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11.03.2002 11:37

Mit Kopftuch und Handy

Gertraud Pickel Presse und Kommunikation
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

    In einen langen Mantel und Kopftuch gehüllt, mit Einkäufen für ihre Großfamilie bepackt: so stellen Deutsche sich die "traditionelle" Türkin vor. Eine junge Frau türkischer Abstammung, die in Kleidung vom mitteleuropäischen Standard an Hochschulseminaren teilnimmt und ein eigenes Zimmer gemietet hat, gilt als modern und integriert. Wie jedoch passt die Deutsch-Türkin in dieses Schema, die das Kopftuch mit körperbetonten Tops kombiniert und über Handy ihr nächstes Date verabredet? In ihrer Zulassungsarbeit für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Erlangen-Nürnberg hat Itta Bauer herausgearbeitet, dass deutsch-türkische Nürnbergerinnen ihre unterschiedlichen kulturellen Bezugsfelder nicht unbedingt als problematisch erleben, sogar kreative Impulse daraus ziehen und sich Freiräume schaffen. Schwierigkeiten entstehen wohl eher durch das starre "Entweder-Oder", nach dem die deutsche Bevölkerung urteilt. Die Fränkische Geographische Gesellschaft (FGG) hat der Arbeit den diesjährigen Franken-Preis zuerkannt, der mit 500 Euro dotiert ist.

    Für ihre Abschlussarbeit am Lehrstuhl für Kulturgeographie und Entwicklungsforschung von Prof. Dr. Hermann Kreutzmann hat Itta Bauer mit ausgewählten jungen Türkinnen, die in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland ansässig sind, darüber gesprochen, wie sie ihr Leben wahrnehmen und gestalten. Ihre Identität müssen sie zwischen den "typischen" Zuschreibungen suchen, mit denen türkische und deutsche Lebensweisen charakterisiert werden: dem "Gastarbeiterimage" mit traditioneller Rollenverteilung der Geschlechter, schlechten Wohn- und Arbeitsverhältnissen und niedrigem Bildungsgrad einerseits, dem Bild der "Almanci" (wörtlich: Deutschländer) auf der anderen Seite, denen der Verzicht auf alle Tradition, Religion und eigene Kultur nachgesagt, oft auch vorgeworfen wird.

    Dies bedeutet für die befragten jungen Frauen weder eine unerträgliche Zerreißprobe, noch können sie die beiden Pole als Orientierungsgrößen völlig beiseite lassen. Sie definieren sich selbst und andere, indem sie auf die Stereotypen von "deutsch" und "türkisch" zurückgreifen, obwohl sie dieses Schubladendenken häufig ablehnen und eine Perspektive anstreben, die den Einblick in beide Seiten möglich macht. Innerhalb der eigenen Gruppe werden Grenzen gezogen, die widersprüchlich erscheinende Eigenschaften zusammenfassen, wie die der Deutsch-Türkin mit Handy, einer "sexy" wirkenden Aufmachung und dem Kopftuch, das die Familie zufriedenstellt. Im Vergleich mit und der Abgrenzung von anderen und im ständigen Wechsel zwischen verschieden "Seiten" können die Frauen, wenn auch nicht ohne Probleme und Hindernisse, Stategien für ihr Leben entwickeln. Als junge Frau aus patriarchalischen Verhältnissen zu einer guten Ausbildung und beruflichem Erfolg zu kommen, kann beispielsweise als besonders befriedigend empfunden werden.

    Die FGG hat den Franken-Preis in diesem Jahr zum zweiten Mal vergeben. Die eng mit dem Institut für Geographie der Universität Erlangen-Nürnberg verbundene Gesellschaft unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Horst Kopp möchte mit der Auszeichnung darauf aufmerksam machen, dass praxisbezogene geographische Arbeiten viel zur Lösung aktueller Probleme in der Region beitragen können.


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Gesellschaft
    regional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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