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25.10.2006 14:39

Hauptpreis des Gründerwettbewerbs an Medienforscher Florian Kerkau. 25.000-Euro-Preis für Pupillenforschung

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Beim "Gründerwettbewerb - Mit Multimedia erfolgreich starten" des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie ist der Medienforscher Dr. Florian Kerkau für sein Projekt "eye on media" mit einem Hauptpreis ausgezeichnet worden. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis wurde am heutigen Vormittag im Rahmen der diesjährigen "Systems", einer Messe für Informationstechnik, Telekommunikation und Neue Medien, in München verliehen. "eye on media", das aus einem Dissertationsprojekt an der Freien Universität Berlin hervorgegangen ist und anschließend durch die Gründungsförderung der Hochschule unterstützt wurde, setzt auf die Messbarkeit der Pupillenbewegung - so kann unter anderem präzise nachvollzogen werden, wie Online-Auftritte, Werbefilme oder Anzeigen von Unternehmen auf den Betrachter wirken und wie diese gemäß der Analyse-Ergebnisse optimiert werden können.

    Dass Pupillen auf Reize reagieren, ist an sich nichts Neues. Jeder weiß, dass sich die Größe der Pupille je nach Helligkeit des einfallenden Lichts verändert. "Pupillen reagieren aber auch auf mentale oder emotionale Reize. Das haben amerikanische und israelische Forscher bereits in den Siebzigerjahren herausgefunden", sagt Dr. Florian Kerkau. Im Rahmen seiner Promotion am Center for Media Research der Freien Universität Berlin hat sich der Wissenschaftler dieses Phänomen zunutze gemacht und das so genannte "pupillometrische Verfahren zum Ermitteln des physiologischen Aktivierungspotenzials" entwickelt.

    Normalerweise regelt die Regenbogenhaut die einfallende Lichtmenge im Auge: Helligkeit macht die Pupille klein, Dunkelheit entsprechend groß. Aber weil die Größe der Pupille von zwei Strängen des vegetativen Nervensystems gesteuert wird, vom Sympathikus und vom Parasympathikus, wirkt sich auch eine "sympathische Erregung" des zentralen Nervensystems auf die Größe der Pupille aus. Denn der Muskel, der die Iris auseinander zieht, ist über die Nervenstränge des Sympathikus im Gehirn mit dem Limbischen System verbunden. Dieses ist unter anderem an der Entstehung von Gefühlen, an Lernprozessen und an der Speicherung von Gelerntem im Langzeitgedächtnis beteiligt. Ist das Limbische System besonders aktiv, erhält der Muskel den Auftrag, die Pupille zu erweitern. Sobald es überfordert ist, erschlafft der Muskel hingegen und die Pupille wird kleiner. Da sich diese Pupillenbewegung nicht bewusst steuern lässt, ist sie ein verlässlicher Indikator dafür, wie angespannt oder gelangweilt ein Mensch tatsächlich ist - unabhängig davon, was er denkt, sagt oder sich wünscht. Pupillen sagen also mehr als 1000 Worte.

    Die Vorrichtung, um die Pupillenbewegung zu messen, besteht aus einer Infrarot-Kamera, drei handelsüblichen Computern und einer speziellen Software, die für Windows geeignet ist. Auf einem der Computer sieht die Testperson einen Spielfilm, wobei die Infrarot-Kamera parallel die Augenbewegungen des Probanden aufnimmt. Die gewonnenen Videodaten werden an den zweiten Rechner übergeben, der die Rolle einer Kontrollinstanz übernimmt. Er wertet mittels einer Videokarte die Daten aus und bestimmt den aktuellen Pupillendurchmesser. Diese Pupillenwerte werden wiederum an den dritten Computer, die Analyseeinheit, weitergeleitet, um dort verarbeitet zu werden. Die Analyseeinheit ist mit einer von Florian Kerkau entwickelten Software ausgestattet, die die Pupillendaten des Kontroll-Computers aufnimmt und durch verschiedene Berechnungen von Fehlern und Artefakten - etwa den Lidschlag, der das Ergebnis verfälscht - bereinigt. Ein im Programm enthaltener Luxmeter misst ergänzend die Umgebungshelligkeit, während die Software gleichzeitig die Pupillendaten von Störfaktoren bereinigt, die durch Lichteffekte entstehen. Aus der Veränderung der Pupillengröße kann der 37-jährige Wissenschaftler die mentale und emotionale Beanspruchung der Versuchsperson ableiten. Und das sogar in Echtzeit, sodass die Medienforscher die Daten unmittelbar nach ihrer Entstehung auswerten können.

    "Es ist erstaunlich, wie positiv der Markt auf das neue Messverfahren reagiert hat", sagt Florian Kerkau. Nachdem der Patent- und Lizenzservice der Freien Universität Berlin das Verfahren durch Patentanmeldungen schutzrechtlich gesichert hatte, entwickelte der gebürtige Berliner im vergangenen Jahr im Anschluss an seine Promotion eine Geschäftsidee, die auch das Bundesministerium für Bildung und Forschung überzeugte. Unterstützt durch die Gründungsförderung der Freien Universität Berlin erhielt er im Rahmen des Programms Exist-Seed für den Zeitraum von einem Jahr Fördermittel in Höhe von 40.000 Euro, um einen Businessplan erarbeiten zu können. Zur Seite gestellt wurden ihm ein ebenfalls vom Ministerium finanzierter Unternehmensberater sowie ein wissenschaftlicher Mentor von der Freien Universität Berlin, Professor Ludwig Issing. Seit Juli 2006 erhält Kerkau ein Stipendium des Europäischen Sozialfonds (ESF) der Europäischen Kommission, um die Gründung seiner Firma voranzutreiben. Angesiedet ist das Stipendium an der Technischen Fachhochschule Berlin.

    Auch im Auftrag von MTV war Kerkau schon tätig. "Für den Musiksender haben wir eine Pilotsendung zur Serie 'Pimp my Fahrrad' untersucht - eine Parodie auf das amerikanische Original 'Pimp my Ride', bei der Schrottautos von einem Rapper skurril aufgepeppt werden", erzählt der Medienpsychologe. In der Medienbranche - insbesondere bei der Entwicklung kostspieliger und langfristiger Produktionen wie TV-Serien - ist es üblich, Pilotsendungen zu produzieren und anschließend intensiv zu untersuchen, um die Serienstaffel möglichst erfolgreich zu gestalten. Kerkau sollte mit seinem Team herausfinden, welche Elemente in der Sendung die Zuschauer fesseln und wie der Hauptdarsteller, der Rapper Das Bo von der Hip-Hop-Gruppe "Fettes Brot", beim Betrachter ankommt. Zwanzig Testpersonen mussten sich den Piloten dafür ansehen. In Kombination mit der Blickbewegungsregistrierung, "Eye-Tracking" genannt, konnten die Wissenschaftler genau bestimmen, welches einzelne Element in der Sendung wie auf den Zuschauer wirkt: Ob der Blick gefesselt wird oder das Auge gelangweilt über das Bild wandert. "Das Ergebnis bei 'Pimp my Fahrrad' hat gezeigt, dass die Sendung zu lang war und die beiden Protagonisten nicht zusammenpassten. Am Ende wurde der Rapper ausgetauscht", fasst Kerkau seine Analyse zusammen.

    Das Verfahren eignet sich nicht nur für die Markt- und Medienforschung. "Es könnte theoretisch auch irgendwann einmal bei der Entwicklung von Lernsoftware eine Rolle spielen", sagt Florian Kerkau. Dafür allerdings müsse es technisch noch weiterentwickelt werden. Sein Ziel ist es, dass Computer eine Rückmeldung über die jeweiligen Pupillenwerte erhalten und entsprechend darauf reagieren. "Je nach Pupillenwert könnte der Computer dann selbstständig andere Versionen einer Lernsoftware vorschlagen", sagt Kerkau. "Denn oft überfordert man sich selbst unbemerkt und verliert dadurch die Lust. Da wäre es doch klasse, wenn ein Computer, oder vielmehr die Software, das Kursniveau automatisch an das Lernniveau des Nutzers anpassen würde."

    Ansprechpartner:
    Preisträger: Dr. Florian Kerkau, "eye on media", Telefon: 0176 / 63117062, E-Mail: info@eye-on-media.de, http://www.eye-on-media.de
    Gründerwettbewerb: Jan Liepold, Loesch Hund Liepold Kommunikation GmbH, Telefon: 089 / 720187-12, E-Mail: j.liepold@lhlk.de


    Bilder

    Medienforscher Dr. Florian Kerkau
    Medienforscher Dr. Florian Kerkau
    (c) Freie Universität Berlin
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    (c) Photocase
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

    Medienforscher Dr. Florian Kerkau


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