Ein Farbanstrich, der Luftschadstoffe in unschädliche Bestandteile zerlegt, so dass das Atmen im Zimmer gesünder wird - solche Ankündigungen klingen nach Zukunftsmusik. Tatsächlich gibt es bereits einen Luftreiniger aus dem Farbeimer für die Wände von Innenräumen, ebenso eine Außenfarbe, die in Tunnels oder in Städten an vielbefahrenen Straßen die Luft verbessern kann. Innerhalb von fünf Jahren hat die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Horst Kisch am Institut für Anorganische Chemie der Universität Erlangen-Nürnberg in Zusammenarbeit mit zwei Industriefirmen eine Dispersionsfarbe entwickelt, die von Tages- oder Kunstlicht dazu angeregt wird, gegen schlechte Luft aktiv zu werden. Beim Wettbewerb zum 28. Innovationspreis der Deutschen Wirtschaft wurde diese Farbe als eine der besten fünf Innovationen in der Sparte Mittelständische Unternehmen gewertet.
Für die reinigende Wirkung verantwortlich ist das weiße Pigment Titandioxid, das seit langem in Malerfarben und Zahnpasta verwendet wird. In diesen Produkten ist seine Oberfläche so modifiziert, dass es keine nennenswerten chemischen Reaktionen auslösen kann, wenn Lichtstrahlen darauf treffen. Ohne eine derartige Desaktivierung absorbiert es dagegen Energie aus UV-Strahlung, und an der Oberfläche entstehen äußerst reaktionsfreudige Zentren. Beim Kontakt mit Luft ergeben sich Sauerstoffverbindungen, die ihrerseits Reaktionen in Gang setzen und Moleküle der Umgebung aufspalten. Dabei wird das Titandioxid nicht verbraucht, sondern es spielt die Rolle eines Foto-Katalysators.
Anregung durch sichtbares Licht
Was bei Zahncreme ein unerwünschter Effekt ist, war für die Forschungsarbeiten der Erlanger Arbeitsgruppe ein willkommener Ansatzpunkt, denn reaktive Sauerstoffgruppen können Schadstoffmoleküle der Umgebung unter Mithilfe des Katalysators vollständig in harmlose Stoffe zersetzen. Stickoxide beispielsweise werden zu Nitrat abgebaut. Allerdings ist der Anteil des ultravioletten Lichts im Sonnenlicht mit drei Prozent zu gering, um Titandioxid in einen effektiven Katalysator zu verwandeln. Die weißen Pigmentpartikel mussten so umkonstruiert werden, dass auch der sichtbare Lichtanteil, etwa 50 Prozent der Sonnenstrahlung, genutzt werden konnte.
Innerhalb von drei Jahren ist es der Arbeitsgruppe am Erlanger Institut für Anorganische Chemie gelungen, ein Kohlenstoff-modifiziertes Titandioxid zu entwickeln, welches selbst im diffusen Tages- oder Kunstlicht Luft- und Wasserschadstoffe abbauen kann. Zwei Jahre später war eine Innenraumdispersionsfarbe auf dem Markt, die Schadstoffe wie Kohlenmonoxid, Stickoxide, Formaldehyd, Dichlorethylen und Benzol aus der Luft entfernt. Im Test sank die Konzentration von Luftschadstoffen innerhalb weniger Tage um rund 80 Prozent, wenn Bürowände mit der Farbe gestrichen waren.
In die Neuentwicklung brachten die Erlanger Chemiker 25 Jahre Erfahrung in der Anwendung der Halbleiter-Photokatalyse in der chemischen Synthese ein. "Besonders stolz sind wir darauf, dass in ungewöhnlich kurzer Zeit ein Ergebnis der Grundlagenforschung für ein technisches Produkt genutzt wird", erklärt Projektleiter Professor Horst Kisch. Dazu verholfen hat die Kooperation mit der im Schwarzwald ansässigen Sto AG und dem deutsch-amerikanischen Chemiehersteller Kronos.
Die Universität Erlangen-Nürnberg, gegründet 1743, ist mit 26.000 Studierenden, 550 Professoren und 2000 wissenschaftlichen Mitarbeitern die größte Universität in Nordbayern. Ihre Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen an den Schnittstellen von Naturwissenschaften, Technik und Medizin in enger Verknüpfung mit Jura, Theologie, Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften.
Weitere Informationen für die Medien:
Prof. Dr. Horst Kisch
Professur für Anorganische Chemie
Tel.: 09131/85-27363
horst.kisch@chemie.uni-erlangen.de
Mit der neuen Dispersionsfarbe an der Wand bleibt die Luft im Zimmer frisch.
Foto: Sto AG
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Bauwesen / Architektur, Biologie, Chemie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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