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24.10.2006 09:59

Überlebensstrategie eines Bakteriums als Vorbild für Biobrennstoffzellen

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Es gibt kaum einen Ort, wo Pseudomonas aeruginosa nicht lebt. Das Bakterium wächst im Boden, im Wasser und kann in Pflanzen und Früchten gefunden werden. Sogar Desinfektionsmittel erträgt es, was den Einzeller zu einem gefürchteten Gegner der Krankenhaushygieniker macht. Möglich ist dies, weil das Bakterium von unterschiedlichsten Stoffen leben kann. So gewinnt es die Energie, die es zum Leben braucht, beispielsweise auch aus dem Alkohol Ethanol. Eigentlich nicht ungewöhnlich, schließlich kann man Alkohol zur Energiegewinnung auch einfach verbrennen. Jedoch: "Die Kunst ist es, dies in so geordneten Bahnen zu tun, dass die Energie hinterher nutzbar ist", erklärt Robert Bittl, Professor am Fachbereich Physik der Freien Universität Berlin, der den Prozess zusammen mit seinem Kollegen Helmut Görisch, Professor für Technische Biochemie an der Technischen Universität Berlin, untersucht. Die Wissenschaftler denken, dass die Mechanismen des Bakteriums eines Tages vielleicht für Sensoren oder Biobrennstoffzellen genutzt werden könnten.

    Für den Alkoholabbau ist im Bakterium ein bestimmtes Enzym zuständig. Wie jedes Protein gleicht es einem Wollknäuel, dessen Fäden aus Ketten von so genannten Aminosäuren bestehen. Darin befinden sich Taschen, in die ein Ethanolmolekül hineinpasst. Das alleine reicht aber nicht aus, um den Alkoholabbau in Gang zu setzen. Dazu bedarf es eines weiteren Faktors, von Experten Kofaktor genannt. Hier ist das ein Molekül mit so kompliziertem Namen, dass man besser nur die Abkürzung benutzt: PQQ (Pyrroloquinolin-Chinon). Beim Alkoholabbau in Pseudomonas aeruginosa spielt PQQ eine Schlüsselrolle.

    "Wir wussten bisher nicht genau, wie es weiter geht, wenn das Ethanolmolekül die passende Tasche mit dem PQQ im Enzym gefunden hat", sagt Robert Bittl. Wie die Tasche aussieht, wurde schon vor einigen Jahren mit Röntgenstrahlen untersucht. Wissenschaftler ließen eine große Zahl der Enzyme zu einem Kristall wachsen und durchleuchteten dieses. "Es war aber nie möglich, das Enzym zusammen mit Alkohol zu kristallisieren", sagt der Biophysiker. Deshalb konnte man bisher auch nicht aufklären, wie das Ethanol in der Bindungstasche sitzt. Das ist aber entscheidend für die Frage, wie das Enzym den Alkohol abbaut.

    Robert Bittl und seine Kollegen haben ihre physikalischen Methoden benutzt, um die Lage des Ethanols in der Tasche zu klären, wie sie in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences, USA berichten. Es zeigte sich, dass ihre Methode, für die sie Mikrowellen, Radiowellen und Magnetfelder einsetzen, auch dann funktioniert, wenn sie das Enzym zusammen mit dem Alkohol in ihre Apparatur gaben.

    Das Ethanol nistet sich so in die Tasche ein, dass es sehr leicht ein positiv geladenes Wasserstoffatom an das Protein und dann ein negativ geladenes Wasserstoffatom an das PQQ abgeben kann. Dadurch setzt das Enzym eine Reaktion in Gang. Übrig bleiben ein oxidiertes, bereits teilweise abgebautes Ethanol und ein PQQ, das zwei Elektronen mehr hat als es braucht. In gewissem Sinn ist die Verbrennungsenergie damit auf das PQQ übergegangen. Danach verlässt das oxidierte Ethanol die Bindungstasche und die zwei Elektronen werden vom PQQ schrittweise über andere Proteine und Kofaktoren weiter gegeben. Diese Prozesse sind noch nicht vollständig geklärt. Am Ende entsteht ein elektrochemisches Potential über der Zellmembran, ähnlich wie in einer Batterie. Diese Energie nutzt die Bakterienzelle.

    "Wenn man es schafft, das elektrochemische Potential abzugreifen, das bei dieser Reaktion entsteht, könnte man einen Sensor für Alkohole bauen", sagt der Biochemiker Helmut Görisch. Vielleicht könnten Biotechnologen die Vorlage aus der Natur sogar dazu verwenden, eine Biobrennstoffzelle zu bauen, die mithilfe von Alkohol elektrische Energie erzeugt. Da Pseudomonas aeruginosa den Abbau von Alkohol über Jahrmillionen verbessert hat, ist zu erwarten, dass es den Prozess sehr effizient durchführt. "Es ist aber nicht immer so, dass die Prozesse in der Natur genau für die Zweck optimiert sind, für die wie sie gerne einsetzen würden", meint Helmut Görisch. Das wird man erst wissen, wenn man die Funktionsweise des Enzyms genau verstanden hat.

    Von Michael Fuhs

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Prof. Dr. Robert Bittl, Institut für Experimentalphysik der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-56049, E-Mail: robert.bittl@physik.fu-berlin.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Maschinenbau, Mathematik, Physik / Astronomie, Verkehr / Transport
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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