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30.03.2006 07:50

"Mehr Licht!" ins Dunkel der frühen Zellevolution

Rolf Willhardt Stabsstelle Presse und Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    Als Goethe starb, soll er gesagt haben: "Mehr Licht!". Ob als Bitte oder Beobachtung, bleibt ungeklärt. Heutige Evolutionsforscher sind auf der intensiven Suche nach "Mehr Licht!", wenn es darum geht, die graue Vergangenheit der Urzellen zu beleuchten. Als besonders schwierig gilt die Suche nach einer zutreffenden Beschreibung des evolutionären Übergangs von den Prokaryoten (den bakterienartigen Zellen) zu den Eukaryoten - den höherentwickelten Zellen, die stets einen Zellkern besitzen und zugleich die einzelligen Ur-Ur-Urahnen des Menschen sind. Neuigkeiten zum Thema berichtet jetzt der Evolutionsbiologe Prof. Dr. William Martin (Institut für Botanik III der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) gleich zweimal in der international angesehenen Fachzeitschrift "Nature" (2. März, S. 41- 45 und in der Ausgabe vom 30. März).

    Im ersten Beitrag beschreibt er zusammen mit Eugene Koonin vom amerikanischen National Institute of Health, wie eine Besonderheit der Genorganisation der Eukaryoten, die sog. Introns, den mechanistischen Antrieb zur Entstehung des Zellkerns geführt haben kann.
    Introns in eukaryotischen Genen kennt man seit rund 30 Jahren. Sie unterbrechen die Genstruktur und mŸssen auf dem Wege der Realisierung (Expression) der genetischen Information mühsam entfernt (herausgespleisst) werden.
    Die Vorstellung, dass Introns für die komplexe Zellkompartimentierung der Eukaryoten ursächlich waren, ist grundlegend neu, und läuft einem seit Jahrzehnten etablierten Dogma der Zellevolution scharf entgegen. Bisher herrschte eine nahezu unangefochtene Vorstellung in der Fachwelt, dass zuerst der Kern entstand, dann die Mitochondrien (die energieliefernden Kraftwerke eukaryotischer Zellen).
    Martins Theorie zufolge ist genau das Gegenteil der Fall: Zuerst die Mitochondrien, aus deren Genen die molekularen Vorfahren der Introns stammen, dann der Kern. Stellt dies
    die traditionelle Sicht der Zellevolution auf den Kopf? Martin sagt: "Ja."
    Um die Entstehung just jener Mitochondrien geht es in seinem zweiten Beitrag, der gemeinsam mit T. Martin Embley von der Universität Newcastle (UK) verfasst wurde. Die Mitochondrien sind vor mehr als einer Milliarde Jahre aus einer Symbiose hervorgegangen: Ein freilebendes Bakterium ist in eine Wirtszelle eingewandert. Aber was genau war diese Wirtszelle?
    Der bisherigen Lehrmeinung zufolge war sie ein primitiver Eukaryot. Wenn das so wäre, dann müsste es heute Zellen geben, die einen Kern aber keine Mitochondrien besitzen. Dies haben Biologen zwar lange geglaubt, aber zu unrecht, wie im neuen Beitrag erklärt wird. Bei den Zellen, wo man bislang das völlige Fehlen der Mitochondrien vermutet hat, sind jedoch welche vorhanden!
    Aber im Gegensatz zu den Mitochondrien des Menschen sind sie nicht an der Atmung beteiligt, sondern sie bilden Wasserstoff (die Hydrogenosomen) oder essentielle Eisen-Schwefel Cofaktoren (die Mitosomen). Die evolutionäre Signifikanz dieser besonderen Formen der Mitochondrien, die bei den anaeroben (Sauerstoff-meidenden) Eukaryoten vorkommmen, wurde lange von der Fachwelt bezweifelt. Martin ist der Ansicht, dass genau im anaeroben Stoffwechsel der Hydrogenosomen (und Mitosomen) der Schlüssel zur Entstehung der Eukaryoten und damit zur Entstehung der höheren Lebensformen liegt.
    Die neuen Arbeiten zeichnen ein ganz anderes Bild der frühen Zellevolution, als heute in den meisten Lehrbüchern zu finden ist.
    Sie messen dem Prinzip der Symbiose eine sehr viel wichtigere Rolle in der Entstehung der Eukaryoten zu, als man bisher angenommen hat. Da die menschliche Entwicklungslinie letztendlich auch bei der Entstehung der Eukaryoten anfängt, ist die Suche nach "Mehr Licht!" in der Zellevolution auch ein Versuch, unsere eigenen Wurzeln im Stammbaum des Lebens besser auszuleuchten. Dazu Martin: "Im Prinzip ja, solange man nicht darauf beharrt, alle Prozesse in der Evolution als Baum zu verstehen, weil man es bei der Symbiose nicht mit einer Verästelung, sondern mit einer Wiedervereinigung zu tun hat."
    Prof. Martin' Arbeiten werden von der DFG im Rahmen des bundesweit ersten Transregio-Sonderforschungsbereichs "Endosymbiose: Vom Prokaryoten zum eukaryotischen Organell" gefördert.

    Kontakt: Prof. Dr. William Martin , e-mail : w.martin@uni-duesseldorf.de , web: http://www.molevol.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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