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11.05.2000 08:23

75 Jahre Medizinische Fakultät der Universität Münster

Norbert Frie Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    "Es war, als habe selbst die Natur unserer alten, ehrwürdigen Stadt ein jugendfrisches Festkleid angelegt, wie es sich für solche Festtage ziemt." Anlass für diesen Festtag, über den in der münsterschen Lokalpresse vor nunmehr genau 75 Jahren so schwelgerisch berichtet wurde, war die am 15. Mai 1925 erfolgte feierliche Eröffnung der neuen Medizinischen Fakultät der Universität Münster und die offizielle Übergabe der Universitätskliniken am ehemaligen Westring, der heutigen Domagkstraße. Drei Tage lang wurde dieses große Ereignis seinerzeit in Münster ausgiebig gefeiert.

    Die wechselvolle Geschichte in den vergangenen 75 Jahren hat die Medizinische Fakultät von der erwartungsfrohen Aufbruchstimmung bis hin zur Vernichtungsmaschinerie des Zweiten Weltkrieges, von der großen Solidarität beim Wiederaufbau und der anschließenden Blütezeit mit zahlreichen Kliniken- und Institutsneugründungen bis hin zu den aktuellen Sorgen angesichts der Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen so manche Höhen und Tiefen erleben lassen. Gleichwohl umfasst dieses ereignisreiche Dreivierteljahrhundert keinesfalls die gesamte Geschichte der Hochschulmedizin in Münster. Deren Beginn reicht vielmehr fast 250 Jahre zurück in das Jahr 1774: Ein Jahr nach Aushändigung der kaiserlich-päpstlichen Stiftungsurkunde für eine "Universität Münster" wurde mit damals nur einem einzigen Dozenten, der Vorlesungen in Anatomie, Chirurgie und Geburtshilfe abhielt, die alte Medizinische Fakultät eröffnet.

    Allerdings sollte sie nur 44 Jahre Bestand haben. 1818 wurde die Universität Münster und damit auch die Medizinische Fakultät zu Gunsten einer Rheinischen Universität in Bonn geschlossen. Dennoch bedeuteten die nun folgenden über 100 Jahre bis zur Eröffnung der neuen Medizinischen Fakultät nicht die völlige Einstellung der Medizinerausbildung in Münster. Vielmehr wurde drei Jahre nach Schließung der Fakultät mit der Gründung einer Chirurgenschule eine angesehene Ausbildungsstätte für Wundärzte geschaffen, an der auch mehrere Dozenten der alten Fakultät tätig wurden.
    Erstmals wurde jetzt in bescheidenem Maße auch eine Ausbildung am Patienten möglich. Zwölf Betten standen dafür in der zu einem Wohngebäude umgebauten Kirche des ehemaligen Klarissenklosters an der Stubengasse zur Verfügung. Das Kirchlein war damit so etwas wie eine Vorläuferin der späteren Universitätskliniken. Der theoretische Unterricht der Chirurgenschule, die 1830 den Rang einer Medizinisch- Chirurgischen Lehranstalt erhielt, erfolgte im so genannten "spanischen Flügel" zwischen Petrikirche und Jesuitenschule. Doch bereits 1849 kam die Medizinerausbildung in Münster für ein gutes halbes Jahrhundert völlig zum Erliegen, da die Lehranstalt als Folge einer neuen Medizinalverfassung geschlossen werden musste.

    Weiter ging es erst 1905, als an der Philosophischen Fakultät der 1902 wieder eröffneten Universität eine medizinisch- propädeutische Abteilung eingerichtet wurde. Die in der so genannnten Kürassierkaserne am Krummen Timpen untergebrachte Einrichtung ermöglichte das Medizinstudium bis zum Physicum. Als 1914 der Ausbau der Universität unter anderem um eine Medizinische Fakultät bewilligt wurde, stand fest, dass jetzt dringend die Voraussetzungen für den klinischen Unterricht geschaffen werden mussten. Vier Millionen Mark waren für die Realisierung des geplanten Klinikums veranschlagt. Als Folge des Ersten Weltkrieges konnten die 1915 begonnenen Bauten erst 1925 übergeben und damit die neue Medizinische Fakultät eröffnet werden.

    Die Freude über das Erreichte währte indes nur kurz. Der aufkommende Nationalsozialismus sorgte auch in der Fakultät für ein verändertes Klima und hinterließ bittere Spuren. Unmittelbare Opfer der neuen Machthaber wurden die Professoren von Szily und Freund, die allein deshalb, weil sie keine Arier waren, Ämter und Leben verloren haben. Als die Bomben des Zweiten Weltkrieges große Teile des Klinikums in Schutt und Asche gelegt hatten, zog die Medizinische Fakultät vorübergehend nach Bad Salzuflen um und blieb damit der letzte noch funktionsfähige Teil der Universität.

    Als die Westfälische Landesuniversität im November 1945 wieder eröffnet wurde, haben Professoren, Mitarbeiter und Studierende gemeinsam Bombentrichter aufgefüllt und Trümmer abgefahren. Mit großem persönlichem Engagement wurde der Wiederaufbau vorangetrieben. Es folgte eine beispiellose Blütezeit, in der etliche Neubauten entstanden und zahlreiche neue Kliniken und Institute gegründet wurden. Die Auseinandersetzung mit der Rolle der Medizin während des Nationalsozialismus blieb derweil zunächst auf der Strecke. Erst gegen Ende der 70er Jahre befassten sich erste Dissertationen mit dem Thema. 1987 wurde das so genannte "Verschuer- Projekt" etabliert, in dem der Nachlass des 1951 trotz seines negativen Rufes als einer der führenden Rassehygieniker des "Dritten Reiches" nach Münster berufenen Humangenetikers Otmar Freiherr von Verschuer ausgewertet wird.

    Mit dem Wachsen der Fakultät zwischen den 50er und 70er Jahren stellte sich zunehmend das Problem großer Raumnot. Dies schien zunächst behoben, als 1982 das letzte Teilstück des mit einem Kostenaufwand von einer Milliarde Mark errichteten neuen Zentralklinikums übergeben wurde. Doch bereits jetzt stoßen wieder zahlreiche Kliniken und Institute an die Grenzen ihrer räumlichen Kapazität. In der wechselvollen Geschichte der Medizinischen Fakultät sind weitere Wechsel nun schon wieder vorprogrammiert: Hat es der Fakultät so lange Zeit an einem Klinikum gefehlt, so steht jetzt im Zuge der Neurodnung der Hochschulmedizin in NRW wieder eine Trennung von Fakultät und Klinikum bevor. Welche Auswirkungen diese zwar nur rechtlich-formale Abkopplung der Krankenversorgung von Forschung und Lehre haben wird, bleibt abzuwarten.


    Bilder

    Das Klinikengelände in Münster in den 20er Jahren.
    Das Klinikengelände in Münster in den 20er Jahren.

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    Das neue Zentralklinikum der Universität Münster wurde 1982 eröffnet.
    Das neue Zentralklinikum der Universität Münster wurde 1982 eröffnet.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Organisatorisches
    Deutsch


     

    Das Klinikengelände in Münster in den 20er Jahren.


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