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Ob man den Duft einer Blume riecht, frisches Brot oder die Abgase eines
vorbeifahrenden LKWs, der Geruchssinn des Menschen ist ein eindrucksvolles
Navigationssystem, das zwischen Millionen unterschiedlicher Gerueche
unterscheidet. Nun haben Wissenschaftler des Weizmann Institutes eines der
Geheimnisse dieser eindrucksvollen Faehigkeit gelueftet.
Um eine Reaktion des olfaktorischen Organs zu erhalten, muessen Molekuele
einer bestimmten Substanz in die Nase eindringen. Dort treffen sie auf
olfaktorische Rezeptoren - spezialisierte Proteine, die aus der Oberflaeche der
Nervenzellen an den Innenwaenden der Nase herausragen. Wenn ein
Geruchsmolekuel auf einem Rezeptor landet, sendet die Nervenzelle ein
elektrisches Signal ans Gehirn, wo die Information zur Identifikation des
Geruches weiterverarbeitet wird.
Theoretisch koennte man sich vorstellen, dass es fuer jedes Geruchsmolekuel
eine bestimmte Rezeptorart gibt, die durch spezifische Gene bestimmt wird.
Wenn es jedoch nur rund 10.000 unterschiedliche Gerueche gaebe, wuerde
nach dieser Theorie der Geruchssinn des Menschen rund ein Zehntel des
genetischen Codes in Anspruch nehmen, denn dieser besteht aus rund 100.000
Genen. Es liegt auf der Hand, dass dies unmoeglich ist. Wenn aber andererseits
nicht fuer jeden Geruch ein eindeutiger, einmaliger Rezeptor existiert - wie
bringt unsere Nase dann Sinn in die grosse Vielfalt der Aromen?
Vor einigen Jahren legte Prof. Doron Lancet von der Abteilung
Molekulargenetik des Weizmann Institutes die Theorie vor, nach der die
olfaktorischen Rezeptoren "Generalisten" sind und die Faehigkeit zur Bindung
verschiedener Geruchsmolekuele besitzen. Umgekehrt kann sich jedes
Geruchsmolekuel mit einer Reihe potentieller Rezeptoren verbinden. Die
Intensitaet der Bindungen variiert je nach Passungsgrad. Ein Geruchsmolekuel
kann sich demnach an Rezeptor A mit grosser Intensitaet binden, waehrend die
Verbindung mit Rezeptor B nur mittelstark ist, usw. Das Muster der
unterschiedlichen Bindungen ergibt einen einmaligen "Fingerabdruck", den das
Gehirn als einen bestimmten Geruch versteht. Der Signalmechanismus, den die
unterschiedlichen Rezeptoren verwenden, ist derselbe, und das Gehirn
unterscheidet die Signale dadurch, dass es weiss, von welchen Nervenzellen sie
stammen.
Das Modell entstand, nachdem Lancet zu der Meinung gekommen war, dass
der Riechsinn aehnlich wie das Immunsystem funktionieren koennte, welches
ebenfalls eine riesige Anzahl verschiedener Fremdmolekuele erkennen muss.
Zu diesem Zweck produziert das Immunsystem eine grosse Anzahl von
Antikoerpern, die verschiedene Eindringlinge dingfest machen koennen.
Nun haben der Graduierte Yitzhak Pilpel und Lancet in einer neuen Studie, die
in der Mai-Ausgabe der Zeitschrift Protein Science veroeffentlicht wurde,
nachweisen koennen, wie das "generalistische Modell" auf struktureller Ebene
funktionert. Sie haben ausserdem gezeigt, dass die Aehnlichkeit zwischen
Rezeptoren des Geruchssinns und Antikoerpern weitreichender ist, als Lancet
urspruenglich annahm.
Durch die Analyse der DNA-Sequenzen von 200 Geruchsrezeptoren - aus
einer geschaetzten Gesamtzahl von 500-1000 - gelang den Wissenschaftlern die
Uebertragung der dreidimensionalen Struktur der Rezeptoren in ein Modell.
Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass alle Geruchsrezeptoren - die jeweils aus
etwa 300 Aminosaeuren bestehen - eine aehnliche Struktur aufweisen: Sie
enthalten grosse, rahmenartige Regionen, die allen Mitgliedern dieser grossen
Familie von Geruchsdetektoren gemeinsam sind. Nur eine kleine, gut
abgegrenzte Region mit etwa 20 Aminosaeuren weicht jeweils stark von
anderen Rezeptoren ab. Dies ist die Stelle, an der ein Geruchsmolekuel genau
wie ein Schluessel ins Schloss passt.
Die Ergebnisse verdeutlichen das Wunder des Geruchssinnes in all seiner
Einfachheit. Die schluessellochgrosse Region ist variabel, um einer riesigen
Anzahl neuer Gerueche zu entsprechen, waehrend die Rahmenstruktur des
Rezeptors relativ unveraendert bleibt. Dieses Strukturmodell hat viel
Aehnlichkeit mit dem, was man schon seit langem ueber
Antikoerper-Molekuele weiss. Auch sie enthalten eine kleine, hoechst
individuell ausgepraegte Region zur Erkennung der unendlich grossen Armee
fremder Eindringlinge. Pilpel und Lancet sind der Auffassung, dass sie das
langgesuchte Aequivalent der "hypervariablen" Region der Antikoerper bei den
Rezeptoren fuer Geruchsmolekuele gefunden haben.
Wenn das Modell des Institutes fuer Geruchsrezeptoren durch weitere Studien
untermauert wird, koennte es sich bei der Entwicklung neuer Aromen und
Gemschmacksmolekuele als nuetzlich erweisen, vielleicht auch bei der
Entwicklung kuenstlicher Geruchssensoren.
Prof. Lancet, der Inhaber des Ralph-und-Lois-Silver-Lehrstuhls fuer
Neurogenomik, koordiniert die Forschung an Genen des Geruchssinns am
internationalen Humangenomprojekt und ist Leiter des
Crown-Humangenomzentrums am Weizmann Institut. Lancet ist ausserdem
Leiter des nationalen Labors fuer Genom-Infrastruktur, das vom Israelischen
Wissenschaftsministerium gefoerdert wird.
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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