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06.11.1996 00:00

Soziale Netzwerke und psychische Erkrankung

Dr.rer.pol. Dipl.-Kfm. Ragnwolf Knorr Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Medizin/Sozialwissenschaften

    DFG fördert Projekt an der Uni Erlangen-Nürnberg

    Soziale Netzwerke und psychische Erkrankung

    Schwere psychische Krankenheiten, die den Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik nötig machen, stellen Familie, Freunde und Bekannte der Erkrankten vor eine harte Probe. Hält das Netz der persönlichen Beziehungen der Belastung stand, kann es den Patienten auffangen und womöglich zu seiner Gesundung beitragen? Lassen sich Verhaltensweisen feststellen, die den Krankheitsverlauf negativ beeinflussen? Zum Thema "soziale Netzwerke und psychische Erkrankung" hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dem Sozialwissenschaftlichen Forschungszentrum (SFZ) der Universität Erlangen-Nürnberg die Durchführung eines Forschungsprojekts bewilligt.

    Die Studie ist als interdisziplinäres Forschungsprojekt konzipiert, an dem sowohl Sozialwissenschaftler des SFZ als auch Psychiater der Psychiatrischen Universitätsklinik in Erlangen beteiligt sind. Die Projektleitung liegt bei Prof. Dr. Manfred Stosberg und Prof. Dr. med. Arnd Barocka; Projektmitarbeiter sind Prof. Dr. Krista Stosberg, Dipl.-Sozialwirtin Birgit Wellisch, Dipl.-Sozialwirtin Ariane Engelhardt und Dr. Thomas Löw.

    Ausgehend von der Überlegung, daß Art und Ausmaß sozialer Integration psychische Erkrankungen beeinflussen, soll in dieser Untersuchung der Einfluß struktureller, interaktionaler und funktionaler Merkmale der sozialen Umwelt und deren Unterstützungspotential auf Manifestation und Verlauf einer affektiven Störung bei Patienten mit der Diagnose "schwere depressive Episode³ bzw. Melancholie untersucht werden. Gefragt wird zunächst danach, welche Aspekte sozialer Unterstützung den Verlauf affektiver Störungen bzw. das Rückfall- und Rehospitalisierungsrisiko beeinflussen.

    Daraus lassen sich weitere Forschungsfragen ableiten: Lassen sich Unterschiede in der Wirkungsweise einzelner Komponenten sozialer Unterstützung für bestimmte Patientengruppen nachweisen, wenn man die Patienten nach soziodemographischen Faktoren (Alter, Geschlecht, Vorhandensein eines Lebenspartners, sozioökonomischer Status usw.) und nach der Intensität der affektiven Störung differenziert? Verändert sich das soziale Netzwerk der Patienten durch den ersten Krankenhausaufenthalt und im weiteren Verlauf der affektiven Erkrankung? Welche Rolle spielt in diesem Zusammenhang auch das Vorhandensein belastender Beziehungen?

    Zudem stellt sich die - bisher noch weitgehend offene - Frage nach der subjektiven Wahrnehmung des eigenen sozialen Netzes bei affektiv gestörten Personen. Um dieser Frage nachzugehen, werden Daten über die persönlichen Netzwerke der Patienten, die in der Patientenbefragung erhoben werden, ergänzt durch Interviews mit vertrauten Personen dieser Patienten (sogenannte "Confidants").

    Vergleich mit Morbus Crohn-Patienten

    In einem weiteren Schritt werden die Befunde aus der Patientenbefragung mit einer parallelisierten Kontrollgruppe von Patienten verglichen, die nicht an einer psychischen Krankheit leiden. Dazu werden Morbus Crohn-Patienten einbezogen, weil sich bei Morbus Crohn zeitlich und im Schweregrad (vor allem hinsichtlich Hospitalisierung und der sozialen Einschränkung) ähnlich strukturierte Verläufe wie bei affektiven Störungen beobachten lassen.

    Insbesondere soll der Frage nachgegangen werden, welche Rolle die Stigmatisierung einer psychischen Krankheit spielt: Ergeben sich Unterschiede zwischen Patienten mit ausschließlich affektiven Störungen, Patienten mit ausschließlich chronischen somatischen Störungen und Patienten, auf die beide Diagnosen zutreffen? Sind diese Veränderungen abhängig vom Schweregrad der Erkrankung und/ oder von bestimmten soziodemographischen Merkmalen?

    Interviews in der Klinik und nach der Entlassung

    Die Studie ist als Längsschnittuntersuchung konzipiert: Die Patienten werden nach Abklingen der akuten Symptome in der Klinik mit einem strukturierten Interview befragt und dann erneut mindestens sechs Monate nach Verlassen der Klinik interviewt. Der Untersuchungszeitraum soll somit sowohl den stationären Aufenthalt als auch die Phase nach der Entlassung aus dem Krankenhaus umfassen.

    Dokumentenanalysen der Krankenakten von befragten Patienten und vor allem biographische Interviews sollen diese Informationen ergänzen und vertiefen. Der Einsatz psychiatrischer Diagnoseverfahren (Selbst- und Fremdbeurteilungsskalen) sichert die Diagnose bei allen befragten Patienten zu drei Erhebungszeitpunkten (in der Klinik sowie drei und sechs Monate nach Verlassen der Klinik).

    Die Befragung von Netzwerkmitgliedern der Patienten (Confidants) sowie von Kontrollgruppen wird mit Hilfe teilstrukturierter Interviews durchgeführt. Für die Befragung der Kontrollgruppe nicht psychisch kranker Patienten (mit der Diagnose Morbus Crohn) werden ebenfalls die pychiatrische Diagnostik sowie teilstrukturierte und biographische Interviews eingesetzt.
    Erkenntnisse über Zusammenhänge zwischen psychischer Erkrankung und sozialem Netzwerk können für die klinische Praxis nutzbar gemacht werden: Mitarbeiter sollen sowohl für unterstützende als auch für belastende Interaktionen mit den Patienten sensibilisiert werden sowie Kompetenzen entwickeln, situationsgerecht auf Patienten und deren Angehörige einzuwirken. Die empirisch gewonnenen Ergebnisse können auf diese Weise dazu beitragen, praktische Empfehlungen für therapeutische und rehabilitative Maßnahmen zu entwickeln, um zu einer Beschleunigung von Genesungsprozessen, Verringerung der Rückfallrisiken und letztlich auch zur Kostendämpfung im Gesundheitswesen beizutragen.

    Mit der Projektarbeit wurde im September 1996 begonnen. Das Projekt wurde zunächst für zwei Jahre bewilligt; es stehen drei halbe Stellen für die Projektarbeit zur Verfügung.

    Kontakt: Prof. Dr. Manfred Stosberg, Sozialwissenschaftliches Forschungszentrum (SFZ) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Findelgasse 7-9, 90403 Nürnberg, Tel.: 0911/5302-604, Fax: 0911/5302 -637, E-mail: sfz@wiso.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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