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01.12.2008 09:01

Kontrolle von MicroRNA-21 weist Weg für Therapie von Herzmuskelschwäche

Dr. Ulrich Marsch Zentrale Presse & Kommunikation
Technische Universität München

Die Herzmuskelschwäche oder Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten Todesursachen in unserer Gesellschaft. Einem internationalen Forscherteam um Professor Stefan Engelhardt, den die TU München erst kürzlich als Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie gewinnen konnte, zeigt nun erstmals einen Weg auf, wie man Herzschäden vermeiden oder sogar heilen könnte, in dem man die Aktivität kleinster RNA-Moleküle, so genannter microRNAs, reguliert. Die Arbeiten werden heute in der Online-Ausgabe der renommierten Zeitschrift Nature veröffentlicht (Nature, Advance Online Publication, 30. November 2008)

Die Herzmuskelschwäche gilt als eine der häufigsten Todesursachen in den Industrienationen. Gegenwärtige Therapien können das Fortschreiten der Erkrankung lediglich verlangsamen, jedoch meistens nicht heilen. Einen viel versprechenden Therapieansatz haben nun Forscher eines internationalen Kooperationsprojekts um Professor Stefan Engelhardt gefunden, den die TU München erst kürzlich als Direktor des Instituts für Pharmakologie und Toxikologie gewinnen konnte. Engelhardt und seine Arbeitsgruppe arbeiteten bei der Entdeckung eng mit dem Forscherteam um Thomas Thum und Johann Bauersachs (Medizinische Klinik I, Universitätsklinik Würzburg) zusammen. Die Forscher konzentrieren sich insbesondere auf die Einflüsse von microRNAs bei der Entstehung der Herzinsuffizienz. Im Rahmen der nun in der renommierten Zeitschrift "Nature" veröffentlichten Arbeiten konnte die Wissenschaftlerteams zeigen, dass die Konzentration von microRNA-21 und die Schädigung des Herzgewebes bei Herzinsuffizienz in einem deutlichen Zusammenhang stehen: Im versagenden Herzen ist die mircoRNA-21-Konzentration deutlich höher als bei gesundem Herzgewebe. Hielten die Forscher die Konzentration an microRNA-21 gering, so gingen auch die Schäden zurück.
Doch wo setzt die Wirkung der microRNA-21 an? Computermodelle deuteten darauf hin, dass die microRNA-21 an eine Messenger-RNA mit dem Namen Spry1 bindet und deren Aktivität stoppt. Und in der Tat, unterbindet man diese Aktivität auf andere Weise, so tritt der gleiche Effekt auf. Fehlt die regulierende Wirkung von Spry1, so werden mehr Bindegewebszellen gebildet als nötig, was zu einer Fibrose, einer Verhärtung des Gewebes führt. Nahm man früher an, dass die Fibrose eine Folgeerscheinung der Schädigung der Herzmuskelzellen ist, so stellen Engelhardts Ergebnisse diese Hypothese auf den Kopf. Gleichzeitig weisen sie den Weg zur Bekämpfung einer durch ein Zuviel an microRNA-21 ausgelösten Herzinsuffizienz.
Eine Möglichkeit, die Aktivität von microRNA zu unterdrücken, ist der Einsatz von Antagomiren. Das sind maßgeschneiderte synthetische Einweißmoleküle, die die Aktivität von microRNA hemmen. Die Teams um Engelhardt, Thum und Bauersachs bewiesen, dass die Herzschäden durch zu große microRNA-21-Aktivität bei Mäusen durch die Gabe von Antagomir-21 tatsächlich reduziert werden können. Im Rahmen der noch an der Universität Würzburg durchgeführten Arbeiten konnte er auch zeigen, dass die zunächst am Mausmodell durchgeführten Versuche sich auch auf menschliche Herzzellen übertragen lassen.
"Gegenwärtige Therapien können das Fortschreiten der Herzinsuffizienz lediglich verlangsamen, jedoch meist nicht heilen. Unsere Ergebnisse zeigen erstmals einen Weg, wie diese Krankheit durch Regulation von microRNA behandelt werden könnte", sagt Stefan Engelhardt. Bis die neue Methode allerdings in Form von Medikamenten zur Verfügung steht, bedarf es noch einiger Jahre intensiver Forschungsarbeit.
Obwohl schon vor 15 Jahren entdeckt, wurde erst in den letzten Jahren klar, welch umfassende Bedeutung microRNAs zukommt: Inzwischen wurden eine große Zahl von microRNA-Molekülen identifiziert; jeder Gewebetyp hat sein eigenes microRNA-Profil. Die Wissenschaft nimmt an, dass sie an der Steuerung einer großen Zahl verschiedenster Vorgänge beteiligt sind. Eine ganz wichtige Rolle scheinen microRNAs dabei zu spielen, wann ein Gen abgelesen und ein Protein produziert wird.
Die Arbeiten wurden in Teilen unterstützt durch das Interdisziplinäre Zentrum für Klinische Forschung der Universität Würzburg, die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG TH 903/7-1), das DFG-Forschungszentrum für Experimentelle Biomedizin (Rudolf Virchow Zentrum), das Bayerische Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, ProCorde, Sanofi Aventis SE und die National Institutes of Health der USA (R01 CA78711).

Titel der Originalarbeit: MicroRNA-21 contributes to myocardial disease by stimulating MAP kinase signalling in fibroblasts., Nature, Advance Online Publication, 30.November 2008


Weitere Informationen:

http://dx.doi.org/10.1038/nature07511 Originalarbeit


Bilder

Unter einem konfokalen Lasermikroskop zeigt die kräftige rote Färbung der untersuchten Herzzellen, dass sie das mit einem roten Fluoreszenzfarbstoff markierte Antagomir aufgenommen haben.
Unter einem konfokalen Lasermikroskop zeigt die kräftige rote Färbung der untersuchten Herzzellen, d ...
Quelle: Bild: Engelhardt/TUM


Ergänzung vom 02.12.2008

Antagomire sind synthetisch hergestellte kurze RNA-Ketten, die genau das komplementäre Gegenstück zur entsprechenden microRNA darstellen. Sie binden an die microRNA und hemmen so deren Aktivität.

Ergänzung: Erst vor kurzem würdigte die französische Fondation Leducq die Erfolge Engelhardts mit der Stiftung von umgerechnet etwa 5 Mio. Euro für die Bildung eines "Transatlantic Network of Excellence in Cardiac Research", bei dem führende Experten aus Europa und den USA gemeinsam neue therapeutische Strategien zur Bekämpfung der Herzmuskelschwäche entwickeln sollen. Die Förderung soll nun genutzt werden um Expertenwissen, Methoden, Krankheitsmodelle und Reagenzien zwischen den beteiligten Forschungslaboren auszutauschen und insbesondere junge Wissenschaftler zu fördern.
Link: http://portal.mytum.de/pressestelle/meldungen/news_article.2008-11-10.7094144047


Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch


 

Unter einem konfokalen Lasermikroskop zeigt die kräftige rote Färbung der untersuchten Herzzellen, dass sie das mit einem roten Fluoreszenzfarbstoff markierte Antagomir aufgenommen haben.


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