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12.02.2001 00:00

Kritik der NRW-Universitäten: Neue Behörde ignoriert Landtag

Rolf Willhardt Stabsstelle Presse und Kommunikation
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    In einem Pressegespräch haben heute die Kanzler der Universitäten Bonn, Duisburg, Düsseldorf und Münster den neu geschaffenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW kritisiert.

    Mit Beginn des Jahres 2001 wurden sämtliche Grundstücke und Gebäude des Landes Nordrhein-Westfalen in die Zuständigkeit eines neugegründeten "Bau- und Liegenschafts-Betriebes NRW" (BLB) überführt. Auch die Hochschulen sind hiervon betroffen. Ihr Sonderstatus wird durch eine Entschließung des Landtages vom 6. Dezember 2000 mit Rücksicht auf ihr verfassungsrechtlich geschütztes Selbstverwaltungsrecht ausdrücklich anerkannt.

    Die neue Behörde ignoriert jedoch diese Entscheidung des Parlaments und schafft ein System von Überregulierung, das weder hochschulpolitisch noch rechtlich vertretbar ist.

    Gerade mit Blick auf die autonome Rechtsstellung der Hochschulen ist die derzeitige Situation von erheblicher politischer Brisanz und hat direkte Auswirkungen auf die künftige Entwicklung aller NRW-Hochschulen.

    Bereits Ende letzten Jahres hatten die Universitäten Aachen, Bonn und Köln in einer gemeinsamen Pressekonferenz auf den verhängnisvollen Weg hingewiesen, den eine zentralistische Liegenschaftsverwaltung mit sich bringen würde. Die damals geäußerten Befürchtungen haben sich mehr als bestätigt!

    In einem Pressegespräch umrissen heute in Düsseldorf einige Vertreter der Kanzler und Kanzlerinnen der Universitäten NRW mehrere gravierende Kritikpunkte. Anwesend waren als Sprecher der Kanzler Ulf Pallme König (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf), Dr. Reinhard Lutz (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn), Carl-Friedrich Neuhaus (Gerhard-Mercator-Universität Duisburg) und Dr. Klaus Anderbrügge (Westfälische Wilhelms-Universität Münster).

    Als wesentliche Kritikpunkte nannten die Kanzler:
    · Das neue Hochschulgesetz NRW zielt auf eine deutliche Deregulierung vieler Bereiche und Stärkung der Autonomie der Hochschulen. Durch die Schaffung der neuen Behörde "Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW" wird diese Absicht jedoch kraß hintertrieben: Sie führt einzig allein zu mehr Bürokratie.
    Zudem steht der den Hochschulen eingeräumten Finanzautonomie entgegen, daß nunmehr die neue Behörde alle für Baumaßnahmen und Bauunterhaltungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden Mittel zentral verwaltet und über deren Verwendung entscheidet.

    · Die Durchführung von Berufungsverfahren, einer Kernaufgabe der Hochschulen, wird erheblich erschwert, da die oftmals für den Erfolg dieser Verfahren entscheidenden Zusagen über erforderliche Umbauten nicht verbindlich und zeitnah durch die Hochschulen gegeben werden können. Hierzu ist jetzt immer die Zustimmung des BLB erforderlich. Die Bereitstellung und Herrichtung geeigneter Räume ist jedoch mit den Bereichen Forschung und Lehre untrennbar verbunden. Wenn interessierten Wissenschaftlern von den Hochschulen keine attraktive Unterbringung zur Verfügung gestellt werden können, wandern sie in andere Bundesländer oder ins Ausland ab. Die Folge: NRW läuft Gefahr, bundesweit und international im Wissenschaftsbereich nicht mehr wettbewerbsfähig zu sein.

    · Der avisierte "Mietvertrag", den die Hochschulen mit dem BLB schließen sollen, regelt letztlich nur völlig einseitig die Nutzung der Liegenschaften. Das Typische eines Mietvertrages nach bürgerlichem Recht - die Zweiseitigkeit - fehlt, da nach den bisherigen Vorstellungen der Mieter - die Hochschule - gegenüber dem Vermieter (BLB) zunächst keinerlei Rechte, sondern nur Pflichten haben soll. Erst nach drei Jahren sollen die Hochschulen - allerdings auch nur unter eingeschränkten Voraussetzungen - zumindest das Recht erhalten, wegen Mängeln der Mietsache die Miete zu reduzieren.

    · Das Land NRW ist bislang seinen Verpflichtungen zur Bausanierung mehr schlecht als recht nachgekommen. Hätten die Hochschulen nicht - teilweise in erheblichem Umfang - eigene Mittel in ihre Gebäude und Ausstattung investiert, gäbe es einen noch größeren Sanierungsstau. Der Anreiz für die Hochschulen für solche Aktivitäten wird jedoch immer geringer, da sie als Gegenleistung für den Einsatz eigener Finanzreserven bei der Sanierung (womit das Bauobjekt im Wert steigt) nur die Zusage erhalten, daß die Miete nicht erhöht wird!

    · Drittmittel werden in der künftigen Hochschulfinanzierung aufgrund der stark rückläufigen staatlichen Finanzierung eine immer größere Rolle spielen. Es wird Drittmittelgebern für Bauvorhaben, also Spendern, jedoch schwerlich klarzumachen sein, daß sie - gemäß den Plänen des BLB - bis zu 23 Prozent der Summe grundsätzlich an die für sie anonyme neue Behörde als Honorar für deren Leistungen abzuführen haben. Diese Gelder sind für das eigentlich geplante Bauvorhaben verloren.

    · Bei den meisten Flächen und Gebäuden der Hochschulen liegt eine Mischfinanzierung von Bund und Land NRW vor. Unklar ist zurzeit völlig, welche Reaktion der Bund zeigen wird, wenn das Land NRW aus der Vermietung oder gar Veräußerung von gemeinschaftsfinanzierten Gebäuden Gewinn zieht, ohne ihn daran zu beteiligen.

    · Völlig ungeklärt ist derzeit die Frage, ob die Hochschulen uneingeschränkt Räumlichkeiten an Dritte vermieten können. Die Einnahmen aus dieser "Untervermietung" müßten an den BLB abgeführt werden, - was wiederum gegen die garantierte Finanzautonomie der Hochschulen verstößt. Die damit verbundene Minderung der Einnahmen widerspricht zudem dem am 4. Juni 1999 zwischen Hochschulen und Land abgeschlossen Qualitätspakt, der den Hochschulen eine Finanzierungssicherheit auf der Grundlage des Haushalts 1999 zusichert. Die Hochschulen sind auf diese Einnahmen angewiesen, um damit insbesondere die in Zukunft in großem Umfang anstehenden Berufungsverfahren finanziell bewältigen zu können.

    · Ihrer Betreiberverantwortlichkeit können die Hochschulen nur dann gerecht werden, wenn auch die Entscheidungsbefugnis über die Mittel für Bau- und Bauunterhaltungsmaßnahmen in ihrer Hand liegt. Nur so können sie den Anforderungen des Arbeits- und Umweltschutzes gerecht werden.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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