Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzing zog Zwischenbilanz des Augsburger Forschungsprojekts "Christliche Friedensethik seit dem 11. 9. 2001".
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Die derzeit von der Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD erstellte neue Friedensdenkschrift ist dringend notwendig, denn die friedensethischen Äußerungen der Kirche zu den Kriegen dieses Jahrhunderts sind mangels aktueller normativer Grundlagen von großer Unsicherheit und Widersprüchlichkeit geprägt. Zu diesem Ergebnis kam eine Tagung an der Evangelischen Akademie Tutzing, bei der ein Zwischenbericht des DFG-geförderten Forschungsprojekts "Christliche Friedensethik seit dem 11.9.2001" der Universität Augsburg diskutiert wurde.
Große Bandbreite friedensethischer Äußerungen
Der Projektleiter, der Augsburger Theologe Bernd Oberdorfer, legte anhand von Beispielen dar, dass es innerhalb der EKD eine große Bandbreite von friedensethischen Äußerungen gab. Während die Lutheraner etwa zum Afghanistankrieg gar keine Stellungnahme abgaben, weil die Kirche keine Politik machen solle, lehnte der Reformierte Bund den Militäreinsatz kategorisch ab. Vom damaligen EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock gab es sich im Laufe des Konflikts teilweise widersprechende Bewertungen, während die Synode sich nicht festlegen wollte und einfach die Meinungen zweier entgegengesetzter Lager veröffentlichte. Dass es auch in der römisch-katholischen Kirche keine einheitliche Linie gab, wies Oberdorfer anhand von Stellungnahmen des Papstes, von Bischöfen und des apostolischen Nuntius Lajolo nach, die den Militärschlägen teils ablehnend, teils zustimmend gegenüberstanden.
Erschreckende Unkenntnis der Realia
Diese Ergebnisse bestätigen die Einschätzung des Weimarer Friedensethikers Michael Haspel, der von einer "erschreckenden Unkenntnis der Realia" sprach, die sich in den kirchlichen Stellungnahmen zeige. Er warf den Kirchen "praktisches Versagen in friedensethischer Orientierung" vor. In der friedensethischen Debatte sah Haspel zurzeit verschiedene normative Ansätze: Das Wiedererstarken des Nationalprotestantismus (etwa im EAK der CSU und in der Militärseelsorge), rechtspazifistische Positionen, eine Rückkehr zur Lehre vom gerechten Krieg und eine Rechtsbefolgungsethik. Dagegen setzt Haspel auf die Integration der US-amerikanischen Just-and-Limited-War-Diskussion in eine Ethik der internationalen Beziehungen, die auch kritisch gegenüber geltendem Recht sein solle.
Den Gegensatz "gerechter Krieg" versus "gerechter Friede" auflösen
Oberdorfer sieht Möglichkeiten, die traditionelle protestantische Institutionentreue für eine Verrechtlichung und Institutionalisierung der Konfliktbearbeitung zu nutzen, zu der es keine Alternative gebe. Der Augsburger Theologe sprach sich dafür aus, die terminologische Gegnerschaft der Begriffe "gerechter Krieg" und "gerechter Friede" dadurch aufzulösen, dass man den Terminus "gerechter Krieg" zur Bezeichnung eines Teilaspekts innerhalb des Konzepts des "gerechten Friedens" verwende. Dadurch könne man die im Mittelalter entwickelten und weiterhin brauchbaren Kriterien zur Beurteilung von Militäreinsätzen weiterhin verwenden und dennoch dem Einwand begegnen, der Ausdruck "gerechter Krieg" erkläre faktisch den Krieg zu etwas moralisch Gutem. (Bernd Kirchschlager)
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Ansprechpartner:
Prof. Dr. Bernd Oberdorfer/Bernd Kirchschlager
Lehrstuhl für Evangelische Theologie/Systematische Theologie und theologische Gegenwartsfragen
Universität Augsburg
86135 Augsburg
Telefon 0821/598-2628 oder -5542
bernd.oberdorfer@phil.uni-augsburg.de
oder bernd.kirchschlager@phil.uni-augsburg.de
http://idw-online.de/pages/de/news112822 - zum Projekt "Christliche Friedensethik nach dem 11. 9. 2001
http://idw-online.de/pages/de/news198674 - zur Tutzinger Tagung
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Philosophie / Ethik, Politik, Recht, Religion
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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