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15.09.2005 14:34

Trümmerfrauen' votierten christlich und konservativ

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Trümmerfrauen' votierten christlich und konservativ
    Keine verpasste Chance

    Das Wahlverhalten der Kölner Frauen nach dem Zweiten Weltkrieg erwies sich als tendenziell konservativer als das ihrer männlichen Mitbürger. Dabei hatten sich die von den Frauen mehrheitlich gewählten Parteien bis zuletzt gegen die Ausweitung des Wahlrechts auf die Staatsbürgerinnen gesperrt - eingeführt wurde das Frauenwahlrecht 1918 von den Männern der SPD. Diejenigen Frauenbewegungen und -vereinigungen, die den Frauen verstärktes Engagement im sozialen und karitativen Bereich nahe legten, haben den weiter verbreiteten Ansichten der Frauen nach dem Zweiten und auch dem Ersten Weltkrieg eher entsprochen als radikalere Gruppierungen, die politisches Engagement von Frauen und politische Gleichberechtigung für Frauen forderten. Die Jahre nach Kriegsende 1945 haben gezeigt, dass nur wenige Kölnerinnen den Willen oder die Kapazität aufbrachten, um als aktives Mitglied einer Partei tätig zu werden und für die Wahl zum Stadtrat zu kandidieren. Die Zusammenhänge dieser Auffälligkeiten hat Birte Griesse in einer Untersuchung am Historischen Seminar der Universität zu Köln erarbeitet und ihre Gründe hinterfragt.

    Da nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein großer 'Frauenüberschuss' bzw. 'Männermangel' in Deutschland herrschte, erweiterte sich das Aufgabenspektrum der Frauen. Außer der Erziehung der Kinder und der Besorgung des Haushalts waren viele Frauen in diesen Jahren einzige Ernährerin der Familie. Fast alle mussten für das tägliche Brot strapaziöse Maßnahmen ergreifen ("Hamstern", "Muggeln", "Fringsen"), alle Frauen wurden wie die verbliebenen Männer zur Trümmerbeseitigung herangezogen und viele gingen zusätzlich einer ehedem 'typisch männlichen' Erwerbsarbeit nach. Sehr viele waren bei der Aussicht froh, sich beizeiten aus der Doppel- und Dreifachbelastung der Monate und Jahre nach dem Krieg herausziehen zu können.

    Die Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wurden gerade in der Politik als Neuanfang in jeder Hinsicht gesehen - auch die Frauen konnten nun ihre von Hitler eingefrorenen politischen Rechte wieder wahrnehmen. Die CDU nutzte die gerade in Köln nachgewiesene weibliche Affinität zu konservativen Ideen und Parteien. Das Programm der Partei erstrebte eine Wiederherstellung der christlichen Ordnung sowie eine von christlichen Werten geprägte Demokratie, in der die Geschlechter ihre klar umrissenen Plätze hatten. Die Union integrierte die deutsche Frau offensiv in ihr Wahlprogramm und formulierte deutlich positiv ihre Leistungen beim Wiederaufbau und vor allem ihre Ansprüche an sie innerhalb der politisch angestrebten Wertordnung. Die Frau erfüllte gemäß ihren geschlechtsspezifischen Anlagen eine nicht zu ersetzende Rolle im neu entstehenden Staat - in ihren 'Spezialgebieten' Familie, Erziehung und Haushalt. Indem sie die Frauen positiv würdigte, ihnen aber gleichzeitig Rückzug aus den enormen Belastungen der Nachkriegszeit versprach, gewann die Kölner CDU in großer Breite die weiblichen Wahlstimmen.
    Auch politisch aktive Frauen, die für ein Mandat im Stadtrat kandidierten, gab es in der CDU am meisten. Sie taten sich jedoch nahezu ausschließlich bei 'fraulichen' Belangen hervor und überließen die 'harten Ressorts' - ebenso wie fast die gesamte Redezeit im Stadtparlament - ihren männlichen Parteifreunden.

    Die Neue Frauenbewegung fragte oft nach dem Gewinn der von einer Frauenmehrheit in der Bevölkerung getragenen Jahre nach 1945. Durch die wachsenden Aufgaben und die große Verantwortung in Kriegs- und Nachkriegszeiten hätte sich auch verstärktes poitisches Mitspracherecht und eine viel selbstständigere ökonomische und soziale Stellung für die Frauen herausbilden können - oder müssen? Manche kommen so zu dem Entschluss, dass die Chancen der 'Stunde Null', der 'Stunde der Frauen', vertan worden seien, weil den weiblichen Vorstößen in so viele der 'Männerdomänen' nach und nach wieder der Rückzug folgte. Die Vorstöße wurden aber aus existenzbedrohlichen Notzeiten geboren und stellten viele Frauen vor unvorstellbare Anforderungen von mehreren Seiten. So ist es nicht überraschend, dass sich viele Kölnerinnen nach ihren traditionellen Aktionsbereichen und einer konservativ-christlichen Wertordnung sehnten - den 'Trümmerfrauen' das als verpasste Chance anzukreiden, urteilt an der weiblichen Lebenswirklichkeit der Nachkriegszeit vorbei und ist mit Sicherheit nicht angebracht.

    Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

    Für Rückfragen steht Ihnen Birte Griesse unter der Telefonnummer 0221/4304437, und unter der Email-Adresse bgriesse@gmx.de zur Verfügung.

    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web unter http://www.uni-koeln.de/pi/.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Religion
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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