Antworten aus der Forschung: Prof. Dr. med. Hans Konrad Biesalski, Ernährungsmediziner der Universität Hohenheim, über Vitamine, die angeblich die Lebenserwartung verkürzen
Vitamine gelten als gesund. In den USA hat der serbische Forscher Goran Bjelakovic zusammen mit dänischen Kollegen eine Großauswertung vieler Studien vorgelegt, wonach bestimmte Vitamine ein erhöhtes Sterblichkeitsrisiko auslösen. Muss die Medizin umdenken?
Prof. Dr. med. Biesalski: Nein, an der Universität Hohenheim sind wir uns im Kreis der Kollegen aus der Ernährungsmedizin einig, dass das Ergebnis dieser Studie mehr Populismus als Wissenschaft ist. Es gibt keinen Anlass, die positive Wirkung von Vitaminen aufgrund dieser Studie neu zu bewerten.
Um welche Stoffe handelt es sich bei der Kritik?
Prof. Dr. med. Biesalski: Die Studie bezieht sich auf so genannte Anti-Oxidantien, dazu gehören Vitamin C und E, Betakarotin und das Spurenelement Selen. Auch Vitamin-A-Studien wurden einbezogen, obwohl Vitamin A kein Antioxidans ist. Ihren Namen haben sie aufgrund der Eigenschaft, dass sie aggressive Sauerstoffverbindungen in unserem Körper - so genannte Radikale - unschädlich machen. Für unsere Gesundheit sind diese Stoffe unerlässlich: Eine gute Versorgung schützt vor einer Reihe von Krankheiten und trägt zur Stärkung des Immunsystems bei.
Die Autoren der Studie vermuten, dass das erhöhte Todesrisiko an der Tatsache liegt, dass es sich um synthetische Vitamine handeln könnte.
Prof. Dr. med. Biesalski: Die Theorie mit den synthetischen Vitaminen ist besonders abwegig: Viele der eingesetzten Präparate werden aus pflanzlichen Extrakten gewonnen. Der menschliche Organismus unterscheidet weder bei der Aufnahme noch im Stoffwechsel zwischen isolierten Vitaminen in Supplementen und denen aus Lebensmitteln.
Sie werfen der Studie außerdem noch statistische Mängel vor.
Prof. Dr. med. Biesalski: Für ihre sogenannte Metastudie haben die Autoren insgesamt 68 klinische Studien neu ausgewertet, bei denen die Teilnehmer entweder Antioxidantien oder Scheinwirkstoffe einnahmen. Dabei teilten sie die Studien nach selbst entwickelten Kriterien in zwei Gruppen, als "methodisch gute Studien" und "methodisch weniger gute Studien" ein. Die Gründe für die Einteilung sind im Einzelfall nicht nachzuvollziehen. Es ist auch fraglich, inwieweit die Kriterien der Einteilung im Vorfeld ausreichend detailliert festgelegt waren, was eine Voraussetzung für eine solche Analyse ist. Im Ergebnis erbrachte die Gesamtanalyse keinen statistisch gesicherten Unterschied in der Sterblichkeit bei behandelten gegenüber unbehandelten Studienteilnehmern.
Welchen Rat würden Sie verunsicherten Verbrauchern geben?
Prof. Dr. med. Biesalski: Wenn man die Goran-Studie korrekt analysiert, kommt man zu einem einzigen richtigen Ergebnis: Richtig ist, dass ein Überschuss an Vitaminpräparaten bei gesunden Menschen nichts nutzt - er schadet aber auch nicht. Bei kranken Menschen ist die positive Wirkung von Antioxidantien durch eine Reihe von Untersuchungen belegt, die auch durch die Goran-Studie nicht in Frage gestellt werden. Da Studien mit Gesunden und Kranken übergreifend ausgewertet wurden, besteht für die Allgemeinbevölkerung bzw. für Personen, die sich entschlossen haben, Antioxidantien einzunehmen, kein Grund für Sicherheitsbedenken.
Hintergrund
Die Metastudie "Mortality in randomized trials of antioxidant supplements for primary and secondary prevention" von Bjelakovic G, Nikolova D, Gluud LL, Simonetti RG, Gluud C erschien in der aktuellen Ausgabe des Journal of the American Medical Association, JAMA (2007), 297(8)
Prof. Dr. med. Hans Konrad Biesalski leitet das Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft der Universität Hohenheim. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Antioxidantien in Prävention und Therapie.
Kontaktadresse (nicht zur Veröffentlichung):
Prof. Dr. med. Hans Konrad Biesalski
Universität Hohenheim, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft
Tel: 0711 459-24112, E-Mail: biesal@uni-hohenheim.de
Jana Tinz
Universität Hohenheim, Institut für Biologische Chemie und Ernährungswissenschaft
Tel.: 0711/459-24113/22291; tinzjana@uni-hohenheim.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
fachunabhängig
überregional
Buntes aus der Wissenschaft
Deutsch
Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.
Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).
Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.
Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).
Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).