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28.03.2006 13:15

Medizingeschichte wurde in Leipzig zur Wissenschaft

Dr. Bärbel Adams Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Am 1. April diesen Jahres ist das Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 100 Jahre alt. Das Institut war weltweit das erste Institut für Geschichte der Medizin. Am 31.3. 2006 wird es dazu eine wissenschaftliche Veranstaltung geben.

    Am 1. April diesen Jahres ist das Karl-Sudhoff-Institut für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften 100 Jahre alt, was mit einem Festakt gefeiert wird. Bedeutsam ist das Jubiläum vor allem deshalb, weil die Einrichtung weltweit das erste Institut für Geschichte der Medizin war. Von Leipzig ging die Institutionalisierung eines Faches aus, das heute an jeder medizinischen Fakultät Deutschlands selbstverständlich ist. Auch internationale Ausstrahlung hatte diese Gründung: Nach dem Vorbild des Leipziger Instituts wurde beispielsweise 1928 ähnliches an der Johns Hopkins Universität in Baltimore eingerichtet.

    Veranlasst wurde das Entstehen des Karl-Sudhoff-Instituts durch eine Stiftung: Die wohlhabende Witwe des Wiener Medizinhistorikers Theodor Puschmann, Marie Caroline Cäcilie Puschmann, hatte einen Großteil ihres Vermögens der Universität Leipzig vermacht. Nach einem längeren Rechtsstreit mit der Familie der Erblasserin fielen im Mai 1903 schließlich 500.000 Mark an die Universität, und zwar speziell zur "Förderung wissenschaftlicher Arbeiten auf dem Gebiete der Geschichte der Medizin". Da es sich um ein neues Fach handelte, gab es einiges universitätsinternes Hin und Her bezüglich der Frage, an welcher Fakultät die Medizingeschichte verankert werden sollte. Es dauerte deshalb über ein Jahr, bis vom akademischen Senat die relativ allgemein gehaltenen "Vorschriften für die Puschmann-Stiftung bei der Universität Leipzig" beschlossen wurden. Sie enthielten die salomonische Lösung, dass ein interdisziplinäres Kuratorium die Zinsen aus dem Stiftungskapital zweckgebunden verwalten sollte; das Kapital aber blieb unangetastet - ein Fehler, wie sich in den Inflationsjahren herausstellte.

    Der damalige Dekan der Medizinischen Fakultät, der Internist Heinrich Curschmann, nahm im Frühjahr 1905 Kontakt mit Karl Sudhoff auf, dem damals renommiertesten Medizinhistoriker. Zwar zögerte Sudhoff bei der Entscheidung, seine bisheriges Hobby zum Beruf zu machen, gab aber schließlich doch seine lukrative Praxis in Hochdahl bei Düsseldorf auf, um als relativ gering bezahlter Extraordinarius Gründungsdirektor des neuen Leipziger Instituts zu werden.

    Nach heutiger Terminologie handelte es sich um ein weitgehend privat finanziertes "An-Institut", dem die Universität nur die Räumlichkeiten zur Verfügung stellte. Sudhoff hatte so den Freiraum, nach seinen Interessen zu forschen und zu publizieren, was er auch intensiv tat. Von allen Direktoren kann Sudhoff mit Abstand auf das umfassendste Lebenswerk verweisen. Mit den Mitteln der Stiftung erwarb Karl Sudhoff (1853-1938) die ersten Exponate der Sammlung, die vor allem als Hilfsmittel für die Lehrtätigkeit angesehen wurden. Seine Nachfolger Henry Ernest Sigerist (1891-1957) und Walter von Brunn (1876-1952) erweiterten - oft mit eigenen finanziellen Mitteln - die Bestände.

    Die eigentliche Sammlung wird von den gegenständlichen Sachzeugen den letzten Jahrzehnten des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmt; teilweise sind sie aber bis in das 16. Jahrhundert zurückzudatieren. Dabei handelt es sich vor allem um ärztliche Instrumente und Geräte: chirurgische Bestecke, Amputations- und Trepanationsbestecke oder Gerätschaften zum Schröpfen und Aderlassen, Instrumente aus der Gynäkologie und Geburtshilfe, der Zahnmedizin, der Hals-Nasen-Ohrenheilkunde und der Augenheilkunde, elektrische Geräte zur Selbstbehandlung, Gegenstände aus der Geschichte der Labordiagnostik, Endoskope, Zystoskope? Sudhoff bemühte sich sogar um ärztliche Instrumente aus der römischen Kaiserzeit, die er in Form von Nachbildungen aus Museen in Neapel und Mainz erwarb.

    Ein außergewöhnlicher Bestandteil der rund 5000 Exemplare umfassenden Sammlung sind die Wachsvotive. Vermutlich sind die Figürchen aus dem 19. Jahrhundert durch die Reise eines Institutsdirektors in den süddeutschen Raum an die Universität gekommen. Einst legten Kranke die Figürchen auf den Altar, baten um Gesundheit oder dankten für die Heilung. In der Regel wurde das schmerzende Organ abgebildet. Wo eindeutig Organe zu erkennen sind, also beispielsweise das Augenpaar, das Bein, die Hoden, das Herz oder die Hand, ist der Bittende an diesen Körperteilen erkrankt. Das 'Lungel', also ein Stück aus Luftröhre und Lungenflügeln, steht stellvertretend für alle inneren Organe. Wickelkinder wurden besonders in Zeiten hoher Kindersterblichkeit auf den Altar gelegt, um das Ungeborene oder den Säugling zu schützen.

    Als Leihgaben an Museen oder als Sonderausstellung sind einige der Exponate der Sammlung des Karl-Sudhoff-Instituts auch zeitweise der Öffentlichkeit zugänglich. Am "Tag der Bibliothek", am 24.Oktober 2006 wird in der Universitätsbibliothek in Beethovenstraße eine Jubiläumsausstellung eröffnet werden.

    mhz


    weitere Informationen:
    Prof. Dr. Dr. Ortrun Riha
    Telefon: 0341 97-25600
    E-Mail: riha@medizin.uni-leipzig.de
    www.uni-leipzig.de/~ksi


    Bilder

    Ein Untersuchungsbesteck aus dem 19. Jahrhundert: Stethoskop, Plessimeter und Reflexhammer aus der MedizinhistorischenSammlung
    Ein Untersuchungsbesteck aus dem 19. Jahrhundert: Stethoskop, Plessimeter und Reflexhammer aus der M ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Organisatorisches, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Ein Untersuchungsbesteck aus dem 19. Jahrhundert: Stethoskop, Plessimeter und Reflexhammer aus der MedizinhistorischenSammlung


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