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10.07.2008 12:34

Wirtschaftsstraftaten folgen bestimmtem Muster

Dipl.-Journalist Tobias D. Höhn Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Leipzig

    Wirtschaftskriminelle, die Täter mit den weißen Kragen, beschäftigen den Kriminologen Prof. Dr. Hendrik Schneider von der Juristenfakultät der Universität Leipzig schon seit langem. Er hat das "Leipziger Verlaufsmodell wirtschaftskriminellen Handelns" entwickelt. In einer öffentlichen Vorlesung des Profilbildenden Forschungsbereichs Riskante Ordnungen stellt er Ergebnisse seiner Forschungen vor.

    Zeit: 14. Juli 2008, 18:00 Uhr
    Ort: Neubau Geisteswissenschaften, Beethovenstraße 15, Leipzig, Raum 5.015

    Meist sind sie mehr oder weniger unauffällig: In der Regel leben sie in einem intakten sozialen Umfeld, zumeist in sicheren Verhältnissen, sie fallen nicht durch schlechte Zähne oder ein ungepflegtes Äußeres ins Auge. Mit einem Anteil von lediglich 1,7 Prozent an der Zahl der Gesamtstraftäter scheinen sie eine vernachlässigbare Größe zu sein. Aber: Der durch sie angerichtete Schaden betrug im Jahr 2005 rund 4,2 Milliarden Euro, die Hälfte der von Straftätern insgesamt verursachten Schadenssumme.

    Straftaten in der Wirtschaft werden nur dann wirklich zur Kenntnis genommen, wenn bekannte Unternehmen oder prominente Manager darin verwickelt sind. Mit Blick auf den von Wirtschaftskriminellen angerichteten volkswirtschaftlichen Schaden wird allerdings deutlich, dass sich die Beschäftigung mit dem Themenfeld unbedingt lohnt. "Bis heute gibt es jedoch weder eine einheitliche Definition der Wirtschaftskriminalität noch sind spezielle Theorien zur Wirtschaftskriminalität vorhanden", zeigt Prof. Schneider auf. Basierend auf einem grundsätzlichen Forschungsansatz zur Kriminalität definiert er im "Leipziger Verlaufsmodell", worin die Besonderheiten bei Wirtschaftsstraftaten bestehen. "Im Gegensatz zu Tätern der Straßen- und Elendskriminalität ist es die Berufstätigkeit, die überhaupt erst Möglichkeiten zur Tatbegehung eröffnet", macht Schneider deutlich.

    Am Arbeitsplatz könne eine "günstige Gelegenheit" erkannt und auch als solche definiert werden. Zu einer Straftat kann es kommen, wenn der Täter die ungesetzliche Handlung als akzeptable Verhaltensalternative annimmt. Dabei unterscheidet Schneider zwischen solchen, die entsprechende Gelegenheiten aktiv suchen und solchen, die sie einfach ergreifen, wenn sie sich ergeben. "Dieses Ergreifen von Gelegenheiten ist dann häufig mit Neutralisierungsstrategien verbunden, die für Wirtschaftsstraftaten typisch sind", erläutert der Kriminologe. Dazu gehören Erklärungen wie "Das tut doch niemandem wirklich weh" oder "Das gehört nun einmal zum Geschäft". Bisweilen wird auch versucht, die Straftat damit zu erklären, dass man mehr verdient habe, als das Unternehmen zu geben bereit gewesen sei.

    Auslöser für eine Wirtschaftstraftat können Spannungen sein, die der potenzielle Straftäter auf sich persönlich bezieht, wie etwa Frustration am Arbeitsplatz, erlebte Kränkungen oder das Gefühl, von Vorgesetzten und Mitarbeitern nicht anerkannt zu werden. Es gibt aber auch das Bild, dass Betroffene sich an einen Lebensstil gewöhnt haben, der nicht ihrem Einkommen entspricht. Aus einer solch unrealistischen Beziehung zu Geld kann auch ein anderes Phänomen entspringen, indem ein Straftäter etwa sein Budget überzieht, um mit völlig überzogenen Gewinnerwartungen in Spekulationsgeschäfte einzusteigen.
    Druck kann natürlich auch aus persönlichen Krisen oder unerwarteten Wendungen im Lebenslauf resultieren. "Beispiele dafür sind Scheidungen, die mit hohen Unterhaltszahlungen verbunden sind, oder die Verpflichtung zur Begleichung hoher Steuerschulden", legt der Kriminologe dar. Aus kriminologischer Sicht komme es dabei weniger auf das Ereignis als solches an, sondern vielmehr darauf, wie Betroffene reagieren. Hier können starke Bindungen zu anderen dazu führen, dass es nicht zu einer Straftat kommt. Umgekehrt heißt es aber auch, dass Menschen mit schwachen Bindungen in Familie oder Arbeitsumfeld weniger Halt finden und deshalb dem Druck eher nachgeben.

    Insgesamt stellt es sich so dar, dass Wirtschaftsstraftaten oft einem bestimmten Muster folgen. "Das Modell wirtschaftskriminellen Handelns kann vor allem für die Prävention von Wirtschaftsstraftaten im Unternehmen und für die Identifikation gefährdeter, aber auch für Vertrauenspositionen besonders geeigneter Personen fruchtbar gemacht werden", so Professor Schneider. Die im "Leipziger Verlaufsmodell" formulierten Thesen will er anhand von Experteninterviews weiter untermauern.

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    Weitere Informationen:
    Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzugsrecht
    Prof. Dr. Hendrik Schneider
    Telefon: (0341) 97-35 220
    E-Mail: hendrik.schneider@uni-leipzig.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-leipzig.de/~prozess - Internetseite von Prof. Dr. Hendrik Schneider
    http://www.uni-leipzig.de/~order/content/ - Internetseite des Profilbildenden Forschungsbereichs Riskante Ordnungen


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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