idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.09.2005 18:15

RNA-Interferenz: Häckseln und Schneiden im Dienst der Zellgesundheit

Ulrike Jaspers Public Relations und Kommunikation
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main)

    Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2006 geht an Craig Mello und
    Andrew Fire/ Hoch dotierter Nachwuchspreis erstmals ausgeschrieben

    FRANKFURT. Der Biochemiker Prof. Dr. Craig C. Mello (44), Howard Hughes
    Medical Institute an der Massachusetts Medical School in Worcester, USA, und
    der Biologe Prof. Dr. Andrew Z. Fire (46), School of Medicine der Stanford University, Kalifornien, USA, erhalten den mit insgesamt 100.000 Euro dotierten Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis 2006 für die Entdeckung so genannter
    nicht-kodierender doppelsträngiger siRNAs (small interfering
    Ribonucleinacid), auch bekannt als Mittler der RNA-Interferenz (RNAi). Dies
    beschloss der wissenschaftliche Stiftungsrat der Paul Ehrlich-Stiftung. In
    der Begründung heißt es: "Die RNA-Interferenz ist eine vergleichsweise
    einfache und universelle Methode, um einzelne Gene abzuschalten, indem ihre
    Boten-RNA über einen komplexen Mechanismus mit Hilfe von doppelsträngigen
    kleinen RNA-Molekülen gezielt abgebaut wird. Sie ist in den vergangenen
    Jahren zu einem unverzichtbaren Werkzeug der Grundlagenforschung geworden
    und hat bereits jetzt einen unschätzbaren Beitrag zum Verständnis
    molekularer und damit auch medizinisch relevanter Zusammenhänge geschaffen.
    Andrew Fire und Craig Mello haben mit ihrer Arbeit hierfür die Grundlagen
    geschaffen."

    Fire und Mello entdeckten mit der RNA-Interferenz ein universelles System
    der Genregulation. Das Verfahren kann prinzipiell auf jede RNA-Sequenz
    angewendet werden und stellt damit ein ideales Werkzeug dar, zelluläre Gene
    für die funktionelle Genomanalyse gezielt vorübergehend abzuschalten, um
    deren Funktion zu verstehen. Die Einsatzmöglichkeiten dieser Methode sind so
    vielfältig, dass die Fachzeitschrift "Science" die von Mello und Fire
    entdeckten siRNAs im Dezember des Jahres 2002 als "Durchbruch des Jahres"
    feierten.

    Der Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Preis, der am 14. März 2006 in der
    Frankfurter Paulskirche verliehen wird, gehört zu den höchsten und
    international renommiertesten Auszeichnungen, die in der Bundesrepublik
    Deutschland auf dem Gebiet der Medizin vergeben werden.
    Zum ersten Mal wird am 14. März 2006 auch der mit 60.000 Euro dotierte Paul
    Ehrlich-Nachwuchspreis vergeben. Der in diesem Jahr erstmals ausgeschriebene
    Preis zeichnet Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, die das
    40. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, für hervorragende biomedizinische
    Forschung an deutschen Forschungsinstitutionen aus.

    Bedeutung von RNA-Interferenz
    Das Erbgut jeder tierischen und pflanzlichen Zelle enthält Tausende von
    Genen. Damit immer nur diejenigen Gene in Proteine übersetzt werden, die
    jeweils benötigt werden, bedient sich die Zelle verschiedener
    Schutzmechanismen. Diese regulieren effektiv, welche Gene in Boten-RNA
    umgeschrieben werden, die als Blaupause für die Proteinsynthese durch die
    zellulären Proteinfabriken, die Ribosomen, dient. Doch nicht nur
    körpereigene Gene müssen je nach Entwicklungsstadium und Zellfunktion
    stillgelegt werden. Wichtiger noch ist es, dass die Zelle schädliche Gene,
    zum Beispiel Gene von Krankheitserregern, abfängt und inaktiviert. Hierzu
    hat sie im Laufe der Evolution effektive Sicherheitssysteme entwickelt,
    darunter die 1998 von Craig Mello und Andrew Fire entdeckte RNA-Interferenz.
    Fast alle pflanzlichen und tierischen Zellen nutzen diesen
    Schutzmechanismen, um die RNA-Abschriften von potenziell gefährlichen Genen
    zu zerstören, bevor diese in Proteine übersetzt werden können. Mit Hilfe von
    RNA-Interferenz reguliert die Zelle darüber hinaus die Aktivität normaler
    Gene im Verlauf von Wachstum und Entwicklung, denn in einer Muskelzelle sind
    beispielsweise andere Gene aktiv als in einer Nervenzelle.

    Wie funktioniert RNA-Interferenz?
    Bei der RNA-Interferenz verhindert die Zelle die Expression eines Gens,
    indem sie kleine doppelsträngige RNA-Moleküle (siRNA) bildet. Diese
    entstehen, wenn ein Enzym namens Dicer (Häcksler) längere doppelsträngige
    RNA-Moleküle - virale RNA-Moleküle, regulatorische RNA-Sequenzen oder von
    außen in die Zelle eingeführte synthetische RNAs - in Fragmente von
    einheitlicher Länge (21 bis 23 Basenpaare) zerschneidet. Alle diese
    RNA-Schnipsel werden dann in ihre beiden Einzelstränge zerlegt. Je einer
    davon verbindet sich daraufhin mit Proteinen zum so genannten
    RNA-induzierenden Silencing Complex (RISC). Dieser Komplex fängt Boten-RNAs
    mit komplementären Abschnitten ein. Passt deren Sequenz ziemlich perfekt zur
    Vorlage, wird das gefangene Boten-RNA-Molekül durch ein als Slicer (Hobel)
    bezeichnetes Enzym des RISC-Komplexes in der Mitte zerschnitten und damit
    unbrauchbar gemacht. Das von dieser Boten-RNA kodierte Protein kann dadurch
    nicht mehr gebildet werden. Passt die gefangene Boten-RNA nur teilweise zur
    Sequenz der im RISC eingebundenen siRNA, hält RISC die Boten-RNA lediglich
    fest. Dadurch bleiben die Ribosomen bei der Proteinsynthese auf der
    Boten-RNA stecken und bilden ebenfalls kein funktionierendes Protein. Je
    nach siRNA kann demnach die Proteinsynthese bestimmter Gene komplett
    ausgeschaltet werden. Dies gilt auch für siRNA, die von außen in die Zelle
    eingebracht wird. "Und hierin liegt das große Potenzial der RNA-Interferenz
    für die medizinische Anwendung", erläutert Prof. Dr. Bernhard Fleckenstein,
    Leiter des Instituts für Klinische und Molekulare Virologie der Universität
    Erlangen-Nürnberg, und Mitglied des Paul Ehrlich-Stiftungsrates. "Denn durch
    die Synthese von bestimmten RNA-Doppelstrangketten kann man genau festlegen,
    welche Ziel-Boten-RNA zerstört werden soll."

    Therapeutisches Potenzial
    So gelang es internationalen Forscherteams beispielsweise, durch
    Einschleusung definierter siRNA-Moleküle in Kulturen menschlicher Zellen die
    Ausbreitung von Viren, darunter der Erreger von Aids, Kinderlähmung und
    Hepatitis C, zumindest zeitweise zu unterbinden, indem sie die Produktion
    viraler Proteine hemmten, die für die Vermehrung der Krankheitserreger
    unentbehrlich sind. Doch noch ist der Weg bis zur therapeutischen Anwendung
    der RNA-Interferenz beim Menschen weit. Denn während sich der hemmende
    Effekt der siRNAs beim Fadenwurm Caenorhabditis elegans und bei Pflanzen
    über den gesamten Organismus ausbreitet, ist dieser bei Säugern und damit
    auch beim Menschen lokal begrenzt. Wie sich siRNA gezielt an den Wirkort
    bringen lassen, ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung.

    Die Paul Ehrlich-Stiftung
    Die Paul Ehrlich-Stiftung ist eine rechtlich unselbstständige Stiftung der
    Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang
    Goethe-Universität Frankfurt am Main e.V. Ehrenpräsident der 1929 von Hedwig
    Ehrlich eingerichteten Stiftung ist der Bundespräsident, der auch die
    gewählten Mitglieder des Stiftungsrates und des Kuratoriums beruft. Der
    Vorsitzende der Vereinigung von Freunden und Förderern ist gleichzeitig
    Vorsitzender des Stiftungsrates der Paul Ehrlich-Stiftung. Dieses Gremium,
    dem 14 national und international renommierte Wissenschaftler aus fünf
    Ländern angehören, entscheidet über die Auswahl der Preisträger. Der
    Präsident der Johann Wolfgang Goethe-Universität ist qua Amt Mitglied des
    Kuratoriums der Paul Ehrlich-Stiftung. Finanziert wird der Preis je zur
    Hälfte durch zweckgebundene Spenden von Unternehmen und dem
    Bundesgesundheitsministerium.

    Weitere Hintergrundtexte zur Entdeckung der RNA-Interferenz durch die beiden
    Preisträger, Lebensläufe, ausgewählte Publikationen, Publikationsliste und
    Bilder der Preisträger erhalten Sie in der Pressestelle der Paul
    Ehrlich-Stiftung (c/o Dr. Monika Mölders, Telefon: 06238/982783 oder
    069/798-23266, Telefax: 06238/982784, E-Mail:
    Paul-Ehrlich-Stiftung@pvw.uni-frankfurt.de).


    Weitere Informationen:

    http://genome-www.stanford.edu/group/fire http://www.hhmi.org/research/investigators/mello.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Personalia
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).