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07.01.2000 09:13

Kinder als Stiefkinder in der Arzneimitteltherapie?

Klaus Walter Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

    Arzneimittelsicherheit bei Kindern muß europaweit verbessert werden

    Die Arzneimittelsicherheit bei der Behandlung von Kindern läßt europaweit noch immer zu wünschen übrig. Zwei Drittel der stationären Patienten in europäischen Kinderkliniken werden mit Arzneimitteln behandelt, für die es entweder keine Lizenz im Anwendungsland gibt oder für die die Form der Anwendung nicht arzneimittelrechtlich zugelassen ist. Das hat eine länderübergreifende Studie in den Kinderkliniken Derby (Großbritannien), Uppsala (Schweden), Marburg (Deutschland), Bergamo (Italien) und Rotterdam (Niederlande) ergeben, auf die das European Network for Drug Investigation in Children (ENDIC) aktuell hinweist. Die entsprechenden Daten finden sich in einem Beitrag der neuesten Ausgabe des angesehenen British Medical Journal vom 8. Januar 2000 (S. 79 - 82).

    Von der Anwendungsunsicherheit besonders betroffen sind schmerz- und fiebersenkende Mittel und Arzneimittel gegen Bronchialerkrankungen (z. B. Asthma). Aber auch die rektale Anwendung von häufig verordneten krampflösenden und beruhigenden Mitteln wie Lorazepam und Diazepam wird gerade bei jüngeren Kindern unter einem Jahr fast regelmäßig außerhalb der offiziellen Arzneimittelzulassung eingesetzt, um den Patienten akut helfen zu können. Neben nicht zugelassenen Darreichungsformen - wie z. B. dem Pulverisieren von Tabletten zum besseren Schlucken - und der Behandlung von Krankheiten, für die das betreffende Medikament nicht zugelassen wurde, ist die nicht geprüfte Dosierung der eingesetzten Arzneimittel die häufigste Abweichung bei der nicht arzneimittelrechtlich zugelassenen Anwendung.

    Nach den Worten von Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth, Direktor der Universitäts-Kinderklinik in Marburg und Vorsitzender der Kommission Arzneimittelsicherheit der Deutschen Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, ist es vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, daß in den Fällen, in denen nicht vorhersehbare Nebenwirkungen von Arzneimitteln festgestellt wurden, auch überproportional häufig eine Anwendung außerhalb der arzneimittelrechtlichen Zulassung vorlag. Ebenso bedeutsam ist laut Seyberth, der zu den Mitautoren des Beitrages im British Medical Journal zählt, die unwirksame Arzneimittelbehandlung, weil die auf das Alter und das Gewicht von Kindern abgestimmte richtige Dosis der betroffenen Arzneimittel nicht zuvor in einer Dosisfindungsstudie ermittelt wurde.

    Die Mitglieder des European Network of Drug Investigation in Children, durchweg ausgewiesene Kinderärzte und Arzneimittelspezia-listen, fordern daher, Kinder nicht weiter-hin unnötigen Risiken auszusetzen. Ihrer Überzeugung nach müssen in der Kinderheilkunde vermehrt kontrollierte Arzneimittelprüfungen durchgeführt werden. Es müßten dringend Wege gefunden werden, die solche Stu-dien bzw. Prüfungen an nicht einwilligungsfähigen Patienten europaweit ermöglichen. "Um die Arzneimittelsicherheit für Kinder entscheidend zu verbessern, sollte die von der ENDIC-Gruppe gestartete Initiative möglichst auf europäischer Ebene politische und finanzielle Unterstützung erfahren", betonte Professor Seyberth heute in Marburg. "Geschieht das nicht, dann müssen wir weiter damit leben, daß gerade Kinder, die nach der Contergan-Katastrophe in den sechziger Jahren besonders geschützt werden sollten, weiterhin die Stiefkinder in der Arzneimitteltherapie bleiben."

    Ansprechpartner für Nachfragen:

    Prof. Dr. Hannsjörg Seyberth
    Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Kinderheilkunde der Philipps-Universität Marburg
    Tel.: 06421-2866225
    Fax: 06421-2868956
    E-Mail: seyberth@mailer.uni-marburg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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