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03.03.2000 10:32

Ärztliche Konzertierte Aktion zur Brustkrebs-Früherkennung

Klaus Walter Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

    Fachgesellschaften und Berufsverbände verabschieden 10-Punkte-Programm

    Bei 50 000 Neuerkrankungen und 19 000 Todesfällen jährlich gehört der Brustkrebs zu einer der größten medizinischen und gesundheitspolitischen Herausforderungen der Gegenwart. Die derzeit erkennbare Entwicklung neuer Behandlungsverfahren lässt innerhalb der nächsten Jahre keine grundlegende Verminderung der Brustkrebssterblichkeit erwarten. Nur die Nutzung der methodischen Möglichkeiten einer wirksamen Brustkrebs-Früherkennung bietet Aussicht auf einen nennenswerten Erfolg in einem vertretbaren Zeitraum. Jede Frau hat den Anspruch, sich über ihren Gesundheitszustand Gewißheit zu verschaffen. Dies betrifft auch die Brustkrebs-Früherkennung, einschließlich einer mammographischen Kontrolle. Insbesondere dann, wenn besondere Erkrankungsrisiken, wie prädisponierende Brusterkrankungen, Lebensalter sowie hormonale und erbliche Faktoren eine erhöhte Gefährdung erkennen lassen.

    Es gibt jedoch kaum eine andere diagnostische oder therapeutische Methode in der Medizin, die in einem Umfeld aus Medizin, Wissenschaft, Berufs- und Gesundheitspolitik soviel emotionalen Irritationen unterliegt wie die Brustkrebs-Früherkennung. Dies hat in den letzten 10 bis 15 Jahren die für eine Einführung der Früherkennung notwendigen Entscheidungsprozesse immer wieder unterbrochen oder gar zum Erliegen gebracht.

    Nach offiziellen Hochrechnungen müsste es möglich sein, durch ein effektives Brustkrebs-Früherkennungsprogramm 3000 bis 4000 Todesfälle jährlich zu vermeiden. Nachdem verschiedene Einzelinitiativen zu keinem Durchbruch auf diesem Sektor führten, haben sich 19 wissenschaftliche Fachgesellschaften und Berufsverbände unter Federführung der Deutschen Gesellschaft für Senologie und der Deutschen Krebsgesellschaft zusammengetan, um im Rahmen einer Konzertierten Aktion die Basis für ein wirksames Programm zu erarbeiten. Die hierfür notwendigen finanziellen Voraussetzungen wurden durch die Deutsche Krebshilfe und die Deutsche Gesellschaft für Senologie geschaffen.

    Ziel der Konzertierten Aktion ist es, ein flächendeckendes, qualitätsgesichertes und fachübergreifendes Brustkrebs-Früherkennungsprogramm in Deutschland aufzubauen. Als wichtigste Methode spielt die Mammographie in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle. Ihre Wirksamkeit und Aussage ist jedoch untrennbar von einem qualitätsgesicherten Umfeld abhängig. Dies betrifft in besonderem Maße die operative Abklärung mammographisch entdeckter Veränderungen und die mikroskopische Analyse entnommener Ge-websproben. Somit ist ein wirksames Brustkrebs-Früherkennungsprogramm das Resultat einer funktionsfähigen und qualitätsgesicherten Diagnosekette, an der sehr unterschiedliche Fachdisziplinen beteiligt sind. Es besteht kein Zweifel, dass jede Frau, deren Brustkrebs mammographisch in einem Frühstadium entdeckt wird, mit wenig belastenden Behandlungsverfahren nahezu hundertprozentig geheilt werden kann.

    Schon jetzt bestehen eine Reihe diagnostischer und therapeutischer Zentren in Klinik und Praxis, die bereits über eine adäquate Untersuchungsqualität verfügen, die durchaus internationalen Anforderungen entspricht. Diese bereits vorhandene Sachkompetenz muss genutzt werden, um sie zum Kristallisationspunkt eines flächendeckenden und qualitätsgesicherten diagnostischen Netzes in der Bundesrepublik zu machen.

    Nach mehrmonatiger Vorbereitung trafen sich vor wenigen Tagen in Bonn die durch eine besondere Expertise ausgewiesenen Vertreterinnen und Vertreter der erwähnten 19 wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Berufsverbände, um die weltweit publizierten Daten zur Brustkrebs-Früherkennung zusammenzutragen, zu diskutieren und hierauf aufbauend die ärztlich-wissenschaftlichen Voraussetzungen eines Brustkrebs-Früherkennungs-programmes zu formulieren. Die Analyse der wissenschaftlichen Daten, die Beurteilung deren Evidenz und die Abstimmung zu deren Anwendung in einem Früherkennungsprogramm erfolgten nach internationalen methodischen Vorgaben, so dass sie auch gegebenenfalls in anderen Ländern der Europäischen Union Anwendung finden könnten.

    Insgesamt wurde ein 10-Punkte-Programm formuliert, dass mit einem Konsens von mehr als 90 % durch das multidisziplinäre Expertengremium verabschiedet wurde. Das Programm ist Arbeitsgrundlage ärztlicher Forderungen zur Umsetzung weiterer Maßnahmen.

    10-Punkte-Programm

    1. Neue tumorbiologische Kenntnisse und aktuelle therapeutische Entwicklungen lassen innerhalb der nächsten Jahre keine grundlegende Reduktion der Brustkrebssterblichkeit erwarten.

    2. Nur ein qualitätsgesichertes, fachübergreifendes Brustkrebs-Früherkennungspro-gramm verspricht eine deutliche Reduktion.

    3. Mit Beginn des gesetzlichen Krebs-Früherkennungsprogrammes (§ 25 Abs. 2 SGBV) soll ab dem 20. Lebensjahr ein Anamnese- und Aufklärungsgespräch über Risikofaktoren angeboten werden. Bei Vorliegen von Risikofaktoren muss eine individuelle Früh-erkennungsstrategie besprochen und empfohlen werden. Für BRCA1/BRCA2-Mutations-trägerinnen wird dies derzeit in Studien angeboten.

    4. Der wichtigste Risikofaktor für eine Brustkrebs-Entstehung ist das Alter. Qualitäts-gesicherte Brustkrebs-Früherkennungsuntersuchungen sind unabhängig von verschiedenen Erkrankungsrisiken für jede Frau nützlich, deren Alter eine höhere Erkrankungsrate erwarten lässt. Der individuelle Nutzen der Mammogrophie überwiegt ab dem 40. Lebensjahr die sich aus der Strahlenexposition ergebenden Risiken. Das Optimum des Verhältnisses aus Nutzen und Risiko liegt zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr.

    5. Die Selbstuntersuchung der Brust trägt wesentlich zur individuellen Motivation und Bewusstseinsförderung für präventive Maßnahmen bei. Die regelmäßige, sachgerechte Selbstuntersuchung begünstigt die Entdeckung von Karzinomen. Auch wenn die Wirksamkeit der Selbstuntersuchung nicht überschätzt werden darf, muss die Selbst-untersuchung der Brust Bestandteil eines Früherkennungsprogrammes sein und bleiben. Sie kann nicht früh genug erlernt und begonnen worden, soll jedoch ab dem 30. Lebensjahr regelmäßig erfolgen.

    6. Die ärztliche palpatorische und inspektorische Untersuchung von Brustdrüse und regionären Lymphabflussgebieten muss Bestandteil jedes Früherkennungs-Programmes sein und soll zumindest ab dem 40. Lebensjahr lebenslang in regelmäßigen Abständen durchgeführt werden. Studienergebnisse zeigen, dass gerade ab dem 40. Lebensjahr durch die ärztliche palpatorische und inspektorische Untersuchung der Brustdrüse und der Lymphabflussgebiete in Kombination mit der Mammographie die Brustkrebs-Früherkennung wirksamer zu gestalten ist.

    7. Die Mammographie ist zur Zeit die einzige für die Erkennung von Brustkrebsvorstufen oder frühen Tumorstadien allgemein als wirksam anerkannte Methode. Prospektiv randomisierte Studien zeigen, dass mit der Einführung einer Screening-Mammographle als Röntgenreihenuntersuchung eine altersabhängige Brustkrebssterblichkeitsreduktion um 20 bis 40 % möglich ist. Auf Grund der randomisierten Studien ist eine Wirksamkeit der Früherkennungs-Mammographie für Frauen zwischen dem 50. und 70, Lebensjahr, neuerdings auch zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr belegt, aber auch nach dem 70. Lebensjahr anzunehmen. Für ein Brustkrebs-Früherkennungsprogramm sollen zurzeit folgende Vorgaben berücksichtigt werden:

    Die Durchführung einer mammographischen Untersuchung ohne Vorliegen von Symptomen erfolgt:
    · auf jeden Fall zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr, da für diese Altersgruppe der größte Benefit beschrieben wird,
    · in zwei Ebenen in Kombination mit einer ärztlich-klinischen Untersuchung,
    · in Untersuchungsintervallen von längstens 24 Monaten,
    · unter Sicherung der technischen und der Befundungsqualität.

    8. Die Sonographie ist eine Zusatzuntersuchung für die Abklärung unklarer Befunde. Als alleinige Methode ist sie für die Früherkennung ungeeignet. Der Wert der MRT ist im Rahmen von prospektiv randomisierten Studien nicht evaluiert.

    9. Qualitätssicherung

    Brustkrebsfrüherkennung ist eine fachübergreifende Aufgabe. Es muss ein qualitäts-gesicherter interdisziplinärer Verbund aus klinischer Untersuchung, apparativer Diagnos-tik, operativer Abklärung, pathomorphologischer Beurteilung und medizinischer Doku-mentation bestehen mit Zusammenführung des gesamten Qualitätsmanagements.
    Die Wirkungen endogener und exogener Hormone sind bei Durchführung und Befundung diagnostischer Maßnahmen zu berücksichtigen.

    a) Qualitätssicherung in der Mammographie. Der technischen Qualitätssicherung werden die Europäischen Leitlinien zugrunde gelegt. Spezielle Aus- und Fortbildung des medizinisch-technischen sowie Weiter- und Fortbildung des ärztlichen Personals (Stufenkonzept) muss sichergestellt sein. Bei der mindestens selektiv notwendigen Doppelbefundung ist die Zweitbefundung durch einen zertifizierten Experten durch-zu-führen. Die sorgfältige Befunddokumentation und Befunder-Evaluation muss gewähr-leistet sein. Die histologische Diagnostik unklarer Befunde erfolgt durch Stanzbiopsie, Vakuumbiopsie oder offene Biopsie. Perkutane Interventionen müssen nach den Qualitätsempfehlungen durchgeführt worden. Die Punktionsrichtung ist so zu wählen und zu dokumentieren, dass der Stichkanal bei typischer Schnittführung durch die nachfolgende Operation exzidiert werden kann.

    b) Die operative Qualitätssicherung bei der Entnahme mammographisch entdeckter Läsionen erfolgt in Anlehnung an die Leitlinien der Europäischen Kommission. Vor einer offenen Biopsie kann bereits durch interventionelle Techniken eine histologi-sche Vorabklärung erfolgen. Grundsätzlich ist die präoperative Markierung des nicht tastbaren, mammographisch nachgewiesenen Befundes erforderlich. Die Sicherung der korrekten Gewebsentnahme erfolgt durch Präparatradiographie, gegebenenfalls ergänzt durch Präparatsonographie. Die Schnittführung muss an die Befundlokalisation angepaßt werden (keine Gewebetunnelung). Bei intraoperativ nicht tastbaren Gewebeveränderungen keine Schnellschnittuntersuchung.

    c) Die Qualitätssicherung der pathohistologischen Befundung erfolgt entsprechend den Leitlinien der Europäischen Kommission. Pathologische Referenzzentren sind zur zentralisierten Befunddokumentation und gegebenenfalls Zertifizierung einzurichten. In schwieri-gen Fällen ist eine Doppelbefundung durch ein Expertenpanel vorzusehen.

    10. Früherkennungsuntersuchungen können zu einer psychischen Belastung führen. Diesem Umstand ist dringend durch eine sorgfältige Aufklärung Rechnung zu tragen. Das Inter-vall zwischen Erstbefundung und notwendigen apparativen sowie invasiven diagnosti-schen Zusatzmaßnahmen muss auf ein zeitliches Minimum reduziert werden.

    Koordinator:
    Professor Dr. med. Klaus-Dieter Schulz
    Geschäftsstelle der Deutschen
    Gesellschaft für Senologie

    Tel.: + 49-0-6421-286 6211
    Fax: + 49-0-6421-286 8969


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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