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23.12.1997 00:00

Kugelförmige Bibliotheken im molekularen Massstab

Dr.rer.pol. Dipl.-Kfm. Ragnwolf Knorr Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    Chemische Grundlagenforschung Kugelfoermige Bibliotheken im molekularen Massstab

    Mehr ein Gewaechs als ein Gebaeude ist die Bibliothek, obwohl sie planvoll konstruiert ist. Die Architekten haben ein Labyrinth aus Veraestelungen und Hohlraeumen erdacht, die zu einem kugeligen Gebilde angeordnet sind. Hineingehen kann man nicht, und Buecher sind darin auch nicht zu finden: im molekularen Massstab haben solche monstroesen Gegenstaende keinen Platz. Trotzdem sind alle Zweige des kugelfoermigen "Baumes" vollgepackt mit Informationen und koennen Chemikern viel Neues verraten. Solche "Kombinatorischen Bibliotheken" bestehen aus Makromolekuelen, Dendrimere genannt. Seit Herbst 1996 werden am Lehrstuhl fuer Organische Chemie der Universitaet Erlangen-Nuernberg unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Hirsch Strukturabkoemmlinge von Dendrimeren dargestellt und deren chemische, spektroskopische, physikalische und biologische Eigenschaften untersucht.

    Die Darstellung von definiert-chemischen Polymerarchitekturen ist ein wichtiges Ziel der modernen Synthesechemie, fuehrt sie doch zu Stoffen mit ungewoehnlichen und oft neuen Eigenschaften. Eine besondere Art von Polymerstruktur besitzen die Dendrimere (Wortschoepfung aus griech. dendron = Baum und Polymer), die bereits aufgrund ihrer aesthetisch verzweigten, baumartigen Struktur den Synthesechemiker faszinieren und Anstoss zur Synthese neuer Vertreter dieser Molekuelgattung geben.

    Gemaess ihrem Aufbauprinzip weisen Dendrimere auf ihrer "Oberflaeche", die einer Kugel gleicht, ausserdem eine grosse Zahl reaktiver Endgruppen auf, deren Eigenschaften vielfach synthetisch variiert werden koennen. Damit lassen sich Dendrimere mit einer grossen Anzahl chemisch unterschiedlicher Aeste herstellen, die damit lokal unterschiedliche Eigenschaften besitzen und als "Chemische Substanzbibliotheken" fuer andere Untersuchungen zur Verfuegung gestellt werden koennen. Ausgehend von einem Kern "waechst" ein solches Makromolekuel in drei Dimensionen zu molekular kompakten, hochverzweigten Gebilden. Jede der durch die aufeinanderfolgenden Wachstumsschritte gebildeten "Schalen" wird als "Generation" bezeichnet. Als Molekuelkern bedient man sich bei den Synthesen eines fussballfoermigen Fullerens, des "Lieblingsmolekuels" des Erlanger Arbeitskreises, als Aeste dienen eiweissaehnlich aufgebaute verzweigte Molekuelgebilde, die aus Aminosaeuren und Weinsaeure aufgebaut sind (Depsipeptide).

    Das Dendrimergeruest laesst sich in drei Bereiche unterteilen, in die Kerneinheit (Core), den Inneren Bereich, der fuer die Hohlraumstruktur bestimmend ist, und den Aeusseren Bereich, der aufgrund der aussen liegenden reaktiven Gruppen fuer die Chemie zustaendig ist. Der Innere Bereich, der zwischen den einzelnen Aesten aus Hohlraeumen besteht, kann als Modell fuer bioaktive Molekuele wie z.B. Rezeptoren oder Enzyme dienen. Der aeussere Bereich mit den Endgruppen der vielen Zweige kann als Rezeptormodell im Sinne einer molekularen Erkennung dienen.

    Zur Darstellung solcher Dendrimere bieten sich prinzipiell zwei alternative Wege an, die "divergente Synthese", bei der vom zentralen Kern nach aussen wachsend der Aufbau erfolgt, oder die "konvergente Synthese", bei der die bereits vorgefertigten und "ausgewachsenen" Aeste (Dendronen) einzeln an das Zentrum gekoppelt werden. Durch den konvergenten Ansatz erhalten die Makromolekuele eine voellig einheitliche Struktur, die durch die Wahl der Verzweigungen innerhalb eines weiten Bereichs beeinflusst werden kann.

    Aehnlichkeit zu Proteinen

    Die im Rahmen dieses von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefoerderten Syntheseprogrammes angestrebten Zielmolekuele mit der alternierenden eiweissaehnlichen Depsipeptid-Struktur finden ein natuerliches Analogon in Form kleiner zyklischer Eiweissstoffe, die als antibiotische Stoffwechselprodukte in Pilzen vorkommen. Der Antibiotikacharakter dieser Naturstoffe resultiert aus ihren komplexierenden Eigenschaften, die den Transport von elektrisch geladenen Teilchen (Ionen) durch Zellmembranen ermoeglichen. Daher wird ein weiteres Ziel des Vorhabens die biologische Austestung der Syntheseprodukte auf moegliche biologische bzw. antibiotische Eigenschaften darstellen.

    Die definierte Wahl unterschiedlicher Aminosaeuren erlaubt die Varianz einzelner Aeste beim Aufbau dieser Sternpolymere. Als Syntheseprodukt entsteht dadurch sozusagen ein "Gemisch von Substanzen in einer einzigen Substanz", also Herstellung unterschiedlicher Verbindungen in einem einzigen Molekuel, und ermoeglicht einen raschen simultanen Biotest. Der molekulare Aufbau solch einer Verbindung entspricht den Regeln der Kombinatorik und wird daraus abgeleitet als Kombinatorische Bibliothek bezeichnet. Naturgemaess erfordern solche Substanzbibliotheken eine lokale Fixierung oder Markierung der Einzelkomponenten und deren Kodierung zur spaeteren Strukturbestimmung.

    Im Rahmen dieses Forschungsvorhabens ist geplant, neben den oben dargestellten Dendrimeren mit Fulleren als Kerneinheit auch solche Bibliotheken auf polymerem Traegermaterial wie z. B. modifiziertem Polystyrol herzustellen. Dabei uebernimmt der unloesliche Kunststoff die Rolle des Kerns, von dem aus wieder strahlenfoermig die Molekuele wachsen koennen. Der Vorteil dieser Strukturen liegt im moeglichen Design, da dadurch Bibliotheken auf Kunststoff-Filmen und -Flaechen sowie Staebchen erzeugt werden. Zum einen wird dadurch die lokale Fixierung und Markierung der einzelnen Aeste erleichtert, und gleichzeitig ergeben sich vereinfachte Testmethoden fuer ein moegliches bioassay.

    Wachsendes Gewicht

    Eine Komponente einer Generation-1-Bibliothek besitzt in Abhaengigkeit von den darin enthaltenen Aminosaeuren ein Molekulargewicht von ueber 1.000, bereits die zweite Generation wuerde etwa ein Molgewicht von 2.000 besitzen. Bei jeder naechsten Generation verdoppelt sich die Molmasse, d.h. fuer eine Bibliothek der 5. Generation ist ein Molekulargewicht von ca. 16.000 zu erwarten. Damit bewegen sich diese kuenstlichen biologischen Modellverbindungen bereits in der Groessenordnung natuerlicher und biologisch interessanter Eiweissstoffe.

    Dies wiederum stellt betraechtliche Anforderungen an die Analytik und Charakterisierung der Syntheseprodukte, die im Erlanger Institut zum Grossteil mittels Massenspektrometrie geloest werden sollen. Zwei neue Spektrometer mit modernen und fuer Biomolekuele geeigneten Ionisationsverfahren und hoechst moeglichem Massenbereich stehen seit kurzer Zeit zur Verfuegung.

    Kontakt: Prof. Dr. Andreas Hirsch, Institut fuer Organische Chemie, Henkestr. 42, 91054 Erlangen, Tel.: 09131/85 -2546, -2537, Fax: 09131/85 -6864, E-mail: hirsch@organik.uni-erlangen.de, vostrows@organik.uni-erlangen.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie
    überregional
    Es wurden keine Arten angegeben
    Deutsch


     

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