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14.04.1999 16:46

Politikwandel am Beispiel der Gentechnik

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Erstmals ist es gelungen, langfristige politische Entwicklungen theoretisch und empirisch zu erklären. Dr. Nils Bandelow (Politikwissenschaft, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB) zeigt in seinem Buch "Lernende Politik" am Beispiel der Gentechnologiedebatte in Deutschland, wie wissenschaftliche Argumente und andere Informationen im Verlauf mehrerer Jahrzehnte den politischen Wandel verursachen.

    Bochum, 14.04.1999
    Nr. 76

    Evolution in der Genpolitik
    Gruppendynamik auf Lobby-Ebene
    RUB-Politologe erklärt langfristigen politischen Wandel

    Die Gentechnik ist seit den achtziger Jahren ein allgemeinpolitisches Thema in Deutschland. Die stark emotional geführte Auseinandersetzung brachte verschiedene Gesetze und Verordnungen, gleichzeitig war sie auch Veränderungen unterzogen. Erstmals ist es nun gelungen, solche langfristige politische Entwicklungen theoretisch und empirisch zu erklären. Dr. Nils Bandelow (Politikwissenschaft, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB) zeigt in seinem Buch "Lernende Politik" am Beispiel der Gentechnologiedebatte in Deutschland, wie wissenschaftliche Argumente und andere Informationen im Verlauf mehrerer Jahrzehnte politischen Wandel verursachen. Dieser Wandel vollzog sich weniger in den Köpfen der einzelnen Beteiligten, als vielmehr bei der Zusammensetzung der politischen Gruppen.

    Statt egoistischer Ziele ...

    Die Kontroverse um die Gentechnik ist seit ihrer Politisierung auch ein Gegenstand sozialwissenschaftlicher Forschung. Klassische politikwissen-schaft-liche Modelle erklären die Inhalte einzelner Gesetze und deren Umsetzung mit den egoistischen Zielen der Beteiligten. Sie unterstellen ihnen vor allem ein Streben nach Macht. Man interpretierte politische Entscheidungen als Ergebnis notwendiger Kompromisse im Rahmen demokratischer Institutionen. Sowohl die normative Sozialforschung als auch der erklärend orientierte Zweig der Politikwissenschaft übersahen dabei, daß sich die politischen Ergebnisse dieser Auseinandersetzung langfristig stark veränderten. Trotz der gesellschaftlichen Ausweitung des Gentechnikkonflikts sind heute in den zentralen politischen Gremien lediglich die Untersuchungen strittig, die mit Krankheitserregern oder anderen gefährlichen Organismen hantieren. Langfristig kam es also zu einer "Freisetzung" der Gentechnik, zu einer kontinuierlichen Reduktion von Verboten und Auflagen.

    ... Perspektivwechsel

    Diese Entwicklung erklärt Dr. Bandelow, indem er einen neuen theoretischen Ansatz der Politikwissenschaft anwendet. Dieser Ansatz stellt zunächst heraus, daß Erklärungen, die von einer objektiven Rationalität politischer Akteure ausgehen, nur begrenzten Wert haben. Gerade der Gentechnikkonflikt zeigt, daß Befürworter und Gegner diese Technologie aus sehr unterschiedlichen Perspektiven wahrnehmen. Für die meisten Wissenschaftler ist Gentechnik lediglich eine Methode, mit der natürliche Prozesse künstlich und unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt werden. Gegner folgen dagegen einem ethischen, religiösen oder gesellschaftspolitischen Weltbild, in dem wissenschaftliche Aussagen zu Risiken der Gentechnik zweitrangig sind.

    Gruppen lernfähiger als ihre Mitglieder

    Unterschiedliche Wahrnehmungen des Konfliktes werden dadurch zementiert, daß Befürworter und Gegner sich innerhalb ihrer Gruppen in ihren Sichtweisen bestätigen. Beide Gruppen veränderten ihre Einstellungen durch die Aufnahme von Informationen über wissenschaftliche Erkenntnisse, Erfahrungen mit wirtschaftlichen Möglichkeiten und ethischen Problemen neuer Anwendungsfelder. Neue Erkenntnisse und Erfahrungen haben zwar kaum die festgefahrenen Überzeugungen einzelner Politiker und Vertreter von Interessengruppen verändert, langfristig aber die Zusammensetzung der jeweiligen Gruppen neu formiert. Dieser Prozeß erklärt einen großen Teil des politischen Wandels seit den achtziger Jahren.

    Langfristig lernende Politik

    Für den Bochumer Politologen und seinem Erklärungsanstatz einer "lernenden Politik" stellt sich die Frage, welche Mögichkeiten der Staat hat, Diskursverfahren zu organisieren und möglicherweise zu finanzieren, die langfristige auf die Überzeugungen von Akteuren einwirken,

    Titelaufnahme

    Bandelow, Nils C.: Lernende Politik. Advocacy-Koalitionen und politischer Wandel am Beispiel der Gentechnologiepolitik. Berlin: edition sigma 1999, DM 36,- (ISBN 3-89404-460-8)

    Weitere Informationen

    Dr. Nils C. Bandelow, Fakultät für Sozialwissenschaft der RUB, Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre und Politikfeldanalyse, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum, Tel. 0234/700-5417, Fax. 0234/7094-509, e-mail: nb@pw2.ruhr-uni-bochum.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Politik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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