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16.02.2022 20:00

Orang-Utans zeigen Voraussetzungen für das Arbeiten mit Steinwerkzeugen

Antje Karbe Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Bei Verhaltensexperimenten setzten Zoobewohner spontan scharfe Steine ein – Verhalten vermutlich sehr früh in der Evolution angelegt

    Die grundlegenden Fähigkeiten zum Einsatz von Steinwerkzeugen könnten unter Primaten sehr viel weiter verbreitet sind als bisher angenommen: Eine Studie der Universität Tübingen, des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Universität Barcelona zeigt, dass Orang-Utans ohne vorheriges Training spontan in der Lage sind, scharfe Steine als Schneidewerkzeuge zu erkennen und einzusetzen. In dieser Hinsicht wären sie sogar Schimpansen überlegen, die dem Menschen näher verwandt sind, aber in entsprechenden Experimenten nicht diese Fähigkeit gezeigt hatten. Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift PLOS ONE veröffentlicht.

    Die Ergebnisse seien ein weiteres Puzzleteil zu den technologischen Ursprüngen unserer Spezies, sagen Studienleiter Dr. Alba Motes-Rodrigo und Dr. Claudio Tennie. Im Rahmen des EU-geförderten STONECULT-Projekts hatte das Forschungsteam Tests mit fünf untrainierten Orang-Utans in zwei verschiedenen europäischen Zoos durchgeführt. Den Orang-Utans wurden mit Futter gefüllte Puzzleboxen vorgesetzt und auch scharfe Steinabschläge angeboten. Bei ihren Versuchen, die Boxen zu öffnen, nutzte ein Orang-Utan die scharfen Steinabschläge als Werkzeuge zum Öffnen der Puzzlebox. Zudem stellten Sie selbst scharfe Steinabschläge her, indem sie Steine auf einen harten Untergrund schlugen, benutzten diese aber nicht weiter.

    Die Herstellung und Verwendung scharfer Steinwerkzeuge gilt als eine der wichtigsten Innovationen in der Evolution unserer Spezies. Sie ermöglichte unseren homininen (urmenschlichen) Vorfahren, nährstoffreiche Nahrungsmittel in ihre Ernährung einzubeziehen, zudem ließen sich so möglicherweise weitere Werkzeuge herstellen und bearbeiten.

    Die Forschung geht davon aus, dass sich die systematische Herstellung und Verwendung von solchen Steinwerkzeugen aus einer Reihe einfacher, grundlegender Verhaltensweisen und Fähigkeiten entwickelt hat: Um Steinwerkzeuge herstellen zu können, mussten Urmenschen, sog. Hominine, in der Lage sein, einen geeigneten Stein gegen einen anderen oder gegen eine harte Oberfläche zu schlagen, um scharfe Stücke (Steinabschläge) abzutrennen. Um einen solchen Abschlag wiederum als Werkzeug einzusetzen, mussten sie scharfe Steinkanten als potenzielle Werkzeuge erkennen und diese bearbeiten können.

    Die Ergebnisse der aktuellen Studie zeigen, dass diese Voraussetzungen - die Verwendung scharfer Steine als Schneidewerkzeuge und die Fähigkeit, einen Stein so gegen harte Oberflächen zu schlagen, dass scharfe Steinstücke entstehen - bei Orang-Utans vorhanden sind. Eine frühere Studie war davon ausgegangen, dass dies nur möglich sei, wenn diese Tätigkeiten vorher von Menschen demonstriert wurden.

    „Allerdings kombinierten die Orang-Utans der Studie diese Fähigkeiten nicht, um eigene Steinwerkzeuge herzustellen und einzusetzen“, sagt Motes-Rodrigo. „Auch nicht, nachdem Menschen dies demonstriert hatten. Diese Fähigkeit zur Kombination scheinen nur Hominine besessen zu haben.“

    ERC-Projekt STONECULT: https://sites.google.com/view/stonecult


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Claudio Tennie
    Universität Tübingen
    Institut für Ur- und Frühgeschichte und Archäologie des Mittelalters
    claudio.tennie@uni-tuebingen.de
    https://sites.google.com/view/claudiotennie/home

    Dr. Alba Motes-Rodrigo (englischsprachig)
    Universität Lausanne
    Abteilung für Ökologie und Evolution
    albamotes7@gmail.com
    https://sites.google.com/view/alba-motes-rodrigo/home


    Originalpublikation:

    Alba Motes-Rodrigo, Shannon P. McPherron, Will Archer, R. Adriana Hernandez-Aguilar and Claudio Tennie: Experimental investigation of orangutans lithic percussive and sharp stone tool behaviours, PLOS ONE, https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journalpone.0263343


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Geschichte / Archäologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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