Am 5. und 6. November 1999 findet im Großen Hörsaal der Frauenklinik (Östliche Stadtmauerstraße 11, 91054 Erlangen) unter dem Thema "Geburtshilfe im Wandel der Zeit" ein Symposium zum 125jährigen Jubiläum der Hebammenschule der Erlanger Universitäts-Frauenklinik statt. Die wissenschaftliche Leitung haben Prof. Dr. Renate Wittern-Sterzel, Leiterin des Institutes für Geschichte der Medizin, und Prof. Dr. Norbert Lang, Vorstand der Klinik für Frauenheilkunde mit Poliklini und Hebammenschule.
Die moderne Medizin hat die Kinder- und Müttersterblichkeit im Zusammenhang mit Schwangerschaft, Entbindung und Wochenbett auf ein Niveau abgesenkt, das noch vor wenigen Jahrzehnten als unerreichbar galt. Dennoch sieht sich die ärztliche Geburtshilfe in nicht unerheblichem Maß gesellschaftlicher Kritik ausgesetzt. Diese Kritik gilt nicht nur dem Aspekt der Intensiv-Überwachung normaler Geburten mit Hilfe der vielgescholtenen "Apparatemedizin". Beklagt werden zusätzlich Defizite beim Umgang mit individuellen Wünschen von Gebärenden und ihren Partnern. Daneben erscheint vielen auch das Bild ergänzungsbedürftig, das durch die arzt- und wissenschaftszentrierte Medizingeschichte von der Entwicklung der Geburtsmedizin im 18. und 19. Jahrhundert entworfen worden ist.
Die Diskussion über das "Ereignis Geburt" und seinen historischen Kontext findet gegenwärtig auf sehr unterschiedlichen Ebenen mit ebenso unterschiedlichen Ansatzpunkten statt. Viele werdende Eltern wünschen sich eine Entbindung, bei der vor allem die individuellen psychosozialen Bedürfnisse des Paares berücksichtigt werden. Mediziner fühlen sich dagegen zum größten Teil in erster Linie den modernen Sicherheitsstandards verpflichtet. Von seiten der Hebammen wird versucht, in der Betreuung von Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett Terrain zurückzugewinnen, das die Ärzte im Zuge der sogenannten "Medikalisierung" der Geburt besetzt haben und mit dem Hinweis auf die Erfolge der Geburtsmedizin nicht ohne weiteres wieder preisgeben wollen. Angestoßen durch den Feminismus beschäftigen sich seit den siebziger Jahren zunehmend auch Geisteswissenschaftler unter aktuellen und historischen Gesichtspunkten mit sozialen, kulturellen sowie psychischen Aspekten der Geburt.
Die wünschenswerte Diskussion zwischen den genannten Gruppen ist bisher meist indirekt geblieben. Sie vollzieht sich - von wenigen Ausnahmen abgesehen - in einem erstaunlichen Umfang fast ausschließlich über die Medien. Das Symposium zum 125-jährigen Jubiläum der Hebammenschule der Universitäts-Frauenklinik Erlangen soll dazu beitragen, diesen Mangel zu lindern. Im Ergebnis wird vielleicht ein wenig klarer, wo sich die Geburtshilfe weiter verändern kann, um den gewandelten Bedürfnissen werdender Eltern besser gerecht zu werden. Die erreichten Standards sollen dabei jedoch nicht aufs Spiel gesetzt werden. Vom Blick in die Vergangenheit aus der Perspektive der Geisteswissenschaften ist u. a. eine Vertiefung des Verständnisses für die psychosozialen Aspekte der Geburt zu erhoffen, von der Ärzte sicherlich profitieren können.
Das Programm
Freitag, 5. November 1999
10.00 Uhr: Renate Wittern-Sterzel/Norbert Lang
Eröffnung und Einführung
10.30 Uhr: Wolfgang Frobenius
"Nur eigenes Wirken [...] kann wahrhaft nützlich werden..."
Zur Entwicklung der wissenschaftlichen Geburtshilfe in Erlangen aus der Sicht der traditionellen Medizingeschichte
11.00 Uhr: Jürgen Schlumbohm
"Die Schwangeren sind der Lehranstalt halber da!"
Die Göttinger Universitäts-Entbindungsanstalt um 1800
11.30 Uhr: Hans-Christoph Seidel
Zur Medikalisierung der Geburt
Ärzte als Sieger und Hebammen als Verliererinnen der Professionalisierung?
15.00 Uhr: Marita Metz-Becker
Wo "die Doctoren [...] garstig mit den Weibsleuten umgingen..."
Das Marburger Accuchierhaus aus der Sicht der Frauen
15.30 Uhr: Eva Labouvie
Zwischen weiblicher und medikaler Kultur
Landhebammen in der Vormoderne
16.30 Uhr: Podiumsdiskussion
Moderation: Renate Wittern-Sterzel
Samstag, 6. November 1999
9.00 Uhr: Klaus Vetter
Schwangerschaftsvorsorge bei unbelasteter Anamnese
Was ist erforderlich? Worauf kann verzichtet werden?
9.30 Uhr: Ulrike Peitz-Zimmermann
Die Betreuung der normalen Schwangerschaft und Geburt
Ein Hebammen-Konzept zu partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit Ärzten
10.00 Uhr: Ernst Beinder
Der Notfall aus heiterem Himmel
Zur Häufigkeit, Vermeidung und Bewältigung unvorhersehbarer Komplikationen unter der Geburt
10.30 Uhr: Wolfgang Rascher
Das unauffällige Neugeborene unmittelbar nach der Geburt
Notwendige, ratsame und überflüssige Maßnahmen
11.30 Uhr: Brigitte Vierheller/Franziska Frauendorfer
Individuell, natürlich, sanft und absolut sicher?
Zu den Erwartungen werdender Eltern an die Geburtshilfe
12.00 Uhr: Verena Geissbühler
Auf dem Hocker, im Roma-Rad oder unter Wasser
Alternative Gebärformen aus ärztlicher Sicht
12.30 Uhr: KTM Schneider
Wieviel "Apparate-Medizin" muß sein?
Die aktuellen medizinischen Standards bei der Geburt
13.00 Uhr: Gabriele Fichthorn
Ist die "Familien-Abteilung" eine Lösung für die Zukunft?
Neue Ansätze zur Betreuung des Wochenbettes in der Klinik
13.30 Uhr: Abschlußdiskussion
Moderation: Norbert Lang
* Kontakt:
Kongreßsekretariat der Universitäts-Frauenklinik Erlangen
Universitätsstr. 21-23, 91054 Erlangen
Tel.: 09131/85 -36895, Fax: 09131/85 -36992
e-mail: congress@frauen.med.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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