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18.04.2005 10:49

Perspektiven der Energiebereitstellung

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Prof. Dr. Herbert Spindler, Gesellschaft für nachhaltige Stoffnutzung mbH Halle, setzt sich auf einem Kolloquium der Fakultät für Physik und Geowissenschaften der Universität Leipzig mit Perspektiven der Energiebereitstellung auseinander.

    Zeit: 10. Mai 2005, 16:15 Uhr
    Ort: Hörsaal für Theoretische Physik
    Fakultät für Physik und Geowissenschaften
    Linnéstr. 5

    Vor dem Hintergrund einer sich immer deutlicher abzeichnenden Verknappung der fossilen Energierohstoffe und der Forderung nach einer "nachhaltigen" Wirtschaftspo-litik werden die Möglichkeiten und die Grenzen einer energetischen Biomassenutzung hinterfragt. Alle bekannten Prognosen über den zukünftigen Energieverbrauch der Welt kommen zu sehr verschiedenen und sich stark widersprechenden Aussagen, die deutlich von den Wunschvorstellungen der jeweiligen Prognosegruppe geprägt sind. Als sicher kann wegen steigender Nachfrage eine Verknappung der fossilen Energie-träger verbunden mit einem Preissprung schon in den nächsten 10 Jahren angenom-men werden. Dadurch werden die bisher zu wenig konkurrenzfähigen Bioenergien wirtschaftlicher. Als besonders günstig wird der Ausbau von Biomasse-Vergasungs-Technologien angesehen, die als Basis für die Synthese extrem sauberer flüssiger Kraftstoffe betrachtet werden, die sämtliche in Aussicht stehenden EU-Abgasnormen erfüllen können. Ob allerdings der größte Teil der zukünftigen Energieversorgung durch erneuerbare abgedeckt werden kann, bleibt fraglich. Deshalb wird die wich-tigste Entwicklungslinie einer zukünftigen Energieversorgung das Energiesparen sein.

    Prof. Spindler beantworte dazu einige Fragen von Prof. Jörg Kärger, Leiter der Abteilung Grenzflächenphysik am Institut für Experimentelle Physik I und langjähriger Kooperationspartner von Prof. Spindler:

    K.: Sie wollen über "Perspektiven einer zukünftigen Energiebereitstellung" vortragen, aber Sie schränken das Thema im Haupttitel bereits auf eine "energetische Biomassenutzung" ein. Wie ist das zu verstehen?

    S.: Das ist ganz einfach. Die Energieversorgung der Zukunft wird, wenn sie nachhaltig sein soll, nicht ohne eine energetische Biomassenutzung auskommen. Andererseits wird es nach meiner Auffassung nicht möglich sein, mit Bioenergie allein den Energiehunger der Zukunft zu stillen, wenn er ungebremst wie bisher weiter wächst.

    K.: Welche Wege sollten dann zur Lösung des Energieproblems gegangen werden?

    S.: Man muss sich zunächst einmal klarmachen, dass es eigentlich gar kein "Energieproblem" gibt. Es hieße Eulen nach Athen tragen, vor Physikern darauf hinzuweisen, dass der Terminus "Energieverbrauch" eine streng genommen unsinnige Wortprägung ist, denn Energie kann ja bekanntlich weder erzeugt noch vernichtet werden, und sie ist im Überfluss vorhanden. In Wahrheit haben wir es mit einem Entropieproblem zu tun, denn wir verwandeln ständig hochwertige niederentropische Energie in minderwertige, nämlich hochentropische. Die Wirtschaft hat dafür ein feines Gespür. Elektrischer Strom, der die Entropie Null besitzt, ist teuer, Niedertemperaturwärme ist ziemlich billig und Wärme von Umgebungstemperatur praktisch wertlos.

    K.: Es ist natürlich richtig, dass wir, z.B. beim Autofahren, nicht Energie verbrauchen, sondern materialisierte Energieträger, also meist Benzin oder Dieselöl. Diese Stoffe werden immer noch überwiegend aus Erdöl gewonnen. Wie beurteilen Sie die Prognose, dass die Erdölvorräte bald zur Neige gehen?

    S.: Mit Prognosen muss man vorsichtig sein. Sie sind zu deutlich von der Interessenlage derer geprägt, die sie erstellt haben. Es gibt kein Indiz dafür, dass sich die Erdölvorkommen noch in diesem Jahrhundert erschöpfen werden. Aber es hat eine andere Entwicklung eingesetzt, deren Gefahr lange unterschätzt wurde. Es gibt eine Schere zwischen stark steigendem Verbrauch und kaum noch wachsender Fördermenge, und diese Diskrepanz wird die Preise weiter in die Höhe treiben.

    K.: Kann denn diese Lücke durch Bioenergie geschlossen werden?

    S.: Zunächst natürlich nicht, denn Energie aus Biomasse, gleich welcher Art, ist teurer als Energie aus fossilen Energieträgern, die Atomenergie eingeschlossen. Aber mit steigenden Rohölpreisen verringert sich die Preisdifferenz. Und es kommt etwas ande-res hinzu. Durch Wiederbelebung der Anfang des 20. Jahrhunderts in Deutschland entwickelten Fischer-Tropsch-Synthese von Kohlenwasserstoffen können mit Einsatz von Synthesegas aus Biomasse Motortreibstoffe erzeugt werden, die an Reinheit und Umweltfreundlichkeit die bekannten übertreffen.

    K.: Sie erwähnten die Atomenergie. Wie sehen Sie deren Perspektive?

    S.: Unabhängig davon, dass die Nutzung der Atomenergie aus der Kernspaltung in Deutschland und wenigen anderen europäischen Ländern politisch gewollt vor dem Aus steht, wird sie in anderen Teilen der Welt weiter vorangetrieben, wodurch die Energiesituation sicher etwas verbessert wird. Auf sehr lange Sicht ist aber auch dieser Weg keine dauerhafte Lösung, denn auch die Uranvorräte sind begrenzt und nicht erneuerbar. Und die Nutzung der Kernfusion liegt noch in weiter Ferne.

    K.: Bleibt dann doch nur die Nutzung der Biomasse, also letztlich der Sonnenergie, als Ausweg?

    S.: Wohl kaum. Sicher wird es in absehbarer Zukunft weiter einen Energiemix aus konventionellen Energieträgern und erneuerbaren geben, Wasser, Wind und Sonne eingeschlossen. Aber die steigenden Energiepreise werden einen Zwang zum Ener-giesparen auslösen. Deshalb sind diejenigen gut beraten, die sich der Entwicklung von Technologien zur rationellen Energieanwendung widmen. Deshalb sollte man mehr denn je die Maxime des großen Leipziger Energetikers Wilhelm Ostwald beherzigen, der schon vor 100 Jahren gefordert hat: Verschwende keine Energie, nutze sie!


    weitere Informationen:
    Prof. Dr. Jörg Kärger
    Telefon: 0341 97-32502
    E-Mail: kaerger@physik.uni-leipzig.de
    http://www.uni-leipzig.de/~theolweb/unigd.htm


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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