Projekt zudem, inwieweit sich Lobbying seit dem ersten Lockdown und danach intensiviert hat und zusätzliche politische Entscheidungsträger*innen an Relevanz gewonnen haben. „Wir vermuten, dass im Kontext der Ministerpräsidentenkonferenz und vor allem der Corona-Gesetzgebung der Bundesländer die Landesregierungen für Lobbyist*innen an Bedeutung gewonnen haben, da den Ländern mit den Einschränkungen bzw. Lockerungen sowie den wirtschaftlichen Hilfen neue weitreichende politische Gestaltungsmöglichkeiten zugefallen sind.“, sagt Projektmitarbeiter Felix Goldberg. „Bisher wissen wir dazu noch sehr wenig, daher werden wir diese Möglichkeiten im Laufe des Projektes ebenfalls untersuchen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Patrick Bernhagen, Felix Goldberg, Universität Stuttgart, Institut für Sozialwissenschaften, Abt. für politische Soziologie und politische Systeme, Tel.: +49 (0)711/685 83430, E-Mail: patrick.bernhagen@sowi.uni-stuttgart.de, felix.goldberg@sowi.uni-stuttgart.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Gesellschaft, Politik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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