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07.08.2001 09:54

Ökonomischer Briefwechsel Ezra Pounds wird erstmals veröffentlicht

Ilka Seer Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Freie Universität Berlin

    Der amerikanische Dichter, Kritiker, Übersetzer und Herausgeber Ezra Pound (1885-1972) ist in erster Linie für seine 1915-1959 entstandene Reihe "The Cantos" bekannt. Diese nach der Struktur von Dantes "Göttlicher Komödie" geplante epische Dichtung stellt der entwerteten kommerziell-kapitalistischen Welt die Kulturtraditionen der Antike, des Abendlandes und des alten China gegenüber. Pound gilt als scharfer Kritiker der USA und der westlichen Zivilisation. Trotz seiner kritischen Äußerungen gegen ein kapitalistisches Weltsystem ist sein Interesse für Wirtschaft und Finanzen bisher kaum untersucht worden. Erstmalig wird Ezra Pounds Briefwechsel über ökonomische Themen herausgegeben: "Ezra Pound's Economic Correspondence (1933-1945)". Die Publikation von Dr. Roxana Preda entsteht im Rahmen eines neuen Projekts am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin, das die Schnittstellen zwischen Ökonomie und Literatur analysiert. Die wissenschaftliche Leitung liegt bei Prof. Dr. Carl L. Holtfrerich und Prof. Dr. Heinz Ickstadt.

    "Ezra Pound's Economic Correspondence (1933-1945)" beinhaltet die unveröffentlichten Briefe des Lyrikers, in denen er sich mit alternativen Wegen aus der Weltwirtschaftskrise auseinandersetzt. Vervollständigt wird die Schriftensammlung durch einen wissenschaftlichen Apparat, eine einleitende Studie und biographische Skizzen der verschiedenen Briefpartner, eine Einordnung der Briefe in ihren historischen Kontext sowie die Darstellung weiterer alternativer Wirtschaftstheorien.

    Ezra Pound führte einen regen Briefwechsel mit Intellektuellen unterschiedlicher Nationen: mit etablierten Wirtschaftswissenschaftlern wie Irving Fisher oder Lionel Robbins; mit den Historikern W. E. Woodward und Christopher Hollis; mit Journalisten und Reformern wie C. H. Douglas, A. R. Orage, Hugo Fack, Arthur Kitson und E. S. Woodward.

    Der Briefwechsel aus den dreißiger Jahren spiegelt Ezra Pounds persönliche Entwicklung vom Wirtschaftsreformer zum Propagandisten des Faschismus wider. Pound hatte sich während zwei Phasen seines Lebens intensiv mit wirtschaftspolitischen Fragestellungen beschäftigt: zuerst unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg und ein weiteres Mal nach 1933.

    Das Interesse Ezra Pounds an ökonomischen Themen wurde nach dem Ersten Weltkrieg geweckt, als er für die Zeitschrift "The New Age" in London arbeitete. Der Herausgeber dieser Zeitung, A. R. Orage, hatte gerade C. H. Douglas entdeckt - einen Ingenieur, der glaubte, Ursache und Lösung des Armutsproblems gefunden zu haben. Mit dem Blick eines Außenstehenden hatte Douglas beobachtet, dass der Lohn durchschnittlicher Arbeitnehmer und das Niveau der Warenpreise nicht konform waren. Das Missverhältnis zwischen niedrigen Einkommen einerseits und hohen Verkaufspreisen andererseits führte zu einer logischen Absatzschwäche der Produkte.

    Ezra Pound verarbeitete in seiner Dichtung die Eindrücke, die er durch Douglas' Theorie gewonnen hatte: "And the light became so bright and so blindin' / In this layer of paradise / That the mind of man was bewildered." Die Theorie des Sozialkredits stieß auf Widerstand von Seiten der etablierten Wirtschaftswissenschaft. 15 Jahre lang stellte Pound seine wirtschaftspolitischen Interessen zurück. Erst 1933 - Pound lebte seit 1924 in Italien und war ein Anhänger Benito Mussolinis geworden - wendete sich Pound erneut der Wirtschaft zu. Sein Ziel war es, den Sozialkredit in Italien und Amerika zu propagieren. Dazu kam, dass er Silvio Gesells Ideen über das Schwundgeld entdeckt hatte. Silvio Gesell (1862-1930) war deutscher Wirtschaftsreformer und Begründer der Freiwirtschaftslehre. Er förderte den freien Wettbewerb sowie die Abschaffung von Monopolen und Zinsen (Schwundgeld). Schwundgeld war eine Währung, die sich automatisch entwertete, wenn man nicht in regelmäßigen Abständen ein Postwertzeichen darauf klebte. Der Vorteil dieses Geldes war, dass es nicht gehortet werden konnte und schnell ausgegeben werden musste, da es sonst an Kaufkraft verlor. Es trug somit dazu bei, die Geschwindigkeit des Warenaustausches erheblich zu erhöhen. Das Ziel Ezra Pounds war es, die Idee eines Sozialkredits zu fördern und mit Gesells Schwundgeld zu kombinieren. Darüber hinaus verfolgte Pound die Arbeiten amerikanischer Reformer sowie die Lösungen, die Roosevelts "New Deal" anbot. Beim "New Deal" handelt es sich um wirtschaftliche Maßnahmen, die während der Präsidentschaft Roosevelts getroffen wurden, um die Folgen der Krise zu erleichtern (die New-Deal-Periode dauerte von 1933 bis Pearl Harbor). Aus den Diskussionen ergibt sich ein kritisches Bild des "Mainstreams" der Wirtschaftspolitik zwischen den zwei Weltkriegen.

    Pounds propagandistische Bemühungen endeten im Desaster. Seine Loyalität zu Mussolini - lange nachdem dieser den Bund mit Hitler geschlossen hatte - führte dazu, dass Pound im römischen Radio Kriegspropaganda für die italienische Regierung verbreitete. Seine Hörfunkreden, die an Amerika und England gerichtet waren, wurden auch nach Pearl Harbor übertragen. Im Mai 1945 wurde Pound von den Amerikanern verhaftet und nach Washington geflogen, um sich dort wegen Hochverrats zu verantworten. Sein Anwalt plädierte auf Unzurechnungsfähigkeit - Pound wurde in eine Anstalt eingewiesen, wo er die nächsten 13 Jahre seines Lebens verbrachte. Dort schrieb er weitere Dichtungen; sein politischer Protest aber, sowie seine journalistische Arbeit, waren hiermit beendet.

    Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
    Dr. Roxana Preda, John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin, Abt. Wirtschaft, Lansstr. 5-9, 14195 Berlin, Tel.: 030 / 838-52602, Mobil: 0160 / 99 51 94 70, E-Mail: rpreda@zedat.fu-berlin.de


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    Ezra Pound (1885-1972)
    Ezra Pound (1885-1972)

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Sprache / Literatur, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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