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25.03.2022 09:54

Neue Studie - Corona-Ersparnisse der Privathaushalte stützen den Konsum im Energiepreisschock – etwas

Rainer Jung Abt. Öffentlichkeitsarbeit
Hans-Böckler-Stiftung

    Die privaten Haushalte in Deutschland haben in den Jahren 2020 und 2021 rund 194 Milliarden Euro an zusätzlichen Ersparnissen gebildet, weil durch die Corona-Pandemie Einkaufs-, Freizeit- und Reisemöglichkeiten eingeschränkt waren.

    Etwas mehr als die Hälfte der zusätzlichen Rücklagen, rund 106 Milliarden Euro, entfallen auf die breite Masse der Haushalte (Details siehe unten). Von dieser Ersparnis dürften in den kommenden zwölf Monaten etwa 40 Milliarden Euro in den Konsum fließen, ergibt eine neue Studie des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.* Diese Summe, immerhin gut ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts, könnte Konsum und Konjunktur angesichts von aktuellen und absehbaren Energiepreisschocks etwas stützen. Allerdings konzentrieren sich die zusätzlichen Ersparnisse bei einer Minderheit der privaten Haushalte, die Mehrheit hat keinen zusätzlichen Puffer zur Abfederung des Energiepreisschocks zur Verfügung. Deshalb sind auch politische Initiativen notwendig, um die Zusatzbelastung durch drastisch erhöhte Energiepreise zu mildern. Neben Transferzahlungen für besonders betroffene Haushalte, Haushalte mit geringen Einkommen und Familien, wie im ersten und im neuen zweiten Entlastungspaket der Bundesregierung enthalten, empfiehlt das IMK etwa auch einen Preisdeckel für einen Grundverbrauch beim Erdgas.

    In ihrer neuen Untersuchung führen die IMK-Forscher Dr. Jan Behringer und Prof. Dr. Sebastian Dullien Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) und den laufenden Wirtschaftsrechnungen (LWR) des Statistischen Bundesamts zusammen mit Ergebnissen einer repräsentativen Online-Befragung des IMK vom Herbst 2021. So können die Ökonomen abschätzen, wie viel Geld die Haushalte in Zeiten der Pandemie weitgehend ungewollt zusätzlich auf dem Konto behalten haben, wie sich diese Ersparnisse verteilen und wie groß die Neigung ist, das Geld in nächster Zeit auszugeben, statt es langfristig zurückzulegen.

    In ihrer Analyse nehmen die Forscher vertieft die breite Masse der Privathaushalte unter die Lupe, weil bei ihnen am ehesten mit zusätzlichen Konsumausgaben zu rechnen ist und hierfür detaillierte Daten in den LWR vorliegen. Ausgeklammert sind damit sehr reiche Haushalte mit monatlichen Nettoeinkommen von mehr als 18000 Euro sowie u.a. Selbständige, Einzelunternehmer und -kaufleute oder private Organisationen ohne Erwerbszweck. All diese Gruppen fallen in der VGR auch unter die Privathaushalte. Daher schrumpft die Summe der zusätzlichen Corona-Ersparnisse, über die die beiden Wissenschaftler genauere Aussagen machen können, von 194 Milliarden Euro in der VGR-Abgrenzung auf 106 Milliarden Euro in der LWR-Abgrenzung. Diese Summe sei also eher die Untergrenze des für zusätzlichen Konsum verfügbaren Finanzvolumens, erklären Behringer und Dullien.

    Umgerechnet entsprechen die 106 Milliarden durchschnittlich 2799 Euro Zusatzersparnis pro Haushalt. Allerdings zeigen sowohl die Daten aus den LWR als auch aus der IMK-Befragung, dass die Sonder-Rücklagen jenseits dieses Durchschnittswertes ziemlich ungleich verteilt sind: Lediglich eine Minderheit aller Haushalte hat in Coronazeiten am Monatsende mehr Geld zur Verfügung gehabt als in ruhigeren Vorjahren. Das gaben bei der Repräsentativbefragung des IMK für den Zeitraum zwischen März 2020 und Mai 2021 rund 22 Prozent der Befragten an. Knapp 25 Prozent sagten dagegen, sie hätten am Monatsende weniger Geld übrig. In den anderen Haushalten hatte sich nach eigener Angabe wenig geändert.

    Dabei steigt der Anteil mit zusätzlichen Rücklagen mit dem Einkommen und reicht nach den Befragungsergebnissen des IMK von weniger als 15 Prozent in Haushalten mit niedrigen Nettoeinkommen unter 1500 Euro monatlich bis zu gut 40 Prozent bei wohlhabenden Haushalten, die 5000 Euro und mehr zur Verfügung haben. In den drei unteren Einkommensgruppen bis zu einem monatlichen Haushaltsnetto von maximal 2500 Euro war die Zahl der Befragten, die angaben, während der Corona-Pandemie weniger Geld als in den Vorjahren übrig zu haben, deutlich größer als die mit zusätzlichen Rücklagen (siehe auch Abbildung 3 in der Studie; Link unten). Die Daten aus den LWR weisen aus, wie hoch die durchschnittlichen zusätzlichen Rücklagen in unterschiedlichen Einkommensgruppen im Jahr 2020 waren. Danach verzeichneten auch Haushalte in der Mitte der Einkommensverteilung hohe durchschnittliche Ersparnisse. Grundsätzlich zeigt sich aber auch dort eine deutliche Teilung: Die Haushalte in den drei niedrigeren Einkommensgruppen konnten weitaus weniger zurücklegen als die in den drei höheren. Und die niedrigste Einkommensgruppe unter 1300 Euro verzeichnete im Durchschnitt sogar Einbußen, weil am Ende des Monats weniger Geld übrig war als in Vor-Pandemie-Zeiten (Abbildung 4 in der Studie).

    Die finanziellen Möglichkeiten für zusätzlichen Konsum unterscheiden sich somit deutlich. Dagegen fällt die in der IMK-Umfrage geäußerte Bereitschaft zum Geldausgeben recht ähnlich aus: Durchschnittlich wollen die Befragten mit Extra-Ersparnissen rund ein Drittel davon innerhalb der nächsten 12 Monate ausgeben, mit relativ geringen Unterschieden zwischen den Einkommensklassen.

    Würden die privaten Haushalte ihre Ausgaben-Vorhaben tatsächlich umsetzen, ergäbe sich ein gesamtwirtschaftlich „durchaus relevanter Impuls“, schreiben Behringer und Dullien. Der Gesamtkonsum würde einen Schub um rund 40 Milliarden Euro erhalten. Allerdings müsse man bei der Beurteilung der Zusatzausgaben berücksichtigen, dass die Privathaushalte wegen der aktuell stark anziehenden Preise für Energieimporte ihren Konsum sonst möglicherweise zurückfahren würden, geben die IMK-Ökonomen zu bedenken. Die Corona-Ersparnisse könnten aktuell wohl lediglich einen teuerungsbedingten Einbruch „zumindest teilweise abfedern“.

    Zudem dürften die Durchschnittsdaten nicht davon ablenken, dass explodierende Preise für Gas, Öl oder Strom insbesondere Haushalte mit niedrigeren Einkommen schwer in die Bredouille bringen können. Denn Haushaltsenergie ist im Alltag unverzichtbar und hat in ihrem Warenkorb ein hohes Gewicht. Fazit der Forscher daher auch: „Die Existenz von in gesamtwirtschaftlicher Betrachtung relevanten zusätzlichen Ersparnissen aus den Pandemiejahren sollte deshalb kein Argument gegen fiskalpolitische Maßnahmen sein, die die Zusatzbelastung aus den höheren Energiepreisen abfedern und damit den Konsum stützen könnten.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Sebastian Dullien
    Wissenschaftlicher Direktor IMK
    Tel.: 0211-7778-331
    E-Mail: Sebastian-Dullien@boeckler.de

    Rainer Jung
    Leiter Pressestelle
    Tel.: 0211-7778-150
    E-Mail: Rainer-Jung@boeckler.de


    Originalpublikation:

    *Jan Behringer, Sebastian Dullien: Corona-Ersparnisse deutscher Haushalte stützen Konsum im Energiepreisschock. IMK Policy Brief Nr. 119, März 2022. Download: https://www.boeckler.de/de/faust-detail.htm?sync_id=HBS-008282


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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