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11.04.2001 09:42

Elektrochemisches Bleichen

Klaus Walter Stabsstelle Hochschulkommunikation
Philipps-Universität Marburg

    Ein neues chlorfreies und umweltschonendes Verfahren für die Papierherstellung zeigen Wissenschaftler der Marburger Philipps-Universität auf der diesjährigen Hannover-Messe vom 23. bis 28. April.

    Umweltfreundlich, leistungsfähig und preiswert - das sind die Vorzüge, die ein am Institut für Physikalische Chemie der Marburger Philipps-Universität entwickeltes Bleichverfahren für die Papierproduktion auszeichnen. Das elektrochemische Bleichen erscheint vor allem deshalb zukunftsträchtig, weil es im Gegensatz zu den bislang üblichen Produktionsmethoden völlig ohne Chlor auskommt.

    Weltweit werden jährlich rund 280 Millionen Tonnen Papier hergestellt, wobei als Rohmaterial zu über 90 % Holz verwendet wird. Um qualitativ hochwertiges weißes Papier zu erzeugen, muss der Holzbrei, die so genannte Pulpe, gebleicht werden. Dazu wird der Pulpe das für die Braunfärbung verantwortliche Lignin entzogen. Pulpe enthält 25 bis 30 % Lignin, 40 bis 50 % Zellulose und 15 bis 20 % Polyosen. Ziel ist es, den Ligninanteil selektiv zu entfernen, ohne die für die Reißfestigkeit des Papiers wichtige Faserlänge der Zellulose zu vermindern. "Der Bleichprozess stellt chemisch gesehen eine Oxidation des Ligninanteils der Pulpe dar, was zum Aufbrechen der polymeren Ligningerüste in kleinere, lösliche Fragmente führt", erläutert Professor Norbert Hampp, in dessen Arbeitsgruppe das Verfahren entwickelt wurde.

    Für die Ligninoxidation im technischen Maßstab bedient man sich heute meist einer Kombination von Chlordioxid- und Sauerstoffbleichverfahren, wobei pro Tonne Papier vier bis vierzig Kilo Bleichmittel nötig sind. Dies macht die Papierindustrie weltweit zu einem der größten Verbraucher chlorhaltiger Bleichmittel. Deren Einsatz führt allerdings zu starken Umweltgiften, wie chlorierten Phenolen und Dioxinen, entspricht also seit langem nicht mehr den ökologischen Anforderungen an zeitgemäße industrielle Prozesse.

    Das in Marburg entwickelte Verfahren zur Bleichung von Pulpe kommt dagegen völlig ohne chlorhaltige Reagenzien aus. Die für das Bleichen erforderliche Oxidationskraft wird durch Strom in einer Elektrolysezelle einem Mediatormolekül, hier Violursäure, zugeführt. Dies bewirkt dann in einer aktivierten Form die Ligninoxidation in der Faser. Bei dieser chemischen Reaktion wird das Molekül zur Violursäure regeneriert. Es kann somit in der Elektrolysezelle erneut reaktiviert werden und in einen neuen Reaktionszyklus starten.

    Die Besonderheit des Mediators Violursäure, der ungiftig und biologisch abbaubar ist, liegt in der außerordentlich langen Radikallebensdauer in Wasser (etwa 30 Minuten). Dies erlaubt eine sehr variable Prozessführung. Durch Überführung in geeignete organische Lösungsmittel kann die Lebensdauer um ein Vielfaches erhöht werden. Sogar eine Lagerung als radikales Pulver ist möglich. Diese Eigenschaft eröffnet dem Marburger Verfahren eine extreme Vielfalt möglicher Anwendungen.

    Die Möglichkeit, enzymatische Verfahren zur Pulpebleichung einzusetzen, ist seit etwa 20 Jahren bekannt. Die geringe Toleranz der Enzyme gegenüber Schwankungen von Temperatur und pH-Wert erfordert aber eine aufwendige Prozesskontrolle. Außerdem muss eine ausreichende Sauerstoffversorgung gewährleistet sein, um die Aktivität der bei der Delignifizierung eingesetzten Enzyme aufrecht zu erhalten.

    Das elektrochemische Verfahren arbeitet dagegen unproblematisch in einem pH-Bereich von pH = 2-7 und Temperaturen zwischen 30 und 90 Grad. Als Lösungsmittel reicht Leitungs- oder Flusswasser aus. Um eine Delignifizierung von ca. 35 % zu erhalten, sind zwei bis vier Kilo Violursäure pro Tonne Pulpe erforderlich. Durch die Regenerierung des Mediators werden bei guter Prozessführung nur rund 30 % der Violursäure verbraucht. Der Rest steht für weitere Bleichschritte zur Verfügung, was die Chemikalienkosten erheblich senken kann.

    Infolge seiner enormen Flexibilität durch interne oder externe Radikalgenerierung sowie die lange Radikallebensdauer ist das Marburger System für viele Arbeitsbereiche geeignet, bei denen eine Oxidation bzw. Bleichung erreicht werden soll. Dies betrifft das Bleichen von Textilien beispielsweise ebenso wie die Abwasserreinigung.

    Das Verfahren wird auf der diesjährigen Hannover-Messe vom 23. bis 28. April vorgestellt: Halle 18, Stand A 20.

    Kontakt: Prof. Dr. Norbert Hampp, Telefon: 06421/2825775.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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