idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
06.04.2005 12:39

"Light Strings" mit Zukunftspotenzial

Thilo Körkel Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

    Physical Review Letters: Marburger Forscher klären Terahertz-Emission von Laserplasmen auf - Anwendungen reichen von Medizin über Umweltschutz bis hin zu neuen Navigationsverfahren

    Ein starker, kurzer Lichtpuls genügt, und über Kilometer hinweg "brennt" sich ein extrem schmaler Plasmakanal, ein "Light String", durch die Atmosphäre. Ein solches Plasma - in diesem Fall Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle in der Luft, die durch die hohe Intensität der Strahlung einige ihrer Elektronen verlieren, also "ionisiert" werden - sendet so genannte Terahertzstrahlung aus, die für zahlreiche Anwendungen in Wissenschaft und Industrie eingesetzt werden kann.

    Die theoretischen Grundlagen der Entstehung von Terahertzstrahlung in Light Strings haben nun Professor Dr. Stephan W. Koch und Juniorprofessor Mackillo Kira aus der Arbeitsgruppe Theoretische Halbleiterphysik der Philipps-Universität Marburg in Zusammenarbeit mit dem Arizona Center for Mathematical Sciences und dem Optical Sciences Center in Tucson, Arizona, erarbeitet. Die Ergebnisse wurden kürzlich im US-amerikanischen Wissenschaftsjournal Physical Review Letters unter dem Titel "Photoluminescence and Terahertz Emission from Femtosecond Laser-Induced Plasma Channels" (PRL 94, 115004 (2005)) veröffentlicht.

    Light Strings und die von ihnen ausgehende Terahertzstrahlung - elektromagnetische Wellen mit einer Wellenlänge von knapp einem Millimeter - sind ein relativ junges Forschungsfeld. Das große Interesse daran erklärt sich durch zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten: Plasmakanäle könnten dazu dienen, Blitzentladungen gezielt abzuleiten und anfällige Gebäude wie etwa Elektrizitätswerke oder Radiostationen zu schützen. Außerdem ließen sich mittels Light Strings starke Turbulenzen in der Nähe von Flughäfen oder die Emission von giftigen Gasen in der Nähe von chemischen Fabriken aus der Ferne diagnostizieren. Nicht zuletzt könnte man starke Lichtquellen hoch oben in der Atmosphäre erzeugen, um deren chemische Zusammensetzung zu untersuchen oder sogar "künstliche Sterne" zur Navigation entstehen zu lassen. Eine deutsch-französisches Projekt mit dem Namen "Teramobile'" hat einen Light String bereits mehr als neun Kilometer hoch in den nächtlichen Himmel über Jena geschickt.

    Als stabile Quelle für Terahertzstrahlung bieten sich Light Strings ebenfalls an, da sie sich auch im Labor erzeugen lassen. Die kurzwellige Strahlung durchdringt Materie und lässt sich daher sowohl zum Durchleuchten des Gepäcks bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen, zur ungefährlichen Detektion von Sprengstoffen als auch zur Untersuchung von krankem Gewebe im menschlichen Körper verwenden. Viele bildgebende Verfahren in Medizin und Technik, so ist zu erwarten, werden künftig auf der Anwendung von Terahertzstrahlung beruhen.

    Erstaunliche Vorgänge in Light Strings

    Voraussetzung für all diese Anwendungen ist ein präzises Verständnis der Vorgänge in einem Light String. Weil bisherige Theorien nur unzureichende Erklärungen lieferten, haben die Marburger Forscher Koch und Kira sowie die US-amerikanische Arbeitsgruppe in Arizona, bestehend aus Professor J. V. Moloney, Professor E. M. Wright, Dr. W. Hoyer sowie dem Gastprofessor A. Knorr (Berlin), nun eine Thorie entwickelt, die die quantenmechanische Emission eines Elektron-Ion-Plasmas beschreibt. Sie geht davon aus, dass die durch den Lichtpuls freigesetzten Elektronen von den zurückbleibenden Sauerstoff- und Stickstoff-Molekülen (Ionen) ständig von ihrer Bahn abgelenkt und abgebremst werden. Dabei wird Strahlung im Terahertzbereich frei. Gleichzeitig konnten die Wissenschaftler ihre Theorie bestätigen, indem sie nachwiesen, dass die daraus ableitbaren Emissionsmuster - ein Dipolmuster, vergleichbar dem der Antenne eines Radiosenders - den bisherigen experimentellen Befunden an Light Strings entsprechen.

    Die physikalischen Vorgänge in einem Light String sind eindrucksvoll. Stark fokussiertes Licht, wie es handelsübliche Laser im Labor erzeugen können, kann sich nämlich ganz ohne Hilfe von Linsen selbständig weiter fokussieren. Dies wird verständlich, wenn man sich zwei Dinge vor Augen hält. Einerseits breitet sich Licht in unterschiedlichen Materialien unterschiedlich schnell aus - weil diese unterschiedliche Brechungsindizes besitzen - und kann beim Übergang von einem Material zum anderen zudem seine Ausbreitungsrichtung ändern.

    Außerdem ist Gas nicht gleich Gas: Erreicht die Intensität nämlich eine kritische Schwelle, besitzt das Licht genug Energie, um Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle vollständig zu ionisieren, also jeweils ein Elektron vom Molekül zu befreien. Sind genügend dieser (negativ geladenen) freien Elektronen und der zurückgebliebenen (positiv geladenen) Ionen vorhanden, so liegt nicht mehr nur ein einfaches Gas, sondern ein so genanntes Plasma vor (wie es im Universum weit verbreitet ist, sich aber eben auch im Labor herstellen lässt). Mit dem Grad der Ionisierung ändert sich auch dessen Brechungsindex. Durch diesen Mechanismus wird der Brechungsindex innerhalb eines Strahlungspulses genau dort am größten, wo auch das Pulsmaximum liegt. Im Ergebnis zeigt der Lichtpuls also die Tendenz, sich selbst immer stärker zu fokussieren.

    Wählt man den Puls kurz genug, so kann er sich in Wechselwirkung mit der Atmosphäre über Kilometer hinweg ausbreiten und hinterlässt dabei einen langen Plasmakanal, dessen Durchmesser nur wenige hundertstel Millimeter beträgt. Die elektromagnetische Abstrahlung dieser Light Strings im Terahertzbereich kann durch die jüngste Veröffentlichung nun als geklärt gelten.

    Kontakt

    Professor Dr. Stephan W. Koch: Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Physik / Wissenschaftl. Zentrum für Materialwissenschaften, Renthof 5, 35032 Marburg
    Tel: (06421) 28 21336, E-Mail: s.w.koch@physik.uni-marburg.de


    Weitere Informationen:

    http://www.physik.uni-marburg.de/hlo/AG_koch.html - Homepage Professor Dr. Stephan W. Koch


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Mathematik, Medizin, Meer / Klima, Physik / Astronomie, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).