idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
09.06.2022 09:12

Gute Bakterien gegen Depressionen

Dr. Angelika Jacobs Kommunikation
Universität Basel

    Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle für die Gesundheit – auch für die psychische. Forschende der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel zeigen nun, dass Probiotika die Wirkung von Antidepressiva unterstützen und Depressionen mildern können.

    Wenn der «schwarze Hund» bei ihm war, verliess Winston Churchill kaum das Bett. Keinerlei Energie, keine Interessen, kein Appetit. Obwohl der britische Premier diese Metapher für Depressionen nicht erfunden hat, wurde sie durch ihn berühmt.

    Mit Medikamenten und Psychotherapie versuchen Fachleute Betroffenen zu helfen, diesen «schwarzen Hund» wieder los zu werden. Bei manchen hält er sich jedoch hartnäckig. Deshalb suchen Forschende nach Möglichkeiten, die bestehenden Therapien zu verbessern und neue zu entwickeln. Ein vielversprechender Ansatz ist die sogenannte Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse. Unter dem Mikrobiom versteht man generell die Gesamtheit der Mikroorganismen, die im oder auf dem menschlichen Körper leben, etwa die Darmflora. Unter anderem über Stoffwechselprodukte können Darmbakterien das Nervensystem beeinflussen.

    Ein Forschungsteam der Universität Basel und der Universitären Psychiatrischen Kliniken zeigt nun in einer Studie, dass Probiotika die Therapie mit Antidepressiva unterstützen können. Davon berichten sie im Fachjournal «Translational Psychiatry».

    Die Darmflora beeinflusst die Psyche

    Aus früheren Studien weiss man, dass bei Patientinnen und Patienten mit einer Depression Darm- und Verdauungsprobleme überdurchschnittlich häufig auftreten. Pflanzt man Mäusen, die steril – also ohne Darmflora – aufgezogen wurden, die Darmflora von depressiven Personen ein, entwickeln die Tiere ebenfalls ein depressions-ähnliches Verhalten. Sie sind beispielsweise energieloser und zeigen weniger Interesse an der Umgebung als ihre Artgenossen. Forschende vermuten daher, dass die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft im Darm eine wichtige Rolle für die depressive Symptomatik spielt.

    In ihrer neuen Studie haben die Forschenden um PD. Dr. André Schmidt und Prof. Dr. Undine Lang systematisch untersucht, wie sich die Einnahme von Probiotika bei Patientinnen und Patienten mit einer Depression auswirkt. Alle Teilnehmenden waren zur stationären Behandlung in den Universitären Psychiatrischen Kliniken und erhielten zusätzlich zu Antidepressiva während 31 Tagen ein Probiotikum (21 Personen) oder ein Placebo (26 Personen). Weder die Teilnehmenden noch das Studienpersonal wussten während des gesamten Studienzeitraums, welches Präparat die Probandinnen und Probanden erhielten. Direkt vor der Behandlung, am Ende der 31 Tage sowie noch einmal vier Wochen später unterzogen die Forschenden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Reihe von Tests.

    Die Analyse ergab, dass zwar dank der Antidepressiva die depressiven Symptome bei allen Teilnehmenden abnahmen. In der Probiotika-Gruppe verbesserte sich der Zustand der Probandinnen und Probanden jedoch deutlich stärker als in der Placebo-Gruppe.

    Zudem veränderte sich bei ihnen die Zusammensetzung der Darmflora zumindest zeitweise: In der Probiotika-Gruppe zeigte eine Analyse von Stuhlproben eine Zunahme von Milchsäurebakterien am Ende der Behandlung; ein Effekt, der mit der Abnahme der depressiven Symptomatik einher ging. Allerdings nahm der Anteil dieser gesundheitsfördernden Darmbakterien im Laufe der folgenden vier Wochen wieder ab. «Womöglich sind vier Wochen Behandlung nicht lang genug und die neue Zusammensetzung der Darmflora stabilisiert sich erst nach einem längeren Zeitraum», erklärt Anna-Chiara Schaub, eine der Erstautorinnen der Studie.

    Verarbeitung emotionaler Reize verändert sich

    Ein weiterer interessanter Effekt der Probiotika-Einnahme betraf die Hirnaktivität beim Anschauen neutraler und ängstlicher Gesichter. Dies untersuchten die Forschenden mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT). Bei Patientinnen und Patienten mit Depressionen verhalten sich bestimmte Hirnregionen für emotionale Verarbeitung anders als bei psychisch Gesunden. Nach der vierwöchigen Probiotika-Einnahme normalisierte sich diese Hirnaktivität bei den Teilnehmenden, in der Placebo-Gruppe jedoch nicht.

    «Die Mikrobiom-Darm-Hirn-Achse ist zwar schon einige Jahre Thema der Forschung, die genauen Mechanismen sind bis heute allerdings nur teilweise klar», so Schaub. Auch deshalb war den Forschenden wichtig, eine breite Palette an Bakterien in Form von Probiotika einzusetzen, wie sie bereits auf dem Markt sind. «Mit zusätzlichem Wissen über die spezifische Wirkung bestimmter Bakterien wäre es möglich, die Auswahl der Bakterien zu optimieren und die beste Mischung einzusetzen, um die Therapie bei Depressionen zu unterstützen», sagt die Forscherin – sie betont jedoch, dass sich Probiotika als alleinige Therapie gegen eine Depression nicht eignen.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Anna-Chiara Schaub, Universität Basel, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, Tel. +41 61 325 58 56, E-Mail: Anna-Chiara.Schaub@upk.ch


    Originalpublikation:

    Anna-Chiara Schaub, Else Schneider, Jorge F. Vazquez-Castellanos et al.
    Clinical, gut microbial and neural effects of a probiotic add-on therapy in depressed patients: A randomized controlled trial
    Translational Psychiatry (2022), doi: 10.1038/s41398-022-01977-z


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).