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05.07.1999 12:35

Hochfeste Werkstoffe auf dem Prüfstand

Brigitte Nussbaum Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Metallforscher der Universität Münster untersuchen Superlegierungen mit weltweit einmaligem Methodenspektrum

    Mit einem weltweit einmalig breitem Methodenspektrum werden am Institut für Metallforschung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster die Eigenschaften von Hochtemperaturwerkstoffen erforscht. Gerade genehmigte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zwei Millionen Mark für ein weiter verbessertes Elektronenmikroskop. Mit dem Gerät werden die Wissenschaftler in der Lage sein, noch genauer zu untersuchen, wie mikroskopische Struktur und chemische Zusammensetzung der Materialíen die makroskopischen Eigenschaften beeinflussen.

    Das Schmieden und Härten von Metallen ist ein uraltes Handwerk, doch die zugrundeliegenden physikalischen Prozesse konnten erst Mitte unseres Jahrhunderts ansatzweise aufgeklärt werden. Durch das Erhitzen und anschließende rasche Abkühlen verändert sich die mikroskopische Struktur des Materials, das Gefüge auf atomarer Skala. Dadurch entsteht ein Werkstoff, der sich in seinen mechanischen Eigenschaften deutlich von denen des Rohlings unterscheidet. Dabei spielt neben der Struktur die chemische Beschaffenheit des Materials eine wichtige Rolle. Im Arbeitskreis von Prof. Dr. Eckhard Nembach interessiert man sich besonders für Hochtemperatur-Materialien. Dazu gehören "Superlegierungen", spezielle Metallverbindungen, die selbst bei großer Hitze extremen mechanischen Belastungen standhalten.

    In Flugzeugtriebwerken oder Turbinen von Kraftwerken sind Rotoren großen Kräften und Temperaturen von nahezu tausend Grad Celsius ausgesetzt. "Jede Temperaturerhöhung steigert den Wirkungsgrad", erläutert Prof. Nembach. Ein hoher Wirkungsgrad führt zu einer möglichst effektiven Verbrennung, also Umsetzung von Energie. Daher rührt das Interesse an Werkstoffen, die auch bei hohen Temperaturen stark belastbar sind. Das Material darf sich nicht permanent verformen, sondern muß elastisch nachgeben, ähnlich einer Spiralfeder, die beim Verschwinden der äußeren Kraft wieder in ihren ursprünglichen Zustand übergeht. Der Werkstoff sollte auch nicht spröde sein, da das zu einem Bruch führen könnte.

    Prof. Nembach will herausfinden, welche mikroskopischen Prinzipien die Eigenschaften von Superlegierungen bestimmen. Dazu dienen mechanische Belastungstests, die chemische und strukturelle Analyse auf kleinster Skala sowie Computersimulationen. "Wir untersuchen mit einem weltweit einmalig breiten Methodenspektrum das Zusammenspiel der diversen Mechanismen," sagt er. Hoch sind die Ansprüche auch an die Qualität der Proben. Entscheidend ist die räumliche Anordnung der Atome im Material, die Kristallstruktur. Deshalb verwendet Prof. Nembach ausschließlich sogenannte Einkristalle. Aufgereiht wie in einem dreidimensionalen Punktgitter sind die Atome in immer gleicher Weise über den Werkstoff verteilt. Könnte man auf die Netzebenen eines solchen Gitters herabschauen, würde man erkennen, daß die Atome zu einem regelmäßigen Muster arrangiert sind.

    Die Rohlinge für diese Einkristalle kauft Prof. Nembach bei der Industrie. Durch eine aufwendige Präparation, bei der die Proben neu aufgeschmolzen werden, lassen sich Einkristalle heranzüchten. "Für uns wären gekaufte Einkristalle nicht gut genug", sagt Prof. Nembach, "und außerdem unbezahlbar." Die Herstellung der Kristalle ist eine Kunst. An deutschen Universitäten betreibt nur Prof. Nembachs Arbeitsgruppe bei Superlegierungen diesen Aufwand. Auch für die Industrie sind derartige Kristalle technische Spitzenprodukte, denn sie weisen kaum Schwachstellen auf. Deshalb werden die Rotorblätter moderner Triebwerke in der Regel aus Einkristallen gefertigt.

    Prof. Nembach arbeitet mit Superlegierungen auf Nickel-Basis, die aus bis zu zehn verschiedenen Komponenten bestehen. Die Festigkeit der Verbindungen beruht darauf, daß im Festkörper winzige Partikel eingeschlossen sind, die sich während des Herstellungsprozesses herausbilden. Diese Einschlüsse haben Durchmesser vom Bruchteil eines tausendstel Millimeters und umfassen häufig nur ein paar tausend Atome. Mit bloßem Auge und sogar dem Lichtmikroskop sind solch feine Strukturen nicht mehr sichtbar. Prof. Nembach verwendet deshalb ein Transmissionselektronen-Mikroskop mit hoher Auflösung. Im Bereich der Teilchen ist die Kristallstruktur und die chemische Zusammensetzung des Materials gegenüber der umliegenden Matrix leicht verändert. Die Einschlüsse verhindern, daß bei mechanischer Belastung Netzebenen des Kristallgitters aneinandergleiten können. Deshalb hängt die Festigkeit des Materials in komplexer Weise von Größe, Zahl und chemischer Beschaffenheit der Einschlüsse ab.

    Neue Einsichten erhofft sich Prof. Nembach von einem verbesserten Elektronen-Mikroskop, für dessen Entwicklung die DFG zwei Millionen Mark zur Verfügung stellt. Daran beteiligt sind neben dem Institut für Metallforschung auch das Physikalische Institut sowie das Institut für Mineralogie. Prof. Nembach rechnet mit der Fertigstellung in etwa zwei Jahren: "Es wird weltweit ein Spitzengerät sein."


    Bilder

    In der "Zerreißmaschine" wird die Festigkeit von Superlegierungen unter mechanischer und thermischer Belastung gemessen. Foto: C.E.
    In der "Zerreißmaschine" wird die Festigkeit von Superlegierungen unter mechanischer und thermischer ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    In der "Zerreißmaschine" wird die Festigkeit von Superlegierungen unter mechanischer und thermischer Belastung gemessen. Foto: C.E.


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