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23.08.1999 15:11

Vermögensverteilung in der Bundesrepublik Deutschland

Gertraud Pickel Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    "Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wird immer tiefer" - derartige Behauptungen scheinen auf Anhieb so plausibel, daß sie kaum einer Überprüfung bedürfen. Ein anderes Bild aber, als es sich aufgrund oberflächlicher Eindrücke einstellt, zeichnet eine Studie an der Wirtschafts- und Sozialwirtschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen-Nürnberg: seit der Nachkriegszeit hat sich demnach in der Bundesrepublik an der Verteilung des Gesamtvermögens auf die Haushalte relativ wenig verändert. In seiner Dissertation am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft von Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske konnte Dr. Alexander Ring anhand der verfügbaren statistischen Daten keine Anzeichen einer zunehmenden Polarisierung ausmachen. Andererseits spricht nur wenig dafür, daß sich die Vermögensverhältnisse der Bundesbürger, auf lange Frist gesehen, einander deutlich angleichen.

    Das Produktivvermögen ist, wie die Untersuchung ergab, nach wie vor stark konzentriert. Auch Haus- und Grundbesitz sind heute nicht viel breiter gestreut als vor 50 Jahren. Soll das Vermögen gleichmäßiger verteilt werden, führt wohl kein Weg an Modellen vorbei, die weite Bevölkerungskreise am Produktivkapital beteiligen; das zur "Umverteilung" eingesetzte staatliche Instrumentarium hat sich bisher nicht als griffig erwiesen.

    Von einem Konzentrationsprozeß, wie er in einigen wichtigen Industrieländern
    - vor allem Großbritannien und den Vereinigten Staaten - festzustellen ist, kann in Deutschland jedoch nicht in diesem Maße die Rede sein. Differenzierte Betrachtungen zeigen zudem einige leicht gegenläufige Tendenzen. Wenn Beamte, Arbeiter und Angestellte auch mit den Selbständigen keineswegs gleichziehen konnten, verbesserte sich doch über den gesamten Zeitraum hinweg ihre relative Position. Am Geldvermögen haben zunehmend mehr Bevölkerungskreise Anteil; vor allem bei Spar- und Bausparguthaben läßt sich dies beobachten. Ferner ist beim Geldvermögen durchgehend ein Trend hin zu einer höherverzinslichen Anlage der Vermögenswerte nachweisbar. Umschichtungen bei der Verteilung spiegeln auch den Wandel der Wirtschaftsstruktur wider: so hat das land- und forstwirtschaftliche Vermögen in seiner Bedeutung stark abgenommen.

    Gute Zeiten für Erben

    Anhand der verfügbaren Daten ließ sich ein Bild vom durchschnittlichen Verlauf eines Lebenszyklus zusammensetzen: Mit dem Alter wächst das Vermögen zunächst an, zum Ende des Lebens hin setzt dann ein Rückgang ein. Dies spricht dafür, wie stark die Situation der Haushalte vom aktuellen Einkommen abhängig ist. Nicht zu unterschätzen ist die konzentrationsfördernde Wirkung, die von Erbschaften ausgeht. Bereits in der Vergangenheit ist ihr Gewicht gewachsen; in der Zukunft wartet nochmals ein hohes Vermögensvolumen auf die Erben.

    Um die Angemessenheit staatlicher Eingriffe beurteilen zu können, mußte zuvor eingegrenzt werden, was zur Vermögenspolitik gezählt werden soll und was diese Politik erreichen will. In der Studie wurden vermögensbildende Maßnahmen, Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuer sowie Privatisierungen berücksichtigt. Als präzise gefaßtes Ziel solcher Maßnahmen galt eine gleichmäßigere Verteilung des Vermögens auf Haushaltsebene.

    Unter dieser Vorgabe bestand das gesamte staatliche Instrumentarium die Effektivitätsprüfung nicht. Weder die Höhe noch die Ausgestaltung der Maßnahmen lassen nennenswerte Auswirkungen zu. Vor allem verhindern die unterschiedlichen steuerlichen Bewertungen verschiedener Vermögensarten einen zielgerichteten Einsatz der Instrumente. Die Besteuerung verursacht außerdem hohe Erhebungs- und Folgekosten. Privatisierungen staatlicher Beteiligungen könnten grundsätzlich effektiver sein, bieten jedoch rein quantitativ - eingeschränkt durch Zahl- und Finanz- volumen der Staatsbetriebe, die dafür in Frage kommen - ein begrenztes Reservoir; zudem sind Zielkonflikte in diesem Politikbereich nicht auszuschließen. Nur eine Verteilungspolitik, die die engen Wechselbeziehungen zwischen Einkommen und Vermögen berücksichtigt, könnte die Ziele einer breiteren Vermögensstreuung tatsächlich erreichen.

    Unbefriedigende Datenlage

    Die Ergebnisse der Studie müssen vor dem Hintergrund gesehen werden, daß Angaben zur tatsächlichen Verteilung des Vermögens in den letzten fünfzig Jahren aus den vorliegenden Quellen nur indirekt erschlossen werden konnten. Die volkswirtschaftlichen Analysen basieren auf Daten, die nicht speziell zu dem Zweck erhoben wurden, die Vermögensverteilung in bundesdeutschen Haushalten zu dokumentieren. Zur Verfügung standen amtliche Statistiken - Einkommens- und Verbrauchsstichproben des Statistischen Bundesamts, Vermögenssteuerstatistiken über einen Teil des Untersuchungszeitraums - und der Vermögensbilanzbogen des Sozio-ökonomischen Panels, das, von Wirtschaftswissenschaftlern für die Bundesrepublik konzipiert, auch Längsschnittdaten enthält. Da diese Grundlagen für eine Analyse der Entwicklung über viele Jahre hinweg nicht ausreichte, mußten zusätzlich bestehende Studien zur personellen Vermögensverteilung herangezogen werden. Nicht zum erstenmal in der volkswirtschaftlichen Forschung erwies sich damit, wie wünschenswert ausführlicheres, exakteres und differenzierteres statistisches Material für die wirtschaftswissenschaftliche Arbeit in Deutschland wäre.

    * Kontakt:
    Prof. Dr. Karl-Dieter Grüske
    Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Finanzwissenschaft
    Lange Gasse 20, 91403 Nürnberg
    Tel.: 09131/53 02 -200, Fax: 09131/53 02 -396
    E-mail: wsv201@wsrz2.wiso.uni-erlangen.de

    Dr. Alexander Ring
    Hansjakobstraße 109 a, 81825 München
    Tel.: 089/43 10 89 46


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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