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30.01.2006 16:25

Wie Leipziger Journalistikprofessor die "Frankfurter Rundschau" retten will

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Prof. Dr. Michael Haller vom Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft der Universität Leipzig macht hier erarbeitete Forschungskonzepte in einem Praxisprojekt für die in ihrer Existenz bedrohte "Frankfurter Rundschau" (FR) nutzbar. "Wir betreiben eine eingreifende Prozessforschung. Und das ist für die Medienwissenschaften in Deutschland etwas Neues. Das gibt es meines Wissens bis jetzt nur in den USA", sagt Haller. Mit Hilfe des an Hallers Institut für Praktische Journalismusforschung (IPJ) entwickelten und von der Fachwelt geschätzten Benchmark-Ansatzes will er zur Qualitätsoptimierung des Blattes beitragen und die FR in sicheres Fahrwasser bringen.

    "Die FR ist eine wichtige Zeitung für die politische Kultur dieser Republik, aber der Auflagenschwund der letzten Jahre ist gravierend", sagt Haller, "und das liegt zum Teil auch am Angebot". Im vergangenen Jahr war die Auflage unter 170 000 gerutscht; fünf Jahre zuvor wurden noch über 210 000 gemeldet.

    Seit dem Wintersemester 2005/2006 verbringt Haller nur noch die Hälfte seiner Arbeitszeit in Leipzig und hat in der Redaktion der "Frankfurter Rundschau" ein Büro bezogen. In Leipzig wird er vertreten von Recherche-Profi Dr. Manfred Redelfs, Hochschuldozent und Leiter der Recherche-Abteilung bei Greenpeace Deutschland in Hamburg.

    Der Auftrag aus Frankfurt ist für Haller eine logische Fortsetzung seines Benchmarking-Programms, mit dem er inzwischen zahlreiche Tageszeitungen in Deutschland auf Stärken und Schwächen analysiert und daraus Konzepte für das Qualitätsmanagement abgeleitet hat. Aufgrund seiner Befunde, die auch eine aufwändige Nutzungsanalyse und diagnostische Ansätze beinhaltete, gab ihm die SPD-Holding DDVG als Eigentümerin den Auftrag, mit einer wissenschaftlichen Begleitforschung den Sanierungsprozess mitzutragen.

    Nach ersten Wochen in der Mainmetropole sagt er: "Die FR repräsentiert noch einen Zeitungstyp, wie er bis in die 1980er Jahre erfolgreich war. Nun muss die Zeitung ein publizistisches Funktionsverständnis gewinnen, das den Anforderungen des 21. Jahrhunderts entspricht." Bereits werden Zeitungsteile, die bei den Lesern zu wenig Anklang finden, eingestellt. Und an deren Stelle neue entwickelt.

    Das noch in vielen Verlagshäusern bestehende Ressortdenken - also die weitgehende Trennung von Politik, Wirtschaft, Kultur, Vermischtem, Sport und Lokalem - wurde aufgebrochen. An einem so genannten Newsdesk sitzen Vertreter mehrerer Ressorts in einer Art ständiger Redaktionskonferenz und bearbeiten die aktuellen Themen des Tages. Haller: "Das hat auch Konsequenzen für das Redaktionsmanagement und Qualitätscontrolling"

    Die von Haller praktizierte Eingriffsforschung erlaubt es, die Veränderungen am Produkt zeitnah im Lesermarkt zu messen. So könne nachgesteuert und feinjustiert werden. Anders als andere Redaktionsberater will Haller eine Stärkung der journalistischen Kernkompetenz. Dabei verfolgt er einen ganzheitlichen Ansatz und möchte den Graben zwischen Redaktion und Verlag überwinden helfen. "Die konstruktive Kooperation zwischen redaktioneller und verlegerischer Seite ist eine entscheidende Größe. Journalisten müssen auch beim redaktionellen Marketing mitdenken und entscheiden. Umgekehrt können journalistisch relevante Themen auch vom Verlag angestoßen werden, zum Beispiel die Themen Gesundheit, Bildung und Ausbildung", sagt Haller. Dabei gehe es keineswegs um versteckte Public Relations, sondern um ein Nebeneinander unterschiedlicher Produkte.

    Auch die Universität Leipzig und die Studenten der Abteilung Journalistik profitieren davon dank eines breit angelegten Forschungsprogramms. Fünf als Hilfskräfte im Wintersemester beschäftigte Studenten untersuchen derzeit den Zusammenhang zwischen soziodemografischen und soziokulturellen Variablen und der Nutzung der Tageszeitung. Anknüpfungspunkt ist die Analyse der Gründe für Ab- und Neubestellungen des Abonnements. Immerhin ist die FR in Frankfurt noch immer mit Abstand die Erstzeitung. Neben der Reputation für Leipzig ergeben sich auch Ideen für Diplom- und Abschlussarbeiten sowie Anregungen für die Lehre.

    Die Frankfurter Rundschau gilt als linksliberale Zeitung mit überregionaler Ausrichtung und wurde 1945 als eine der ersten Zeitungen der Lizenzpresse gegründet. Die Medienkrise hatte die Zeitung an den Rand des finanziellen Ruins gebracht; von 2006 an sollen nach verlustreichen Jahren wieder schwarze Zahlen geschrieben werden.

    tob


    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Michael Haller
    Telefon: 0341 97-35750
    E-Mail: haller@uni-leipzig.de
    www.uni-leipzig.de/~journ


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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