idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
29.01.1999 13:15

Weltneuheit für die Notfallmedizin vorgestellt

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Massenunfälle, speziell auf Autobahnen, haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Dabei stehen die eintreffenden Retter vor der Diskrepanz zwischen den Notwendigkeiten und den Möglichkeiten der Versorgung von Verletzten. Trotz eines flächendeckenden Rettungssystems in Deutschland zwingt die Vielzahl von Verletzten sowohl den zuerst eintreffenden Notarzt als auch später den Leitenden Notarzt zu ungewohnten Entscheidungen: Es gilt, die wenigen verfügbaren Ressourcen möglichst nutzbringend einzusetzen.

    Zu diesem Zweck muß der Notarzt die Patienten in eine Prioritätenliste für die Versorgung und den Transport eintragen - diese sogenannte Sichtung ist eine wesentliche Voraussetzung, um ein Großschadensereignis bewältigen zu können. Selbst bei Notärzten könne nicht vorausgesetzt werden, daß sie diese medizinische Leistung ohne weiteres beherrschen, so Dr. Peter Sefrin, Professor für präklinische Notfallmedizin an der Universität Würzburg. Deshalb sei eine gesonderte Schulung nötig.

    Bisher fanden solche Schulungen durch Übungen mit geschminkten Verletzten statt, was allerdings mit einem hohen Material- und Personalaufwand und damit auch mit hohen Kosten verbunden war. Aus diesem Grund konnten die notwendigen Übungen im Rahmen der notfallmedizinischen Fortbildung häufig nur in beschränktem Maße realisiert werden.

    An dieser Stelle versucht nun ein multimediales Simulationsprogramm Abhilfe zu schaffen. Es ist das Ergebnis einer fächerübergreifenden Zusammenarbeit der Universität Würzburg und der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt-Aschaffenburg (FH). Das EDV-gestützte, interaktive Sichtungsprogramm, das in dieser Form bisher einmalig ist, wurde von den FH-Diplomanden Claudia Behr, Klaus Röder und Thomas Rust entwickelt. Die drei Studierenden sowie Prof. Sefrin und Dr. Rainer Schua von der "Arbeitsgemeinschaft der in Bayern tätigen Notärzte" (agbn) stellten das Programm am Freitag, 29. Januar, bei einer Pressekonferenz in der FH vor.

    An der Entwicklung der "Computergestützten Simulation der Sichtung von Verletzten bei einem Massenunfall" (CUSS) waren zudem beteiligt: Ärzte der Klinik für Anaesthesiologie der Universität Würzburg unter der Leitung von Prof. Sefrin, Prof. Jürgen Lehmann und Diplom-Informatiker Helmut Reisberg vom FH-Fachbereich Informatik, Prof. Dr. Günter Cisek und Helmut Göb vom Video- und Medienlabor der FH sowie Dr. Schua von der agbn. Um eine reale Darstellung eines Notfalls zu erreichen, arbeitet das Programm mit Bild-, Sound- und Videodateien. An deren Realisierung wirkten das Bayerische Rote Kreuz, Kreisverband Würzburg, und die Berufsfeuerwehr Würzburg mit Unterstützung des Technischen Betriebes der Universität mit.

    CUSS stellt den Anwender vor das Problem, eine möglichst große Anzahl von Verunglückten (19) mit unterschiedlichen Verletzungsgraden und Symptomen - vom Leichtverletzten bis zum Toten - mit einer unzureichenden Anzahl von Helfern zu versorgen und mit einer zu geringen Anzahl von Rettungsmitteln abzutransportieren. Der Benutzer muß eine Sichtungsentscheidung treffen, aufgrund derer die Versorgungs- und Abtransportkapazitäten in die nächstliegenden Krankenhäuser koordiniert werden müssen. Oberstes Ziel des Programmes ist es, möglichst vielen Patienten ein Überleben möglichst ohne Folgeschäden zu sichern. Der Benutzer lernt, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln möglichst optimal zu haushalten. Dies wird mit einem unterlegten Bewertungsprogramm auch analysiert, so daß neben dem Übungseffekt eine Evaluation der Leistung erfolgt. Am Ende erhält der Anwender eine detaillierte Aufstellung seiner Fehler, wobei diese über ein integriertes Strafpunkteverfahren gewichtet werden.

    "Das Programm in der vorliegenden Form darf ohne Übertreibung als Weltpremiere eines interaktiven Fortbildungsprogrammes für Notärzte eingestuft werden", sagt Prof. Sefrin. Es sei nur durch die innovative Art der Kooperation zustandegekommen und sehe nun seiner Bewährung in der Praxis entgegen. CUSS soll bei der Aus- und Fortbildung von Notärzten zum Einsatz kommen.

    CUSS - zum Training der Realität

    CUSS ist ein Programm zur multimedialen Darstellung eines Massenunfalles. Es ist ein Lernprogramm, kein Computerspiel. Der Benutzer übernimmt sowohl die medizinische Koordination als auch die individuelle Behandlung der Unfallopfer vor Ort. Zur Versorgung der Patienten stehen begrenzte Personal- und Transportressourcen zur Verfügung, die in vorher festgelegten Zeitabständen am Unfallort eintreffen. Der Anwender muß Prioritäten in der Behandlung und für den Abtransport festlegen.

    Es wird simuliert, wie sich der Zustand der Verletzten in Abhängigkeit von der Versorgung ändert. Einem Verunglückten geht es nur dann besser, wenn alle zu seiner Stabilisierung notwendigen medizinischen Maßnahmen rechtzeitig durchgeführt wurden. Fehlt eine dieser Maßnahmen, dann verschlechtert sich der Zustand des Patienten - und zwar derart, als wären gar keine Maßnahmen durchgeführt worden. Darüber hinaus ändert sich der Zustand in Abhängigkeit von der Schwere der Verletzung und der verstrichenen Zeit. Jede Entscheidung des Benutzers wird vom Programm analysiert und, falls sie sich negativ für das Unfallopfer auswirkt, mit Strafpunkten belegt.

    CUSS umfaßt folgende Einzelphasen: Begehung und Besichtigung des Unfallortes (im Realbild); Betrachtung und Erstanalyse der Verunglückten am Unfallort in den beteiligten Fahrzeugen (im Realbild); Sichtung der Unfallopfer in Abhängigkeit von der Invasivität der Untersuchung; Behandlung der Verletzten mit den im Rettungsdienst verfügbaren Möglichkeiten; Abtransport in verfügbare Krankenhäuser mit reellen Transportmitteln und in reellen Zeiten; Beurteilung der getroffenen Entscheidungen. Diese Phasen sind nicht alle zeitlich strikt voneinander getrennt, sondern können und müssen teilweise verzahnt oder im Wechsel durchgeführt werden.

    Technische Daten

    CUSS wurde speziell für Microsoft Windows 98 entwickelt. Grundsätzlich ist das Programm auf allen Windows 32 Bit-Betriebssystemen lauffähig. Notwendig ist eine Rechnerkonfiguration, die MPEG-1 Videodateien mit einer Datenrate von 400 KB pro Sekunde in Echtzeit dekomprimieren und darstellen kann. Der physikalische Hauptspeicher sollte 64 MB nicht unterschreiten. Notwendig sind eine Soundkarte und, je nach Installationsart, bis zu 250 MB freier Festplattenspeicher.

    Weitere Informationen: Prof. Dr. Peter Sefrin, Klinik für Anaesthesiologie der Universität Würzburg, Josef Schneider-Straße 2, 97080 Würzburg, T (0931) 201-5124, Fax (0931) 201-5129, E-Mail:
    sefrin.peter@mail.uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).