Mit der Arbeit meist alleingelassen, unzureichend betreut und deshalb insgesamt unzufrieden: so werden Doktoranden gelegentlich in den Medien beschrieben. Untersuchungen von Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm am Lehrstuhl für Sozialpsychologie der Freidrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg können dieses Bild nicht stützen. Weibliche und männliche Nachwuchswissenschaftler, die an der FAU an ihrer Dissertation arbeiten, äußern sich im Gegenteil weitgehend positiv über den "Arbeitsplatz Universität". Vor allem den Handlungsspielraum, die wissenschaftliche Förderung am Arbeitsplatz und die Qualifizierungsmöglichkeiten wissen sie zu schätzen.
Dementsprechend hoch ist die Arbeitszufriedenheit derer, die nach Abschluß des Studiums die FAU nicht verlassen haben, sondern entweder auf einer Stelle oder mit einem Stipendium promovieren wollen. Ihr Interesse an der eigenen Tätigkeit ist sogar noch stärker ausgeprägt als das von akademischen Berufseinsteigern, die außerhalb der Universität einen ihrer Ausbildung angemessenen Arbeitsplatz gefunden haben. Weniger deutlich fällt die positive Einschätzung der Arbeitssituation aus, wenn sich dem Examen ein zweiter Ausbildungsabschnitt anschließt. Doch läßt sich für alle drei Gruppen sagen, daß sie mehr angenehme als unangenehme Gefühle mit der Arbeit verbinden und insgesamt zufrieden sind.
Berufslaufbahn und Psyche
Seit Ende 1994 fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft eine umfassende Längsschnittstudie zur beruflichen Laufbahnentwicklung von Akademikerinnen und Akademikern der Universität Erlangen-Nürnberg. Dabei geht es um den beruflichen Verbleib der Absolvierenden und insbesondere um die psychologischen Faktoren, die möglicherweise für die berufliche Laufbahn ausschlaggebend sind. Diese Untersuchung soll noch über einen längeren Zeitraum fortgeführt werden. Die Studie über Arbeitsplatzwahrnehmung, berufliche Zufriedenheit und die mit dem Beruf zusammenhängenden Werthaltungen von Doktoranden und Doktorandinnen greift eine Teilgruppe der Befragten heraus. Der wissenschaftliche Nachwuchs an der FAU wird hierbei mit denjenigen verglichen, die nach dem Examen entweder anderswo einen ausbildungsadäquaten Arbeitsplatz fanden oder den zweiten Teil ihrer Ausbildung zu absolvieren haben, wie es in den Fächern Medizin und Jura und bei der Entscheidung für das Lehramt der Fall ist.
Ausgewertet wurden Daten von knapp 2000 Befragten, die den Absolventenjahrgängen von 1994/95 und 1996 angehörten. Die Absolventinnen und Absolventen wurden unmittelbar nach ihrem Examen zu ihren beruflichen und privaten Lebensplanungen ausführlich befragt. Eineinhalb Jahre später bearbeiteten sie einen zweiten Fragebogen, bei dem Erfahrungen im Berufsleben, die Wahrnehmung der Arbeitsplatzbedingungen sowie weitere berufliche und private Ziele im Vordergrund standen. Die Verteilung nach Fachrichtungen und Geschlecht ist repräsentativ.
Rund 13 Prozent der Absolvierenden, die an der Studie teilnehmen, sind nach dem Examen an der Universität Erlangen-Nürnberg geblieben. Die Verteilung von Promovierenden auf die verschiedenen Fächer an der FAU entspricht in etwa dem bundesrepublikanischen Durchschnitt, mit einem hohen Anteil in Chemie, Physik und Biologie. Medizin und Jura konnten noch nicht in den Vergleich einbezogen werden, da Promotionen hier in der Regel erst nach dem zweiten Ausbildungsabschnitt möglich sind, den die Befragten noch nicht hinter sich haben. Der Frauenanteil von 28% unter den Nachwuchswissenschaftlern entspricht, fachspezifisch betrachtet, annähernd ihrem Anteil an den Absolvierenden. In 73% der Fälle haben die Promovierenden eine Stelle; 49% sind Vollzeitstellen.
Die soziale Unterstützung bei der Einarbeitung fanden alle Befragten gleichermaßen befriedigend. Andere Wahrnehmungen am Arbeitsplatz unterscheiden sich jedoch erheblich voneinander. Nachwuchswissenschaftler beurteilen sowohl die gegenwärtige soziale Unterstützung als auch ihren Handlungsspielraum und die Möglichkeiten zur Weiterbildung und Laufbahnentwicklung am positivsten und erleben am wenigsten negative Beziehungen am Arbeitsplatz, wobei ihre Antworten jeweils von denen der Personen im zweiten Ausbildungsabschnitt am stärksten abweichen. In ihrem positiven Urteil über die kollegiale Unterstützung und den Führungsstil der Vorgesetzten sind Nachwuchswissenschaftler und Berufseinsteiger außerhalb der Universität einander sehr ähnlich; ebenso darin, wie sie Belastung am Arbeitsplatz empfinden: relativ hoch, doch immer noch deutlich niedriger als diejenigen, deren Ausbildung noch andauert.
Emotionen wie "Selbstbestätigung", "Freude" und "Spaß" bei der Arbeit werden von allen Teilnehmern der Untersuchung häufiger genannt als beispielsweise "Resignation", "Enttäuschung", "Ärger" oder "Angst". Die Absolventinnen und Absolventen sind mit ihrer Arbeit generell recht zufrieden. Doch für die Nachwuchswissenschaftler fällt das Ergebnis insgesamt am positivsten aus; insbesondere erreicht ihr Interesse am Beruf einen signifikant höheren Wert als das der Berufseinsteiger.
Autonomie vor Prestige
Bei den Wertvorstellungen, die in der Arbeit verwirklicht werden sollen, gibt es Übereinstimmungen wie auch Differenzen zwischen den Mitgliedern der drei Gruppen. Diejenigen im zweiten Ausbildungsabschnitt sprechen sich am ehesten für eine Sicherung außerberuflicher Belange aus - sie legen mehr Wert auf einen sicheren Arbeitsplatz oder Arbeitsanforderungen, die gut mit familiären Bindungen vereinbar sind. Auch ist ihnen wichtig, Hilfe und Anleitung zu geben. Wer außerhalb der Universität in den Beruf eingestiegen ist, tendiert mehr zur Orientierung am Prestige. Bei den Nachwuchswissenschaftlern sind dagegen Leistungs- bzw. Innovationsorientiertheit und das Bedürfnis nach Autonomie am stärksten ausgeprägt. Alle Befragten halten gute Beziehungen mit Kollegen und Vorgesetzten für wesentlich.
Zwischen den Geschlechtern bestehen in all diesen Untersuchungsbereichen keinerlei Unterschiede. Generell läßt sich zwischen einigen Bereichen der Arbeitsplatzwahrnehmung und der Arbeitszufriedenheit ein Zusammenhang herstellen. Alle Befragten sind dann mit ihrer Arbeit besonders zufrieden, wenn sie Handlungsspielraum und Qualifizierungschancen für sich sehen, wenn Vorgesetzte mit Rückmeldungen und Anerkennung für Leistung nicht sparen und wenn nur wenige Kontakte am Arbeitsplatz als unangenehm empfunden werden.
Die Gruppe der Promovierenden an der Universität Erlangen-Nürnberg, der das besondere Augenmerk der Teilstudie galt, hat sich als ein Personenkreis mit hohem Interesse und Freude an der Arbeit erwiesen, der in seinen Aufgaben Anreize sucht und findet, stark autonomieorientiert ist und zum Fortschritt beitragen will. Der wissenschaftliche Nachwuchs an der FAU nimmt den Arbeitsplatz Universität in all seinen Facetten insgesamt sehr positiv wahr.
* Kontakt:
Prof. Dr. Andrea Abele-Brehm, Dipl.Psych. Mahena Stief, Lehrstuhl Sozialpsychologie
Bismarckstraße 6, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -22307, -26273, Fax: 09131/85 -22951
E-Mail: abele@phil.uni-erlangen.de, mastief@phil.uni-erlangen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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