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08.12.2005 14:42

Schweigegebot in Frauenklöstern inspirierte zu musikalischen Leistungen

Ulrike Jaspers Public Relations und Kommunikation
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main)

    Cornelia Goethe Preis geht an Privatdozentin Dr. Linda Maria Koldau: "Frauen in der deutschen Musikkultur der Frühen Neuzeit"

    FRANKFURT. Der Cornelia Goethe Preis geht in diesem Jahr an die Musikwissenschaftlerin Privatdozentin Dr. Linda Maria Koldau. Die mit 2000 Euro dotierte Auszeichnung wird alljährlich am Geburtstag von Johann Wolfgang Goethes Schwester vom Cornelia Goethe Centrum an der Universität Frankfurt verliehen und von Frankfurter Unternehmen finanziert. Die Musikhistorikerin, die sich in Mainz, Bonn und Frankfurt qualifizierte, in Venedig und den USA forschte und jetzt am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Frankfurt als Privatdozentin und wissenschaftliche Assistentin lehrt, hat in ihrer Habilitationsschrift spannende Beweise geliefert, dass Frauen auch in der Musikszene des 15. bis 18. Jahrhunderts sehr präsent waren und Musik nicht - wie bisher angenommen - nur reine Männersache war.

    Anders als üblich, hat Koldau die Musikgeschichte nicht nach Komponistinnen durchforscht, was auch in der Epoche der Frühen Neuzeit kaum zu befriedigenden Ergebnissen geführt hätte, da ein kompositorische Ausbildung Frauen versagt war. Die 34jährige Wissenschaftlerin, die auch eine Gesangsausbildung absolviert hat, wagte es, die gewohnten Pfade der Quellenerschließung zu verlassen und breit anlegte kulturgeschichtliche Studien zu betreiben, das wurde mit unerwarteten Erkenntnissen belohnt: Durch akribische Archivrecherchen hat sie an historischen Orten wie Fürstenhöfen, Reichsstädten und Frauenklöstern gesucht und stieß dabei auf äußerst vielfältige Formen, wie Frauen sich musikalisch betätigten. Frauen waren keine passiven Rezipientinnen, vielmehr griffen sie tatkräftig in den Kulturbetrieb ihrer Zeit ein. Adelsdamen ermöglichten einen musikalischen Austausch, der Regionen und Länder überspannte, Bürgerfrauen stellten als religiöse Erzieherinnen die Weichen für die konfessionelle Verankerung der nächsten Generationen, Ordensfrauen brachten das Musikleben in ihren Klöstern auf ein Niveau, das professionellen männlichen Kapellen um nichts nachstand.

    Ob es in Nachahmung des berühmten Ferrareser Ensembles am Hof zu Innsbruck ein eigenes "concerto delle dame" gab, ist noch nicht hinreichend belegt. Wohl aber stieß Linda Koldau auf Fürstenfrauen und -töchter, von Anna von Österreich, über Maria von Bayern bis zu den de' Medicis , die sich als Mäzenatinnen, Initiatorinnen von Musikkapellen, aber auch als aktive Musikerinnen auftraten. Auch bürgerliche Frauen, das Zielpublikum von Gesangbüchern und Musiklehrern, waren sehr vielfältig aktiv: Sie schrieben selbst Lieder, sangen diese, waren im Musikgewerbe tätig und fanden sich als festangestellte Musikerinnen an kaiserlichen und anderen Höfen.

    Die Musik in Frauenklöstern ist bislang kaum Forschungsgegenstand gewesen. Linda Koldau hat sich die einzelnen Orden über eine Vielzahl von Archiven erschlossen und fand auch hier erstaunliche Belege. So stieß sie auf ein fast paradoxes Phänomen: Die verschärften Klausurregelungen des 17. Jahrhunderts brachten die Frauen nicht zum Schweigen, sondern in inspirierten sie zu musikalischen Leistungen. Komponistinnen legten Werke vor, Orchester entstanden, dirigiert von Kapellmeisterinnen.

    Aus der anfangs dürftigen Sammlung vereinzelter, kontextloser Hinweise auf das musikalische Engagement von Frauen entstand die umfangreiche Habilitationsschrift, die Koldau unter dem Titel "Frauen in der deutschen Musikkultur der frühen Neuzeit" vorlegte und sich als wahre Fundgrube erweist. "Damit" - so ein Gutachten - "ist eine Darstellung gelungen, von der mit größter Sicherheit behauptet werden kann, dass sie als musikgeschichtliches Standardwerk gelten wird".

    Anlässlich der Preisverleihung veranstaltet das Cornelia Goethe Centrum einen Salon-Abend, der an eine historische Form des kulturellen Austauschs erinnert. Im 18. und 19. Jahrhundert boten literarische Salons Schriftstellerinnen und Schriftstellern, Musikerinnen und Musikern ein Forum für ihre Kunst und zur Bildung ihrer Netzwerke. Spannende Unterhaltung versprechen in dieser Tradition musikalische Einlagen der erfolgreichen Nachwuchs-Pianistin Nami Ejiri, Lesungen der Schriftstellerin Angela Krauß und nicht zuletzt Gespräche mit Freundinnen, Freunden und Förderern des Cornelia Goethe Centrums für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse. Mit dem Cornelia Goethe Preis, der zum fünften Mal verliehen wird, werden hervorragende wissenschaftliche Leistungen auf dem Gebiet der Frauen- und Geschlechterforschung ausgezeichnet.

    Nähere Information: Prof. Dr. Brita Rang, stellvertretende geschäftsführende Direktorin des Cornelia Goethe Centrums für Frauenstudien und die Erforschung der Geschlechterverhältnisse an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Telefon 069/798-23930,
    E-Mail: Rang@em.uni-frankfurt.de
    Privatdozentin Dr. Linda Maria Koldau, Institut für Musikwissenschaft, Fachbereich Sprach- und Kulturwissenschaften, Telefon 069/798-22202 oder mobil 0178-5333034, E-Mail: L.Koldau@kunst.uni-frankfurt.de

    Herausgeber: Der Präsident
    Redaktion: Ulrike Jaspers
    Referentin für Wissenschafts-kommunikation
    Abt. Marketing und Kommunikation
    Telefon (069) 798 - 2 32 66
    Telefax (069) 798 - 2 85 30
    jaspers@ltg.uni-frankfurt.de
    Senckenberganlage 31
    60325 Frankfurt am Main

    Cornelia Goethe Preis
    Verleihung

    WANN?
    7. Dezember 2005 (Mittwoch)
    um 19 Uhr

    WO?
    Gästehaus der Universität
    Frauenlobstraße 1

    Anfahrtsbeschreibung
    www.uni-frankfurt.de/international/
    lecturers/haeuser/
    howtogetthere.html


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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