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11.10.2000 16:27

Literatur als Blätterwerk

Norbert Frie Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    Ein Buch von der ersten bis zur letzten Seite zu lesen, genau darum geht es Dr. Jürgen Gunia nicht. Den münsterschen Germanisten interessiert nicht so sehr die durch Seitenzahlen vorgegebene Reihenfolge der Seiten eines Buches und auch nicht die Geschlossenheit des Textes, sondern vielmehr das "Blättern". Zusammen mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Iris Hermann aus Bielefeld veranstaltet der Dozent des Instituts für Deutsche Philologie II der Universität Münster vom 12. bis 14. Oktober im Schloss zu Münster ein Symposion zum Thema "Literatur als Blätterwerk".

    "Blättern" beschreibt für gewöhnlich eine Beschäftigung mit Literatur, die mit verhältnismäßig geringem Aufwand oberflächlich betrieben wird. Die "nichtlineare Lektüre" bricht unvermittelt an beliebiger Stelle ab, um wenig später an anderer Stelle wieder einzusetzen. Der Leser springt sozusagen willkürlich im Text hin und her. In den vergangenen Jahren hat sich in der Wissenschaft eine positive Wertung dieser Art des Lesens aufgrund neuer philosophischer und texttheoretischer Ansätze durchgesetzt. Aber auch das Aufkommen neuer Medien hat dem Blättern eine neue Rolle zugewiesen. So ist das "Surfen" im Internet und das damit verbundene Hin- und Herspringen zwischen verschiedenen Informationseinheiten aus dem Alltag vieler Berufe kaum mehr wegzudenken. Ein anderes Beispiel mit erheblichem Zukunftspotential ist die Digitalisierung von bislang nur in Buchform zugänglichen Texten.

    Die Beiträge der Tagung "Literatur als Blätterwerk", die ausschließlich von Nachwuchswissenschaftlern gehalten werden, knüpfen an diese Positionen und Entwicklungen an. Sie behandeln relevante Medien, befassen sich mit theoretischen Kontexten nichtlinearer Lektüre und untersuchen schließlich die Literatur vom deutschen Barock bis zur amerikanischen Postmoderne. So wird ein breites Spektrum, vom Hypertext bis zum Film, von der Systemtheorie bis zur Psychoanalyse thematisiert, das neue Perspektiven eröffnet.

    Im Mittelpunkt der Vorträge steht einerseits das Buch als ein aus Einzelblättern zusammen gesetztes Medium, welches das Blättern und Abweichen vom fortlaufenden Text ermöglicht und
    andererseits die Literatur als ein Diskurs, der von der frühen Neuzeit an von eben dieser Möglichkeit reichlich Gebrauch macht. Insgesamt sechzehn Beiträge sorgen für ein weitgefächertes Programm. Chronologisch spannt sich der Rahmen der untersuchten literarischen Texte von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart.

    So zeigt zum Beispiel Michael Ott an Texten von Kafka, dass eine Edition durch Kommentare einen literarischen Text immer weiter verzweigt und doch auf diese Weise versucht den definitiv gültigen Text festzulegen. In einem weiteren Beitrag mit dem nach Urlaub klingenden Titel "Inselhüpfen" behandelt Carlo Brune ein Werk des französischen Poststrukturalisten Roland Barthes im Hinblick auf die zunehmende Steigerung nichtlinearer - also "hüpfender" - Strukturen. Sogar der legendäre Zettelkasten von Niklas Luhmann erfährt als Symbol für die von Holger Heugner als "Verzettelung" betrachtete Theoriearbeit des Soziologen ungeahnte Aufmerksamkeit.

    Im letzen Vortrag stellt Martina Stange unter dem Titel "Blockierte Lektüren" den Roman "The Mezzanine" von Nicholson Baker vor. Sie demonstriert, dass die Einheiten, die beim Blättern immer schneller umgewendet werden, mehr und mehr an Umfang verlieren und der Text letztendlich nur noch aus Partikeln besteht und das "Lesen" zu einem "Partikelgestöber" wird.


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-muenster.de/Rektorat/veranst/vst0507.htm


    Bilder

    Beim Blättern hilft die Lesemaschine.
    Beim Blättern hilft die Lesemaschine.

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Sprache / Literatur
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

    Beim Blättern hilft die Lesemaschine.


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