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31.01.2000 13:34

Mittelalterliche Farbfassung

Gabriele Rutzen Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    Mittelalterliche Farbfassung als Interpretation der Architektur?
    Köln-Preis an Anna Skriver

    Nach dem heutigen Wissensstand steht außer Frage, daß antike und mittelalterliche Bauwerke häufig eine Farbfassung hatten. Erst in späterer Zeit wurden diese Malereien zum großen Teil zerstört. Einerseits führten frühere Restaurie-rungen mit ungeeigneten Materialien zu ungewollter Beschädigung oder gar zur Zerstörung der Farben. Andererseits kam es aufgrund von romantischen Vorstellungen vom "Naturstein" auch zu bewußter Entfernung der ursprünglichen Farbgebung. Es ist heute also schwierig, Aussagen über den Zusammenhang zwischen der farbigen Gestaltung und der architektonischen Struktur mittelalterlicher Bauwerke zu machen.
    Zu einer übergreifenden Antwort auf diese Frage kommt Anna Skriver in Ihrer mit dem Köln-Preis ausgezeichneten Dissertation "Die Taufkapelle von St. Gereon in Köln", die sie am Kunsthisto-rischen Institut der Universität zu Köln unter der Betreuung von Professor Dr. Günther Binding ange-fertigt hat. Am Beispiel dieses Bauwerks läßt sich aufgrund des verhältnismäßig guten Erhaltungszustandes der Einfluß der Malerei auf die plastische Wirkung der Wand exemplarisch aufzeigen. Ange-sichts der reichen malerischen Ausstattung der Taufkapelle stellt sich auch die Frage, inwieweit die Malerei auf die Architektur Bezug nimmt. Auch wird untersucht, ob die Architektur mit einer Farbfassung rechnet und welche Rolle der Ausmalung bei der Planung eines staufischen Bauwerks zukommt.
    Um diese Fragen zu klären, führt die Autorin im ersten Teil der Arbeit eine intensive Analyse der Taufkapelle von St. Gereon durch. Im zweiten Teil folgt die vergleichende Untersuchung von drei Objekten, die etwa zur gleichen Zeit entstanden wie die Taufkapelle. Zunächst beschreibt die Autorin die wahrscheinlich um 1240 entstandene "Chronica Regia Coloniensis", deren Erhal-tungszustand und die formale Einbindung der Malereien in die Chronik. Es folgt eine Darstellung des kompositorischen und mal-technischen Aufbaus der Einzelbilder, die als Grundlage für einen Vergleich mit den Wandmalereien der Taufkapelle dient. Desweite-ren werden die Farbfassungen zweier Bauwerke zum Ver-gleich her-angezogen: die rheinischen Ausmalungssysteme der Markuskapelle in Altenberg und der Apsis der ehemaligen Stifts-kirche St. Margareta in Gerresheim.

    Die Untersuchung der drei Bauwerke ergibt, daß die Ausmalungs-systeme unmittelbar nach Fertigstellung der Baukörper entstanden sind. Die Farbfassungen nehmen direkten Bezug auf die architekto-nischen Gliederungen der Innenräume. Sie interpretieren und bereichern ihre bauliche Struktur. Dieser Zusammenhang zwischen Farbfassung und Architektur ist bei diesen Bauten bis heute ent-weder garnicht gesehen oder in seiner Tragweite nicht erkannt worden. Erst eine Analyse, die Bauwerk und Farbfassung gleicher-maßen berücksichtigt, ermöglicht Aussagen über die Wechselwirkung zwischen diesen beiden Komponenten. So kann die Untersuchung in der Taufkapelle von St. Gereon eine vielfarbige, differenzierte Bemalung der Architekturglieder bezeugen.

    Die Auswertung der historischen Quellen ermöglicht die Datierung der etwa einjährigen Bauzeit der Kapelle in den Zeitraum von 1242 bis 1245. Unmittelbar nach der Vollendung des Baukörpers entstand die Innenraumbemalung. Zu dieser Schlußfolgerung führt der stili-stische Vergleich mit den Miniaturen der "Chronica Regia Coloniensis". Die Untersuchung des in Brüssel aufbewahrten Origi-nals erlaubt es, neben den drei Schreiberhänden nun auch zwei Illuminatorenhände zu unterscheiden. Aufgrund einer Vielzahl von Aspekten unterscheiden sich die Malereien der beiden Illuminato-ren, die - so belegt eine Unterbrechung des Textflusses - parallel zueinander an der Chronik gearbeitet haben. Eine zügige Entstehung der malerischen Ausgestaltung dieser Prachthandschrift ist daraus abzuleiten: Sie wurde wahrscheinlich bald nach 1238, dem letzten Texteintrag, fertiggestellt. Die durch eine Vielzahl von direkten Übereinstimmungen evidente Verwandtschaft der Minia-turen der Chronik mit den Wandmalereien der Taufkapelle von St. Gereon legt eine Werkstatt-Zusammengehörigkeit und eine annähernd gleichzeitige Ausführung nahe. Darüber hinaus liefert die Zusam-mengehörigkeit der beiden Malereien einen weiteren Hinweis auf die Entstehung der Handschrift in Köln.

    Die Einheit von figürlichem Programm und Dekoration der Tauf-kapelle spricht dafür, daß die gesamte Innenraumfassung in der ersten Hälfte der 40er Jahre des 13. Jahrhunderts entstanden ist. Da der Baubeginn nicht vor 1242 anzusetzen ist, läßt sich die Entstehung der Ausmalung somit auf den Zeitraum von 1243 bis 1245 eingrenzen. Die Datierung der Taufkapelle von St. Gereon läßt sich also von zwei Seiten her ermitteln: Der Baukörper kann an-hand historischer Quellen datiert werden, die Farbfassung mit den verwandten Miniaturen. Für das staufische Kunstzentrum Köln ist hiermit eine weitere Datierung gewonnen.

    Für die beiden zum Vergleich herangezogenen Innenraumfassungen ist so ein zeitlicher Anhaltspunkt gegeben, der allerdings noch keine genaue Datierung erlaubt. Dazu können jedoch außerstilisti-sche Hinweise herangezogen werden, die eine enge zeitliche Nähe der Entstehungszeit der Malereien nahelegen. Ein wichtiges Argu-ment für die Zusammengehörigkeit von Architektur und Farbfassung liefert darüber hinaus die Ausmalungstechnik, die bei allen drei analysierten Innenraumfassungen aus einer Freskomalerei mit Seccoschichten besteht, wobei der malereitragende Putz die nur grob bearbeiteten Tuffsteinglieder erst in ihre endgültige Form gebracht hat.

    Die Innenraumgestaltungen der drei untersuchten Bauwerke weisen Parallelen auf. Es sind Verwandtschaften von Einzelformen und Gliederungen ablesbar, die jedoch unterschiedlich kombiniert werden. Außerdem zeigt sich in allen drei Fällen ein ähnliches Verhältnis der Farbfassung zur Wandstruktur. Der von den außer-stilistischen Hinweisen abgeleitete gemeinsame Entstehungszeit-raum im zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts findet somit seine Bestätigung in der Form- und Stilanalyse.

    Die Variation von Formen und Farben ist ein wesentliches Gestal-tungsmerkmal, das sowohl bei den drei untersuchten Sakralräumen als auch bei den Miniaturen der Königschronik festzustellen ist. Die Struktur der Innenräume wird durch die Art der Farbfassung vielschichtiger, der Formenreichtum wird nochmals gesteigert. Dabei werden die Sakralräume durch die kräftige Farbigkeit, die damals neben Schwarz und Weiß auch ockerfarbene, rote, blaue und grüne Pigmente mit Vergoldungen aufwies, aufgewertet. Die Figurenprogramme unterstützen mit ihren theologischen Inhalten die liturgische Funktion der Kirchenräume. Dabei sind die verlo-renen Glasmalereien im Geiste zu ergänzen. Ihr farbiges Leuchten hat die Wirkung der Innenräume und ihrer Farbfassungen damals zusätzlich geprägt.

    Die Gliederung der Taufkapelle von St. Gereon zeigt deutlich, daß der Werkmeister bei der architektonischen Gestaltung der Kapelle bereits mit einer Farbfassung rechnete. Anders läßt sich die Aus-bildung der Blendfelder und der ungegliederten Rippenanfänger nicht erklären. Daß die Dekorationsmaler und Figuristen die architektonische Struktur bewußt wahrgenommen haben, belegen die zahlreichen Bezüge zwischen Farbfassung und Architektur. So bilden die untersuchten spätstaufischen Innenräume zusammen mit ihrer Ausmalung eine gestalterische Einheit.

    Verantwortlich: Eva Faresin

    Für Rückfragen steht Ihnen Professor Dr. Günther Binding unter der Telefonnummer 0221/470-4440 und der Fax-Nummer 0221/470-6721 zur Verfügung.

    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web
    (http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/index.htm).

    Für die Übersendung eines Belegexemplares wären wir Ihnen dankbar.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Bauwesen / Architektur
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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