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08.02.2023 10:03

4,6 Mio. Euro für die Forschung: Wie das Klinikum Nürnberg Depressionen rund um die Geburt aufspüren will

Julia Peter Unternehmenskommunikation
Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Standort Nürnberg

    Mehr als jede zehnte Frau erkrankt während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung an einer Depression. Doch allzu oft bleibt diese Erkrankung unentdeckt. Das Klinikum Nürnberg will genau das mit einem flächendeckenden Screening ändern – und bekommt jetzt große Unterstützung für die Forschung. Ein Gemeinschaftsprojekt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie sowie der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche wird nun vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,6 Millionen Euro gefördert.

    Uplus E – die Abkürzung steht für U-Untersuchung für Kinder PLUS Eltern beim Pädiater zur Förderung kindlicher Entwicklung mit Impuls aus frauenärztlicher Schwangerenvorsorge. „Mit diesem Projekt möchten wir dauerhaft sicherstellen, dass Depressionen bei Frauen früh erkannt und behandelt werden“, erklärt Dr. Susanne Simen, Oberärztin an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie und Leiterin der Mutter-Kind-Tagesklinik des Klinikums Nürnberg.

    Pilotprojekt von 2017 wird jetzt in weiterentwickelter Form gefördert

    Das 2017 von der Nürnberger Arbeitsgruppe „Screening peripartaler Depressionen“ unter ihrer Leitung initiierte Pilotprojekt wird nun in weiterentwickelter Form vom Innovationsausschuss beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit 4,6 Millionen Euro gefördert. Die Projektleitung des deutschlandweiten Projekts liegt bei Dr. Simen und Prof. Dr. Christoph Fusch, dem Ärztlichen Leiter der Klinik für Neugeborene, Kinder und Jugendliche.

    In dem Nürnberger Pilotprojekt hatten sich alle Geburtskliniken der Stadt, die Frauenarztpraxis von Dr. Yilmaz-Terzioglu, Dr. Torsten Schröder aus dem MVZ Pränatal (Leitung Dr. Michael Schälike) und die Kinder- und Jugendarztpraxis von Dr. Ronny Jung und Kolleg*innen aus Roth engagiert. Sie alle screenen für Depressionen rund um die Geburt und motivieren die Betroffenen dazu, sich an das Hilfe- und Behandlernetzwerk zu wenden, etwa an die psychiatrische Mutter-Kind-Ambulanz im Klinikum Nürnberg, an das Zentrum Koberger Straße oder an Profamilia. „Wir konnten in Nürnberg zeigen, dass unsere Idee funktioniert. Mit Hilfe der Förderung kann dieses Vorgehen in weiterentwickelter Form jetzt flächendeckend deutschlandweit etabliert werden“, freut sich Dr. Simen.

    Berufsübergreifendes Screening als Teil der U-Untersuchungen

    Der Bedarf liegt auf der Hand. „Zehn bis 15 Prozent der Frauen erkranken während oder nach einer Schwangerschaft an einer Depression. Das geschieht häufig im ersten Lebensjahr des Kindes, kann aber auch im zweiten noch passieren“, erklärt Dr. Simen. „Viele Frauen verschweigen die Erkrankung – etwa aus Angst oder Scham. Zudem wird sich eine Mutter, die ein kleines Kind versorgt, nicht aus eigenem An-trieb um einen Therapieplatz kümmern.“ Die Gefahr, dass die Depression chronisch wird, sei folglich sehr groß.

    Hier setzt das Projekt UplusE an. Ziel ist es, ein berufsübergreifendes Screening-Programm als festen und von den Krankenkassen finanzierten Bestandteil in die sogenannten U-Untersuchungen und die Vorsorgeuntersuchungen in der Schwangerschaft zu installieren. Schwerpunkt sind dabei die Eltern im ersten Lebensjahr des Kindes. „Die Frauen suchen mit ihren Kindern zu den Vorsorgeuntersuchungen die Praxen auf. Hier können wir mit ihnen ins Gespräch kommen und im Falle einer möglichen Depression frühzeitig helfen – das erhöht den Behandlungserfolg.“ Dabei soll das Screening bereits während der Schwangerschaft starten und dann regelmäßig bis ein Jahr nach der Geburt fortgeführt werden. „Seit 2017 haben wir in Nürnberg ein Screening-Netzwerk etabliert. Seit 2020 arbeiten wir daran, in ganz Deutschland ein berufsübergreifendes Netzwerk zusammen mit der Betriebskrankenkasse Landesverband Bayern, der Vertragsarbeitsgemeinschaft VAG, den Berufsverbänden sowie den Universitäten Würzburg, Greifswald und der TU München zu etablieren“, so Dr. Simen weiter. Integriert werden Frauen- und Kinder-ärzt*innen sowie Psychiater*innen, Psychosomatiker*innen und Therapeut*innen - aber auch Frühe Hilfen, Schwangeren- und Erziehungsberatungen. Hausärzt*innen und Hebammen sind beratend dabei. „Je mehr Fachleute sich beteiligen, desto besser ist das für die betroffenen Frauen in Deutschland. Wir brauchen ein flächendeckendes Screening und eine nachfolgende Behandlung für eine bestmögliche Versorgung“, so Dr. Simen weiter.

    Standardisierter Fragebogen bei den Routineuntersuchungen

    Konkret setzt das UplusE-Team einen standardisierten, einfachen Fragebogen namens „Edinburgh Postnatal Depression Scale“ ein. Entwickelt vor rund 30 Jahren von dem englischen Psychiater Prof. John Cox, hat sich dieses Screening weltweit bewährt. Damit werden die Frauen nach ihrem Befinden und möglichen Symptomen der Depression und Ängste befragt. Oft zeigen sich dabei Überraschungen. „Wir sehen Frauen, die antworten, es gehe ihnen gut – auch wenn anhand ihrer Antworten wenig dafür spricht“, berichtet Dr. Ronny Jung aus der Praxis. Dr. Jung ist Kinder- und Jugendarzt in Roth und beteiligt sich schon seit über zwei Jahren aktiv an dem Pilotprojekt. „Das Screening sowie die anschließenden Auswertungen und Gespräche sind gut in den Praxisablauf zu integrieren. Leider werden diese Leistungen nicht vergütet. Dabei sollte das Screening genauso zur Routineuntersuchung gehören wie ein Test auf Schwangerschaftsdiabetes.“ Übrigens werden auch die Väter in das Screening einbezogen.

    Vernetzte Versorgung und Unterstützung per App

    Das Projekt UplusE wird in der Kategorie „Neue Versorgungsformen“ unter dem Motto „Ein guter Start ins Leben durch eine vernetzte Versorgung“ gefördert. Zentraler Baustein ist dabei eine digitale Vernetzung. Vorgesehen ist, dass die bereits etablierten Praxis-Apps „Meine GynPraxis“ , „Mein Kinder- und Jugendarzt“ und „Mein Psychiater“ eingebunden werden. Die Eltern erhalten vor den Arztterminen via App ausgewählte Fragen. Ihre Antworten werden datenschutzkonform verschlüsselt und elektronisch an den Arzt oder die Ärztin übertragen. So können bedarfsgerecht Hilfsangebote für die Betroffenen initiiert werden. „Dank der Förderung des Projektes werden wir in den kommen-den zwei Jahren das Netzwerk auf bundesweite Füße stellen und wissenschaftlich nachweisen, dass ein flächendeckendes Screening medizinisch sinnvoll, nötig und machbar ist - und unabdingbar in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gehört“, fasst Dr. Simen zusammen.


    Bilder

    Große Freude über 4,6 Millionen Euro Förderung: Dr. Ronny Jung, Dr. Susanne Simen und Prof. Dr. Christoph Fusch (v. l.)
    Große Freude über 4,6 Millionen Euro Förderung: Dr. Ronny Jung, Dr. Susanne Simen und Prof. Dr. Chri ...
    Giulia Iannicelli
    Klinikum Nürnberg


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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