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12.01.1998 00:00

Gemeinsame Fundamente für Bildverarbeitung und Computergraphik

Dr.rer.pol. Dipl.-Kfm. Ragnwolf Knorr Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Informatik: DFG foerdert FAU-Sonderforschungsbereich 603 zum Thema Dateninterpretation und Visualisierung Gemeinsame Fundamente fuer Bildverarbeitung und Computergraphik

    Eine einheitliche und praktisch erprobte Methodik fuer Analyse und Entwurf von informationsverarbeitenden Systemen, die Bilder, Sensordaten und Szenenbeschreibungen von realistischer Komplexitaet interpretieren und visualisieren, strebt der neueste Sonderforschungsbereich an der Friedrich-Alexander-Universitaet Erlangen-Nuernberg (FAU) an. Sechs Lehrstuehle und zwei Kliniken nehmen an dem Forschungsprogramm teil, das Anwendungsbeispiele aus Medizin und Technik exemplarisch aufgreift, um Fragestellungen zu bearbeiten, deren Loesung neue, tragfaehigere Fundamente fuer Bildverarbeitung und Computergraphik schaffen kann. Fuer den Sonderforschungsbereich (SFB) 603 mit dem Titel "Modellbasierte Analyse und Visualisierung komplexer Szenen und Sensordaten", der zum 1. Januar 1998 startete, stehen im laufenden Jahr rund 2,0 Millionen Mark an Foerdergeldern der Deutschen Forschungsgemeinschaft zur Verfuegung. Fuer den Zeitraum bis einschliesslich des Jahres 2000 ist eine Gesamtsumme von 5,7 Millionen Mark bewilligt worden. Prof. Dr. Heinrich Niemann (Lehrstuhl fuer Mustererkennung) hat das Amt des SFB-Sprechers uebernommen.

    An der Technischen Fakultaet beteiligen sich die Lehrstuehle fuer Mustererkennung, Graphische Datenverarbeitung, Nachrichtentechnik, Fertigungstechnologie und Stroemungsmechanik an den SFB-Projekten. Die Naturwissenschaftliche Fakultaet I ist mit dem Lehrstuhl fuer Optik vertreten. Ueber die Klinik fuer Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie und die Klinik fuer Hals-Nasen-Ohrenkranke ist die Medizinische Fakultaet in die Forschungen eingebunden. Viele der Wissenschaftler, die im neuen SFB zusammenarbeiten werden, kooperieren bereits seit laengerer Zeit, beispielsweise im Graduiertenkolleg "Dreidimensionale Bildanalyse und -Synthese", das eine aehnliche, wenn auch eingeschraenkte Thematik verfolgt, im SFB 396 "Robuste, verkuerzte Prozessketten" und im SFB 182 "Multiprozessor- und Netzwerkkonfigurationen", der zum Ende des Jahres 1998 auslaufen wird. Ein vorwiegend hardwareorientierter Forschungsschwerpunkt wird so nahtlos durch ein mehr auf Software ausgerichtetes Schwerpunktthema abgeloest. An der FAU gibt es damit derzeit zehn Sonderforschungsbereiche.

    Szenen und Sensordaten: Verschiedene Wege zu virtuellen Welten

    Systeme, die Bilder und Bildfolgen, Laute und Abtastwerte aus der Umwelt ueber Sensoren aufnehmen, die gesammelten Daten eigenstaendig, ohne steuernden Eingriff des Menschen, verarbeiten und jene Aspekte herausgreifen und graphisch darstellen, die den Anwender interessieren; Systeme zur Synthese von photorealistischen Bildern, von "kuenstlichen", aus Berechnungen aufgebauten Darstellungen, die von Kameraaufnahmen nicht oder kaum mehr zu unterscheiden sind; Systeme, die komplexe numerische Simulationen, wie die Nachahmung der Luftwirbel am Bug eines Flugzeugs, sichtbar machen - die Einsatzmoeglichkeiten von Anlagen, die ueber derartige Methoden der Datenverarbeitung verfuegen, sind vielfaeltig. Mediziner koennen, darauf aufbauend, neue Verfahren der Diagnostik, der Behandlung und der Vorbereitung von Operationen entwickeln. In der Fertigungstechnik ist eine weitreichende Automatisierung denkbar; Dienstleistungs-Roboter koennten auch Bueros und Haushalte erobern. Das Computer-Ingenieurwesen verlagert Planung, Vorbereitung und Test neuer Produkte immer mehr auf den Bildschirm. In der Multimediakommunikation, der Kombination von Ton, Schrift, Bild, Film, bewegter und unbewegter Graphik, tun sich staendig neue Einsatzfelder auf.

    Im wissenschaftlichen Instrumentarium nehmen Computergraphiken und bildverarbeitende Systeme bereits einen festen Platz ein. Inzwischen fuehlen sich aber nicht mehr nur speziell ausgebildete Fachleute oder begeisterte Autodidakten damit vertraut. Viele Patienten haben schon verfolgt, wie Teile ihres Koerpers "durchsichtig" werden, wenn moderne bildgebende Verfahren Messdaten zu sichtbaren Ergebnissen zusammenfassen. Gestuetzt auf Satellitenmessungen, zeigen Wetterprognosen Wolkenspiralen, die im Zeitraffer ostwaerts wandern: fuer Fernsehzuschauer ein alltaeglicher Anblick. Statt auf dem Zeichenbrett entstehen Entwuerfe mittels Computer-Aided Design, wodurch sie leichter abzuaendern und zu vervollkommnen sind.

    Die rechnerische Synthese von Szenen und Bildabfolgen und das Visualisieren, das Sichtbarmachen von Daten, die aus der Umwelt gewonnen sind, werden aeusserst aufwendig und kompliziert in dem Masse, in dem realistische Komplexitaet angestrebt ist. Computeranimationen, etwa tanzende Buchstaben oder Figuren, die sich wie im Zeichentrickfilm bewegen, erfordern weder hohen Rechenaufwand noch schwierig zu erarbeitende Rechenfunktionen, die die Ausfuehrung steuern. Auch Simulationen wie die "Wiederbelebung" einer ausgestorbenen Tierart aus Skelettresten beruhen auf vergleichsweise wenigen realen Daten und bleiben meist zweidimensional. Der Aufbau einer natuerlich wirkenden beleuchteten Szene mit Flaechen, die das Licht ganz oder teilweise widerspiegeln; das Auffinden von Personen, die in einem Zimmer umhergehen und miteinander sprechen; die Darstellung der Weichteile eines Gesichtsschaedels und ihrer Verformung durch eine Operation - das sind weit anspruchsvollere Aufgaben, wie sie fuer Teilprojekte des SFB gestellt sind.

    An Systeme, die reale Objekte und Beziehungen zwischen Objekten in allen wichtigen Details selbstaendig erkennen, analysieren, auf ein dreidimensionales Modell abbilden, in der Bewegung verfolgen oder als Massstab fuer eine Simulation verwenden sollen, sind hohe Anforderungen zu stellen. Entsprechend gross sind die Probleme, die zu loesen sind. Wie zum Beispiel kann aus ungeheuren Mengen an Eingangsdaten eine Auswahl so getroffen werden, dass die zur Verarbeitung noetige Rechenzeit nicht ins Uferlose waechst und trotzdem alle relevanten Informationen erhalten bleiben? Wie ist die "Aufmerksamkeit" eines Sensors so zu lenken, dass er moeglichst nur die Aspekte aufgreift, die gefragt sind? Wie lassen sich Daten verschiedener Sensoren - Bildaufnahmen aus unterschiedlichen Entfernungen und Blickwinkeln, Bild und Ton - am besten integrieren? Was Gehirn und Sinnesapparat des Menschen ohne bewusste Anstrengung in Hoechstgeschwindigkeit leisten, muss fuer Entwurf und Entwicklung von Datenverarbeitungssystemen in Einzelschritte, in eine Abfolge mathematischer Operationen zerlegt werden. Je komplexer die Konstruktion synthetischer Szenen und das Netz umweltbezogener Sensordaten werden, desto komplizierter wird die mathematische Sprache, das Regelsystem der Algorithmen.

    Kerne im SFB-Gehaeuse: Die langfristigen Perspektiven

    Obwohl konkrete Anwendungsbeispiele fuer die Teilprojekte ausgewaehlt wurden, sind Einzelloesungen fuer Detailfragen nicht die hauptsaechliche Zielrichtung des Sonderforschungsbereichs. Die Gemeinsamkeiten von Visualisierung und Sensordateninterpretation sollen herausgearbeitet und Loesungen fuer die zugrundeliegende Problematik angegangen werden. Das langfristige Forschungsprogramm des SFB 603 ist auf vier Kernthemen angelegt: modellbasierte Ansaetze, Entwicklung von Loesungen aus Optimierungsverfahren, Verwendung von Aufloesungshierarchien und Fusion von Sensordaten.

    In Modellen sind alle Aspekte widergespiegelt, die fuer die Anwendung relevant sind und eine wirklichkeitsgetreue Darstellung oder eine Nachahmung moeglich machen, die der Realitaet gerecht wird. Sie bilden ein Bezugssystem fuer Visualisierung und Interpretation. Fuer sehr unterschiedliche Modellansaetze - etwa Modelle, die auf Flaechen und Kanten aufbauen, oder solche, die statistische Haeufigkeiten aus der "Trainingsansicht" einer Szene ablesen - gibt es gemeinsame Problemfelder, die innerhalb des SFB bearbeitet werden sollen. Dazu gehoert zum einen die automatische Konstruktion der Modellstruktur, beispielsweise beim Zusammenfuehren ueberlappender Teilansichten zum dreidimensionalen Abbild eines Objekts. Ebenfalls fuer alle Modelle muss eingeschaetzt werden, welche Merkmale als Eckwerte unverzichtbar sind. Schliesslich gilt als generelles Ziel, dass Modelle einen effizienten Weg zu der 3D-Bildverarbeitung oeffnen sollen, die dem Anwender von Nutzen ist.

    Ein Weg zur rechnerischen Umsetzung dieser Zielvorgabe sind Optimierungsverfahren, Rechenoperationen, die dazu eingesetzt werden, eine bestimmte Zielgroesse moeglichst klein oder moeglichst gross zu halten. Ein Beispiel dafuer ist die groesstmoegliche Uebereinstimmung zwischen Modell- und Bildmerkmalen zur Klassifikation, wie sie etwa fuer das Erkennen von Fahrzeugen im Strassenverkehr noetig ist. Wenn sich Kriterien finden lassen, die zur Optimierung geeignet sind, koennen Loesungen vieler Probleme systematisch abgeleitet werden.

    Aufloesungshierarchien erlauben die schrittweise Auswahl wichtiger Informationen aus einer Vielfalt vorliegender Daten, indem sie eine pyramidenaehnliche Anordnung schaffen. Ein moeglichst grosser Anteil des relevanten Informationsgehalts wird so in einer moeglichst kleinen Datenmenge konzentriert. Komplexe Merkmale werden in einfache Elemente zerlegt; noch recht undeutliche Bilder mit niedrigem Informationsgehalt liefern Werte, die fuer die Auswertung der naechsten, verfeinerten, schaerferen Aufloesungsstufe als Startposition gelten. Diese Vorgehensweise vereinfacht und beschleunigt das Auffinden gesuchter Elemente, spart sehr viel Rechenzeit ein und traegt dazu bei, Fehler zu vermeiden.

    Daten aus unterschiedlichen Sensoren oder Sensorpositionen werden fuer viele Anwendungsvorgaben gebraucht. Die Kombination der Lippenbewegung einer sprechenden Person mit sprachlichen Lauten kann beispielsweise das Erkennen sicherer steuern, als es die Nutzung der akustischen oder der optischen Signalquelle fuer sich genommen koennte. Im SFB sind Forschungen auf Algorithmen gerichtet, die jeweils die optimale Verschmelzung verschiedenartiger Sensordaten leisten.

    Raum, Zeit und hoehere Dimensionen: Modelltypen und Projektbereiche

    Jeder der drei Projektbereiche, in die der Sonderforschungsbereich gegliedert ist, greift einen bestimmten Modelltypus auf: Modelle fuer zeitinvariante 3D-Oberflaechen, fuer zeitabhaengige 3D-Oberflaechen und fuer Volumina und hoeherdimensionale Strukturen. Keine zeitliche Komponente ist zu beruecksichtigen, wenn Gegenstaende in ihrer geometrischen Form vermessen und fuer die Darstellung auf dem Bildschirm aufbereitet werden sollen, beispielsweise fuer die Analyse von Verschleisserscheinungen an Werkzeugen oder die optimale Regelung von Herstellungsprozessen fuer komplex geformte Bauteile. Auch ein beleuchteter Raum laesst sich unabhaengig von zeitlichen Gegebenheiten simulieren.

    Bei einem Roboter dagegen, der sich in einer Bueroumgebung orientieren und Personen folgen kann, die sich dort aufhalten, oder einem Trainingssystem, das Patienten mit Gesichtslaehmungen individuelle Hilfen zur Rehabilitation leistet, kommt mit der Bewegung auch die Zeit ins Spiel. Aussergewoehnlich hoch sind die Datenmengen bei der Visualisierung und Interpretation von Volumina und hoeherdimensionalen Strukturen. Unregelmaessige Oberflaechen lassen ein Tierfell, einen Baum oder ein Stueck Stoff zu schwierigen Objekten fuer die dreidimensionale Rekonstruktion werden; die Simulation turbulenter Stroemungsvorgaenge in Echtzeit kann nur durch aufwendige Verarbeitung auf eine Weise sichtbar gemacht werden, die den Beobachter nicht ueberfordert.

    Drei uebergreifende Arbeitskreise wurden zusaetzlich eingerichtet, die sich mit den Themen Optimierungsverfahren, Visualisierung und Interpretation sowie Qualitaetssicherung befassen. Sie sollen sicherstellen, dass innerhalb des Sonderforschungsbereichs die Aufmerksamkeit staendig auf Querbezuege zwischen den Teilprojekten gerichtet bleibt. gp

    Kontakt: Prof. Dr.-Ing. Heinrich Niemann, Lehrstuhl fuer Mustererkennung, Martensstrasse 3, 91058 Erlangen, Tel.: 09131/85 -7775, Fax: 09131/30 38 11, E-Mail: niemann@informatik.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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