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24.01.2006 10:19

'Entlassungsproduktivität' ist Unwort des Jahres 2005

Dr. Ralf Breyer Public Relations und Kommunikation
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main)

    'Ehrenmord', 'Bombenholocaust' und 'Langlebigkeitsrisiko' folgen auf den Plätzen / Unwort des Jahres zum 15. Mal gewählt

    FRANKFURT. 'Unwort des Jahres 2005' ist der betriebswirtschaftliche Begriff 'Entlassungsproduktivität'.

    Dieses Wort bezeichnet eine gleichbleibende, wenn nicht gar gesteigerte Arbeits-und Produktionsleistung, nachdem zuvor zahlreiche für "überflüssig" gehaltene Mitarbeiter entlassen wurden. Es verschleiert damit die meist übermäßige Mehrbelastung derjenigen, die ihren Arbeitsplatz noch behalten konnten, was oft auch mit dem eben-falls beschönigenden Wort von der 'Arbeitsverdichtung' umschrieben wird. Aber auch die volkswirtschaftlich schädlichen Folgen der personellen Einsparung, die Finanzierung der Arbeitslosigkeit, werden mit diesem Terminus schamhaft verschwiegen.

    An zweiter Stelle platzierte die Unwort-Jury die sprachlich paradoxe Formulierung 'Ehrenmord'. Sie rügte, dass mit diesem Begriff die Ermordung von zumeist weibli-chen Familienmitgliedern mit Berufung auf eine archaische, in unserem Kulturkreis absolut inakzeptable "Familienehre" relativiert werden kann. Deutschsprachige Medien, so die Jury, sollten ihre Distanz zu diesem weltweit leider nicht seltenen Verbrechen auch sprachlich zum Ausdruck bringen.

    Den Begriff 'Bombenholocaust' setzte die Jury auf den dritten Rang und kritisierte einen weiteren Höhepunkt der Leugnung, zumindest aber der Verniedlichung des NS-Völkermords durch dieses Wort, mit dem die NPD im sächsischen Landtag im Januar 2005 die Zerstörung Dresdens umschreiben zu müssen glaubte. Das Kriegsverbrechen, das 1945 in Dresden begangen wurde, war schlimm genug, ist aber nach Ansicht der Jury keinesfalls auf die gleiche Ebene mit der millionenfachen systematischen Ermordung der Juden zu heben.

    Auf die vierte Position setzte die Jury den mehr als unsensiblen Fachterminus 'Langlebigkeitsrisiko', der im privaten Versicherungswesen gebräuchlich ist. Er konterkariert zwar 'kongenial' den Versicherungsterminus 'Todesfallbonus', scheint sich aber im beobachteten außerfachlichen Gebrauch zur (noch) ironischen Kommentierung der aktuellen Altersstruktur der Deutschen zu eignen.

    Zeitgleich mit der Bekanntgabe des 'Unworts des Jahres' gibt die Börse Düsseldorf das 'Börsen-Unwort 2005' bekannt: die Charakterisierung ausländischer Investoren als 'Heuschrecken' aufgrund ihres Geschäftsgebarens.

    An der Wahl zum 'Unwort des Jahres 2005' hatten sich 1.891 Einsenderinnen und Einsender aus Deutschland, Westeuropa und Übersee mit 1.073 verschiedenen Vorschlägen beteiligt.

    Der Jury für das 'Unwort des Jahres 2005' gehörten die vier ständigen Mitglieder Prof. Margot Heinemann (Görlitz-Zittau), Prof. Rudolf Hoberg (Wiesbaden), Prof. Nina Janich (Darmstadt) und der Sprecher der Jury, Prof. Horst Dieter Schlosser (Frankfurt) an. Als Vertreter der Sprachpraxis war diesmal der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Prof. Klaus Reichert (Darmstadt/Frankfurt), Mitglied der Jury.

    Kontakt: Prof. Horst Dieter Schlosser, Fachbereich Neuere Philologien, Telefon 069/798-32673 oder -33106, Fax: 069/798-32675; E-Mail: schlosser@lingua.uni-frankfurt.de


    Weitere Informationen:

    http://www.unwortdesjahres.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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