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01.12.2021 09:19

Typisch Adler? Der Haastadler bevorzugte Riesenbeute wie ein Aasgeier

Katja Henßel Öffentlichkeitsarbeit
Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns

    Der ausgestorbene Haastadler (Hieraaetus moorei) ist der größte bisher bekannte Adler. Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass er vermutlich riesige Landvögel jagte, die größer waren als er selbst, und sich dann wie ein Aasgeier von den inneren Organen der Kadaver ernährte. Ein internationales Wissenschaftler-Team um SNSB-Zoologin Anneke van Heteren verglich anhand von 3D Computermodellen Hirnschädel und Krallen von lebenden Raubvögeln und Aasfressern mit denen des Haastadlers. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher:innen nun in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences.

    Mit einer Flügelspannweite von drei Metern ist der bis zu 15 Kilo schwere Haastadler (Hieraaetus moorei) der größte bekannte Adler. Heute lebende Adler sind etwa halb so groß. Die bisher ältesten Fossilfunde des Riesenadlers stammen aus Neuseeland und sind rund 35.000 Jahre alt. Zu Beginn des 15. Jahrhunderts ist der Vogel ausgestorben. Trotz seiner Größe ist der Haastadler verwandt mit einem der kleinesten Adler der Welt, dem Australienzwergadler Hieraaetus morphnoides. Die Frage, ob der Haastadler geierähnliche Merkmale aufweist und welche Funktion sie haben könnten, ist nach wie vor umstritten.

    Ein Internationales Forscher-Team um Anneke van Heteren, Leiterin der Sektion für Säugetiere an der Zoologischen Staatssammlung München (SNSB-ZSM) fand nun heraus: Der Riesenadler war vermutlich ein aktiver Jäger und jagte riesige Landvögel, die deutlich größer waren als er selbst. Danach verschlang er vorrangig die inneren Organe der Kadaver, ähnlich wie ein aasfressender Geier.

    Die charakteristische Form des Hirnschädels, Schnabels und der Krallen bei Greifvögeln sind Anpassungen an ihre Ernährungsweise. Die Forscher:innen verglichen nun die äußere Form und die biomechanischen Eigenschaften des Hirnschädels und der Krallen des Haastadlers mit denen von fünf heute lebenden Raubvögeln und Aasfressern: Für ihre Vergleichsstudie, nutzten sie zunächst eine spezielle 3D-Formanalyse, die sogenannte geometrische Morphometrie. Dafür markierten sie bedeutsame Messpunkte auf Krallen und Schädeln der Greifvögel mit sogenannten digitalen „Landmarks“. Diese Analysen kombinierten die Wissenschaftler:innen mit computergestützten Simulationen, die die biomechanischen Eigenschaften des Schädels und der Krallen beim Töten und Fressen sichtbar machten.

    Der Hirnschädel des Haastadlers ist geierähnlich geformt, Schnabel und Krallen dagegen gleichen eher denen eines Adlers. Die biomechanischen Simulationen der Kopfbewegungen der untersuchten Greifvögel zeigten, dass die Verformung des Schädelknochens beim Töten beim Haastadler am geringsten war. Sein Biss war somit offenbar kräftiger als der eines modernen Adlers. Gefressen hat der Riesenadler seine Beute aber eher wie ein Geier: Das zeigen typische Verformungen des Schädels beim Zurückziehen und seitlichen Schütteln des Kopfes. Diese sind beim Haastadler ähnlich wie beim Andenkondor, der hauptsächlich die Eingeweide von Kadavern verschlingt. Die Krallen von Hieraaetus moorei waren adlerähnlich: groß, gebogen und spitz zulaufend. Die simulierte Formveränderung der Haastadlerkrallen beim Zupacken war deutlich geringer als bei den anderen Greifvögeln. Sie konnten so extrem hohen Belastungen standhalten.

    „Speziell die biometrischen Analysen der Krallen und des Schädels zeigen uns, dass die Beutetiere des Haastadlers vermutlich deutlich größer waren als er selbst. Von so großen Beutetieren ernähren sich in der Regel nur Aasgeier. Adler töten und fressen eher kleine Beutetiere. Wir vermuten, dass der Haastadler seinen Kopf wie ein Geier tief in die Eingeweide seiner Beute steckte, um diese zu fressen. Wir wissen, dass auf Inseln Evolutionsprozesse oft recht schnell ablaufen. Der Haastadler unterscheidet sich sehr deutlich von seinem nächsten lebenden Verwandten dem Australienzwergadler. Die Entwicklung der Mischung aus adler- und geierähnlichen Merkmalen bei Hieraaetus moorei könnte eine Reaktion auf einen besonders hohen Selektionsdruck gewesen sein“, interpretiert Anneke van Heteren die Ergebnisse ihrer Studie.

    Die Ergebnisse der Computersimulationen werden zusätzlich durch Fossilfunde aus Neuseeland untermauert: Zu den Beutetieren des Haastadlers gehörten auch Moas – ebenfalls ausgestorbene große neuseeländische Laufvögel. Der größte Moa wog rund 200 kg. Eventuell sah der Haastadler sogar einem glatzköpfigen Aasgeier recht ähnlich, wie eine auf der Südinsel Neuseelands entdeckte Maori-Felsenzeichnung zeigt.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Anneke H. van Heteren
    Zoologische Staatssammlung München (SNSB-ZSM)
    Münchhausenstraße 21, 81247 München
    Tel.: 0151 651 617 15
    E-Mail: vanHeteren@snsb.de


    Originalpublikation:

    van Heteren A.H., Wroe S., Tsang L. R., Mitchell D. R., Ross P., Ledogar J. A., Attard M. R. G., Sustaita D., Clausen P., Scofield R. P. and Sansalone G. 2021 New Zealand's extinct giant raptor (Hieraaetus moorei) killed like an eagle, ate like a condor
    Proc. R. Soc. B.2882021191320211913
    http://doi.org/10.1098/rspb.2021.1913


    Weitere Informationen:

    http://www.snsb.de - Staatliche Naturwissenschaftliche Sammlungen Bayerns
    http://www.zsm.mwn.de - Zoologische Staatssammlung München


    Bilder

    Rekonstruktion des Haastadlers
    Rekonstruktion des Haastadlers
    Katrina Kenny

    Das 3D Computermodell des Schädels des Haastadlers zeigt die Verteilung der Formveränderung beim Zurückziehen des Schädels während der Nahrungsaufnahme. Die Verformungen waren beim Haastadler am geringsten, vergleichbar mit denen des Andenkondors.
    Das 3D Computermodell des Schädels des Haastadlers zeigt die Verteilung der Formveränderung beim Zur ...
    Anneke van Heteren
    SNSB


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
    Biologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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