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22.01.2001 10:41

Betriebliche Auswirkungen unterschiedlich langer Arbeitstage

Eva Faresin Kommunikation und Marketing
Universität zu Köln

    10 /2001 (KRINGS)

    Ärzte im Krankenhaus - ist ihr Arbeitstag zu lang?
    Betriebliche Auswirkungen unterschiedlich langer Arbeitstage
    Köln-Preis für Dr. Achim Krings

    Bei der betrieblichen Arbeitszeit-gestaltung ist unter anderem auch die Länge des Arbeitstages zu bestimmen. Die Bedeutung dieses Entscheidungsproblems zeigt sich beispielsweise bei der Arbeitszeitgestaltung in Krankenhäusern. Dort wird die Frage, ob zu lange Schichtdienste von Ärzten die Qualität der Patientenversorgung beeinträchtigen, immer wieder diskutiert. Auch in der Diskussion um Teilzeitarbeit streitet man sich über die Frage, welche betrieblichen Konsequenzen unter-schiedlich lange Arbeitstage haben. Der Kölner Volkswirt Dr. Achim Krings untersucht diese Fragen in seiner im betriebs-wirtschaftlichen Bereich angesiedelten Doktorarbeit "Theorie und Empirie unterschiedlich langer Arbeitstage am Beispiel von Schicht- und Teilzeitarbeit". Er wurde für seine Dissertation, die durch Professorin Dr. Uschi Backes-Gellner betreut wurde, mit dem Köln-Preis 2000 ausgezeichnet.

    Die theoretische Analyse der betrieblichen Auswirkungen unter-schiedlich langer Arbeitstage weist auf folgenden Zielkonflikt hin: Einerseits sinkt aufgrund von Ermüdungseffekten bei längerer täglicher Arbeitszeit tendenziell die Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern. Andererseits erleichtert eine längere täg-liche Arbeitszeit die Informationsweitergabe im Betrieb, weil weniger Wechsel zwischen Arbeitnehmern erforderlich sind - so wird eine ganzheitlichere Behandlung der Aufgaben möglich. Theore-tisch ist nur schwer vorherzusagen, welcher dieser gegenläufigen Effekte auf die betriebliche Produktivität dominiert. Deshalb führte Dr. Krings eine empirische Untersuchung durch: Er verglich die Quali-tät der Patientenversorgung auf sechs chirurgischen Intensiv-stationen deutscher Universitätskliniken, in denen die Ärzte unterschiedlich lange pro Tag arbeiten.

    Die verwendeten Daten stammen aus einem interdisziplinären For-schungsprojekt, das durch Professor Dr. Arnulf Hölscher, Direktor der Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie, ange-regt wurde. Die Studie entstand in Zusammenarbeit zwischen der Klinik und dem Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Personal-wirtschaftslehre der Universität zu Köln. Auf Seiten der Klinik wurde das Projekt von Privatdozentin Dr. Elfriede Bollschweiler betreut.

    Kern dieser empirischen Untersuchung war die Frage, ob eine bessere Patientenversorgung eher durch ein Zweischicht- oder ein Dreischichtmodell für Ärzte erreicht werden kann. Bei einem Zwei-schichtmodell erstreckt sich eine Schicht auf zwölf Stunden, bei einem Dreischichtmodell hingegen auf acht Stunden. Im Gegenzug haben Ärzte im Zweischichtmodell eine größere Anzahl an freien Tagen als im Dreischichtmodell.

    Die Qualität der Patientenversorgung als der kritischen Erfolgs-größe für die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle wurde dabei anhand der Gesundheitsverläufe von 347 Patienten gemessen, die in einem einmonatigen Erhebungszeitraum auf den sechs Intensiv-stationen behandelt wurden. Weil auf Intensivstationen eine große Menge an vergleichsweise objektiven Daten über den Gesundheits-zustand der Patienten erhoben wird, eignen sie sich besonders gut für die Analyse der Qualität der Patientenversorgung. Die bestehenden Unterschiede zwischen den untersuchten Intensiv-stationen im Hinblick auf personelle und technische Ausstattung, den Schweregrad der Erkrankung der Patienten und die akute Arbeitsintensität während des Aufenthaltes auf der Intensiv-station, wurden erhoben und statistisch korrigiert, so daß ver-bleibende Unterschiede in der Qualität der Patientenversorgung auf die unterschiedlichen Arbeitszeitmodelle kausal zurückgeführt werden können.

    Im Ergebnis stellte sich heraus, daß die Qualität der Patienten-versorgung auf den Intensivstationen mit einem Zweischichtmodell etwas besser war als auf den Intensivstationen mit einem Dreischichtmodell. Ein vergleichsweise langer Arbeitstag von etwa zwölf Stunden scheint also in diesem Anwendungsfall dem "Normal-arbeitstag" von acht Stunden überlegen zu sein.

    In Ergänzung zu dieser Untersuchung der Auswirkungen unter-schiedlicher Schichtmodelle auf die Qualität der Patientenversor-gung wurden die beteiligten Ärzte zu ihrer Arbeitsbelastung und zu ihren Arbeitszeit-Präferenzen befragt. Dabei ergaben sich keine bedeutenden Unterschiede in Belastung und Leistungsfähig-keit der Ärzte in Zwei- und Dreischicht-Kliniken. Die befragten Ärzte stehen den längeren täglichen Arbeitszeiten des Zwei-schichtmodells in der Tendenz positiv gegenüber. Eine eindeutige Bevorzugung des einen oder anderen Arbeitszeitmodells konnte aber nicht festge-stellt werden, da einzelne Ärzte, zum Beispiel auf-grund ihrer familiären Situation, kürzere Arbeitstage präferie-ren, wogegen die Mehrzahl die längeren Arbeitstage mit den damit verbundenen längeren Freizeitblöcken vorzieht.

    Insgesamt scheint damit das Ergebnis einer höheren Qualität der Patientenversorgung im Zweischichtmodell also darauf zurückzufüh-ren sein, daß dabei die Leistungsfähigkeit der Ärzte im Vergleich zum Dreischichtmodell nicht beeinträchtigt ist, wohingegen die Informationsweitergabe aufgrund der geringeren Häufigkeit von Schichtwechseln besser zu funktionieren scheint als im Dreischichtmodell.

    Um die Repräsentativität dieses besonderen Anwendungsfalls zu prüfen, verglich Dr. Krings auch die besonderen Vor- und Nach-teile von Teil- und Vollzeitarbeit in allen Beschäftigungs-verhältnissen. Dazu zog er Daten aus der zwölften Welle des Sozioökonomischen Panels (SOEP) von 1995 heran, die vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung bereitgestellt wurden. Auch diese Untersuchung bestätigte die negativen Auswirkungen von kurzen Arbeitstagen auf die Informa-tionsflüsse in Unternehmen. Lange Arbeitstage sind insbesondere dann vorteilhaft, wenn Tätig-keiten schwer standardisierbar sind, wenn die Arbeitsergebnisse schwer meßbar sind, wenn der Arbeits-anfall schwer planbar ist und wenn die Beziehung zu Kunden persönlicher und spezifischer Natur ist. Nur wenn dies nicht der Fall ist, sind Teilzeit-arbeitsverhältnisse betriebswirtschaftlich vorteilhaft und damit wettbewerbsfähig.

    (102 Zeilen à 60 Anschläge)
    Verantwortlich: Eva Faresin
    Für Rückfragen steht Ihnen Professorin Dr. Uschi Backes-Gellner unter der Telefonnummer 0221/470-5887 und der Fax-Nummer 0221/470-5078 zur Verfügung.
    Unsere Presseinformationen finden Sie auch im World Wide Web unter http://www.uni-koeln.de/organe/presse/pi/.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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