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14.05.2001 16:05

Ethik und Genetik aus Patienten-Perspektive

Jutta Reising Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Westfaelische Wilhelms-Universität Münster

    "Die seit Jahren intensiv geführte Diskussion um die sozialverträgliche Gestaltung genetischer Test- und Informationsangebote und die in diesem Kontext bereits entwickelten Empfehlungen sind zumindest bei den Patienten bisher kaum angekommen." Diese Schlussfolgerung zieht Professorin Dr. Irmgard Nippert vom Institut für Humangenetik der Universität Münster aus einer internationalen Studie zu ethischen Konfliktpotenzialen im Umgang mit entsprechenden Angeboten und Expertenempfehlungen. Vorgestellt werden die Ergebnisse der Studie, die auf einer Befragung von 1400 Personen in den USA, Kanada, Frankreich und Deutschland basiert, im Rahmen des 10. Weltkongresses der Humangenetik, der vom 15. bis 19. Mai 2001 in Wien stattfindet.

    Die von nationalen und internationalen Forschungsorganisationen geförderte Studie, an der neben der Wissenschaftlerin aus Münster Prof. Dorothy Wertz aus den USA, Prof. Dr. Gerhard Wolff aus Freiburg und Dr. Ségolène Aymé aus Frankreich mitgewirkt haben, zeigt eine deutliche Kluft zwischen Expertenempfehlungen und den Wertvorstellungen betroffener Patienten. Befragt wurden die Studienteilnehmer unter anderem zu ihrer Einstellung hinsichtlich der Verfügungsrechte über genetische Daten und deren Weitergabe an Dritte, wie beispielsweise Arbeitgeber, Versicherungen und Strafverfolgungsbehörden. Weitere Fragen bezogen sich auf die Inanspruchnahme vorgeburtlicher Selektionsmöglichkeiten durch Betroffene, die Einstellung zur prädiktiven Untersuchung von genetischen Erkrankungen und zu Angeboten allgemeiner genetischer Reihenuntersuchungen, auf das Recht auf Nichtwissen persönlicher genetischer Daten und auf die Weitergabe genetischer Informationen innerhalb der Familie.

    Wie die beteiligten Wissenschaftler bei dem Kongress in Wien berichten werden, wird beispielsweise das Recht auf Nichtwissenwollen genetischer Daten nur von einem Drittel der Befragten befürwortet. Viele Patienten glauben, sie hätten ein Anrecht auf jedwede genetische Testmöglichkeit solange sie bereit sind, dafür zu zahlen. Falls in einem Land eine bestimmte Untersuchung legal nicht möglich ist, wie etwa die Präimplantationsdiagnostik in Deutschland, so ist ein Drittel der Patienten bereit, dorthin zu fahren, wo dieses Verfahren angeboten wird. Die meisten Patienten glauben, das Recht zu haben, ihre
    Kinder auf Erkrankungen testen zu lassen, die sich erst im späteren Erwachsenenalter manifestieren.

    Gezeigt hat die Studie ferner, dass Patienten einen offenen Umgang mit genetischen Informationen innerhalb der Familie auch gegen den Wunsch einzelner Betroffener befürworten und sich daher für eine Einschränkung der Schweigepflicht bei der Auskunft von genetischen Testergebnissen von Familienangehörigen aussprechen. Eine Weitergabe entsprechender Daten an Dritte wird dagegen mehrheitlich abgelehnt. Allerdings findet die Einrichtung von erkennungsdienstlichen DNA-Banken große Zustimmung. Befürwortet werden ebenso genetische Untersuchungen von Neugeborenen - selbst dann, wenn die untersuchte Erkrankung nicht verhütet oder der Krankheitsverlauf nicht gemildert werden kann.

    Angesichts der Kluft zwischen Expertenempfehlungen und den Wertvorstellungen betroffener Patienten appellieren die an der Studie beteiligten Wissenschaftler an die Verantwortlichen, sich künftig mehr mit den Einstellungen der Betroffenen auseinander zu setzen. "Gerade in Deutschland, wo ein nationaler Ethikrat für die Regierung Empfehlungen zum Umgang mit genetischen Testangeboten und genetischen Informationen erarbeiten soll", so Professorin Nippert, "sollte man die derzeitige Kluft zur Kenntnis nehmen."

    Für weitere Auskünfte stehen zur Verfügung:

    Prof. Dorothy C. Wertz
    Social Science, Ethics and Law
    University of Massachusetts Medical School
    Shriver Division
    Waltham, MA 02452
    USA
    Dorothy Wertz@umassmed.edu
    Tel. 001-781-642-0130
    Fax 001-781-642-0292

    Prof. Dr. Irmgard Nippert
    Institut für Humangenetik
    Universitätsklinikum Münster
    Vesaliusweg 12-14
    48149 Münster
    nippert@uni-muenster.de
    Tel. 0251-8355408
    Fax 0251-8356995


    Weitere Informationen:

    http://www.ichg2001.org


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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