Eine spektakuläre Entdeckung gelang Wissenschaftlern vor einigen Jahren im südlichen Laos. Damals wurde ein neues Säugetier entdeckt: die Laotische Felsenratte (Laonastes aenigmamus). Umstritten war die Position dieses Tiers im Stammbaum der Säugetiere. Ein internationales Team mit Wissenschaftlern der Universität Münster hat die Abstammung der Felsenratte jetzt mit molekularbiologischen Methoden geklärt. Die Forschungsarbeit wurde vom Förderkreis der Uni Münster mit 15.000 Euro unterstützt.
Die Laotische Felsenratte, die in einem Gebiet aus verkarstetem Kalkstein lebt, sieht einer Ratte ähnlich und hat einen buschigen Schwanz wie ein Eichhörnchen. Das erste Exemplar der Laotischen Felsenratte wurde 1996 auf einem Fleischmarkt in Laos entdeckt. Inzwischen wurden auch lebende Exemplare gefilmt und eingefangen. Dieses Nagetier, so vermuteten Wissenschaftler, gehört zu der Familie der Diatomyiden. Diese Gruppe galt als seit mehr als elf Millionen Jahren ausgestorben. Das Auftauchen einer als ausgestorben geglaubten Art oder eines Vertreters einer als ausgestorben geglaubten Familie wird als Lazarus-Effekt bezeichnet - die Laotische Felsenratte wäre also eine solche "Lazarus-Art". Diese Einordnung wurde allerdings diskutiert. Andere Wissenschaftler hatten die Laotische Felsenratte zuvor in eine andere Familie gestellt. Sie wäre demnach eng verwandt mit Meerschweinchen, Chinchillas und Stachelschweinen.
Der Hinweis darauf, dass die Felsenratten zu den Diatomyiden gehören könnte, kam erstmals bei neueren Untersuchungen, bei denen Merkmale im Körperbau der Felsenratte mit Daten von Fossilien von Nagetieren verglichen wurden. In ihrer aktuellen Arbeit haben die Münsteraner und ihre Kollegen molekularbiologische Methoden eingesetzt und DNA-Daten der Laotischen Felsenratte mit den Daten anderer Nagetiere verglichen. Die Wissenschaftler haben dabei zwei Verfahren angewandt: Zum einen haben sie Sequenzanalysen der DNA durchgeführt, zum anderen die Position so genannter "springender Gene" (Retrotransposons) verglichen, die sich im Lauf der Evolution im Genom vervielfältigen. Mit beiden Methoden hat sich gezeigt: Die Felsenratte gehört tatsächlich zu den Diatomyiden, der Schwestergruppe einer wenig bekannten Familie afrikanischer Nagetiere, den Gundis.
Der Status der Laotische Felsenrate als "lebendes Fossil" hat sich also bestätigt. Dr. Jürgen Schmitz vom Institut für Experimentelle Pathologie der Universität Münster appelliert: "Damit dieses seltene Relikt auch weiterhin ein Zeitzeuge vergangener Jahrmillionen bleibt, sollten gezielt Maßnahmen zum Schutz seines Lebensraums getroffen werden."
Mit der Aufklärung der Abstammung der Laotischen Felsenratte ist die Arbeit der Wissenschaftler nicht abgeschlossen. "Der Stammbaum der übrigen Nagetiere ist ebenfalls sehr nebulös, da ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig", so Dr. Schmitz. Daher arbeiten die Wissenschaftler derzeit daran, mit verschiedenen molekularbiologischen Methoden den gesamten Stammbaum der Nagetiere zu rekonstruieren.
(veröffentlicht in: Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 2007, 104 (18), 7495-7499)
http://zmbe2.uni-muenster.de/expath/frames.htm
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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